HPG geben Namen von fünf Gefallenen bekannt

Die HPG haben die Identität von einer YJA-Star-Kommandantin und vier Kämpfern veröffentlicht, die im Widerstand gegen die türkische Armee in Amed und Şirnex gefallen sind.

Das Pressezentrum der Volksverteidigungskräfte (HPG) hat die Namen von vier Kämpfern und einer Kommandantin veröffentlicht, die im Widerstand gegen die türkische Armee gefallen sind. Axîn Mûş, Egîd Berxwedan, Rohat Pasûr und Demhat Setkar kamen demnach in der Nacht von Sonntag auf Montag in Amed (tr. Diyarbakır) ums Leben. Zu ihren Todesumständen erklären die HPG: „Am 17. September kam es zu einem Feindkontakt zwischen einer Guerilla-Gruppe und der türkischen Besatzerarmee in Licê bei Amed. Die Kämpfe begannen bereits am Morgen und mündeten im Laufe des Tages in heftige Zusammenstöße, die bis zum Abend andauerten. Dabei wurden dem Feind schwere Schläge zugefügt. Die türkische Armee, die gegen den Widerstand und den Mut unserer Freund:innen nichts auszurichten wusste, bombardierte das Kampfgebiet mit Hubschraubern und Flugzeugen. Axîn Mûş, Mitglied der Kommandoräte der HPG und Verbände freier Frauen (YJA Star), die zugleich Kommandantin der Regionalkommandantur von Amed war, sowie die Genossen Egîd, Rohat und Demhat schlossen sich in der Folge der Karawane der Gefallenen an.“

Ein weiterer Guerillakämpfer, Rênas Tolhildan, kam am selben Tag bei Gefechten in der Provinz Şirnex (Şırnak) ums Leben. Die HPG hatten seinen Tod bereits am Mittwoch bekannt gegeben, Angaben zu seiner Identität aber noch nicht gemacht. Rênas Tolhildan war Teil einer Einheit im Landkreis Basa (Güçlükonak). Er starb in der Nähe des Dorfes Bana, das seit zwei Monaten wegen der Sichtung von Mitgliedern der Guerilla vom Militär belagert wird und bereits mehrfach durch die türkische Luftwaffe bombardiert wurde. Über die Gefallenen machen die HPG folgende Angaben:

Codename: Axîn Mûş
Vor- und Nachname: Hülya Demirer
Geburtsort: Nikosia
Namen von Mutter und Vater: Xanimzer – Elibaz
Todestag und -ort: 17. September 2023 / Amed
 
Codename: Egîd Berxwedan
Vor- und Nachname: Habib Karakoç
Geburtsort: Amed
Namen von Mutter und Vater: Müzeyyen – Mehmet Sedîq
Todestag und -ort: 17. September 2023 / Amed
 
Codename: Rohat Pasûr
Vor- und Nachname: Cihat Ay
Geburtsort: Amed
Namen von Mutter und Vater: Halide – İhsan
Todestag und -ort: 17. September 2023 / Amed
 
Codename: Demhat Setkar
Vor- und Nachname: Çetin Temel
Geburtsort: Wan
Namen von Mutter und Vater: Sima – Sait
Todestag und -ort: 17. September 2023 / Amed
 
Codename: Rênas Tolhildan
Vor- und Nachname: Ramazan Eliçümüş
Geburtsort: Şirnex
Namen von Mutter und Vater: Leyûn – Xelîl
Todestag und -ort: 17. September 2023 / Botan
 

 
Axîn Mûş

Axîn Mûş wurde in Nikosia auf Zypern geboren. Ihre ursprünglich aus Kop stammende Familie musste Kurdistan aufgrund der dort gültigen Unterdrückungspolitik verlassen. Sie wuchs in einem patriotischen Elternhaus auf, das geprägt war von der kurdischen Widerstandstradition. Ihren ersten Kampf trug sie bereits als Kind aus; gegen die vom System den Frauen zugeschriebene Rolle und die damit einhergehende Institutionalisierung einer Sklavengesellschaft, die auf versklavten Frauen basiert. „Das historische Gedächtnis der kurdischen Frau, die bereits Schrittmacherin der neolithischen Revolution war und durch ihr Wirken die Geschichte der Menschheit gestaltete, wirkte sich auf die Persönlichkeit von unserer Freundin Axîn aus. Ihre Hoffnung auf Freiheit, ihre Suche nach Freiheit und ihre Ablehnung des Systems brachte sie unserer Partei, der PKK, die sie bereits von klein auf kannte, näher und steigerte ihr Interesse. Hevala Axîn erkannte, dass die Reihen der PKK die richtige Grundlage für den Kampf waren, dem Leiden unseres Volkes eine Antwort zu geben und mit der Identität der freien Frau zu leben. Ohne zu zögern, schloss sie sich 1997 dem Befreiungskampf Kurdistans an.“


Die erste Zeit bei der PKK verbrachte Axîn Mûş im Bereich der gesellschaftlichen Arbeit, die sie sowohl in Kurdistan als auch in der Türkei durchführte. Mehrfach geriet sie dabei ins Visier der türkischen Repressionsbehörden und wurde festgenommen. Um sich diesem staatlichen Terror zu entziehen, ging sie nach Europa. Dort erlebte sie die Phase des internationalen Komplotts, wie die kurdische Gesellschaft die Verschleppung des PKK-Gründers Abdullah Öcalan in die Türkei bezeichnet. Vorangegangen war diesem 1999 vollzogenen Piratenakt eine lange Odyssee des Vordenkers der kurdischen Befreiungsbewegung, der 1998 durch türkischen Druck aus Syrien vertrieben worden war. Axîn Mûş kehrte daraufhin im Jahr 2000 nach Kurdistan zurück. Sie schloss sich der Guerilla an und wurde schnell zu einer Kommandantin, zu ihren Einsatzgebieten gehörten unter anderem Qendîl, Zap und Gare.

„Wo immer Hevala Axîn war, standen das kommunale Leben, der gesunde Menschenverstand und die Führungsrolle der Frauen im Vordergrund. Wo immer es nötig war, war sie eine prinzipientreue und gerechte Kämpferin mit einer eindeutigen Haltung. In ihr konnte man die innere Schönheit, die Erhabenheit des Geistes, die Schönheit der Gefühle und das zarte, das Leben tief empfindende Herz sehen, das in jeder Frau zu finden ist, die mit dem Anspruch auftritt, eine freie Frau zu sein. Sie war eine Frau, eine Partisanin, eine Kommandantin und vor allem eine gute Genossin, mit einem klaren Herzen und einem klaren Verstand und einem klaren Streben nach Freiheit. Hevala Axîn bewegte sich auf der Linie von Zîlan, kämpfte wie Bêrîtan und arbeitete jeden Augenblick für ein freies Leben. Mit ihrem Wirken entwickelte sie sich selbst, schuf Neues und bildete ihre Kamerad:innen aus. Hunderten Kämpferinnen und Kämpfern sowie dutzenden Kommandierenden gab sie ihr Wissen weiter. Sie war eins mit dem Stil von Zîlan, der Entschlossenheit, dem Willen und der Praxis – sowohl im Leben als auch im Krieg. Sie war eine Pionierin unseres Volkes und Kommandantin der Fedai. Indem sie sich stets für die schwierigsten Aufgaben, die Verantwortung erfordern, bereit hielt, wurde sie zu einer bahnbrechenden YJA-Star-Kommandantin, die alle Aufgaben des Revolutionären Volkskrieges mit Erfolg meisterte.”


2004 wechselte Axîn Mûş nach Botan, später war sie in Mêrdîn und hielt sich auch eine Weile wieder in den Medya-Verteidigungsgebieten auf. In ihrem letzten Einsatzgebiet Amed war sie seit 2018. Hier führte sie zahlreiche Aktionen und Operationen der Guerilla an.

Egîd Berxwedan

Egîd Berxwedan wurde in Farqîn (Silvan) bei Amed als Sohn einer patriotischen Familie geboren. Er wuchs unter dem Eindruck der türkischen Vernichtungspolitik im Kurdistan der 1990er Jahre auf und wurde Zeuge der zahlreichen Verbrechen an der kurdischen Bevölkerung. Ab 2005 engagierte er sich innerhalb der Jugendbewegung, 2010 war er aktiv in den Revolutionären Volkskrieg eingebunden. Nur ein Jahr später fasste er den Entschluss, zur Guerilla in die Berge zu gehen.


Erste praktische Erfahrungen bei der Guerilla sammelte Egîd Berxwedan in Amed, später ging er nach Erzîrom (Erzurum). Die Provinz ist bekannt für ihre harten Bedingungen. 2014 zog es den Kämpfer nach Kobanê in Rojava, um sich am Widerstand gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) zu beteiligen. Er wurde schwer verletzt und zur Behandlung nach Nordkurdistan gebracht, doch die türkischen Behörden nahmen ihn umgehend fest. Insgesamt sieben Jahre verbrachte Egîd Berxwedan in der Folge im türkischen Knast – auf Grundlage eines Urteils wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer „Terrororganisation“. Kaum entlassen, führte ihn sein Weg zurück in die Berge.

Rohat Pasûr

Rohat Pasûr wurde ebenfalls in Amed geboren. Die Schule besuchte er an einer „YIBO“ – das sind staatliche Internatsschulen in ländlichen Gebieten, in denen schulpflichtige kurdische Kinder unter dem Deckmantel „Unterricht“ assimiliert werden. Dieser Realität begegnete er relativ früh und unternahm Bemühungen, sich diesem Zentrum der Assimilierung zu entziehen. In dieser Zeit setzte er sich intensiver mit den Zielen der kurdischen Befreiungsbewegung auseinander.


Großen Eindruck auf ihn machten 2006 die Volksaufstände in Kurdistan, die sich am Tod von vierzehn Kämpferinnen und Kämpfern der Guerilla entzündet hatten, die in Mûş Opfer eines Chemiewaffenangriffs der türkischen Armee geworden waren. Ab 2007 arbeitete er bei Medieneinrichtungen in der Tradition der freien kurdischen Presse. Parallel dazu war er im Rahmen des Projekts „Demokratische Autonomie” in die Organisierung der Gesellschaft eingebunden, war Mitbegründer von Kommunen und wirkte in Stadträten mit.


2009 wurde Rohat Pasûr verhaftet und war zwei Jahre im Gefängnis in Amed. Er nahm seine durch die Haft unterbrochenen Arbeiten zunächst wieder auf und schloss sich 2013 in Amed der Guerilla an. Er ging in die Medya-Verteidigungsgebiete, wo er in verschiedenen Regionen im Einsatz war, und kehrte 2016 nach Nordkurdistan zurück. Seitdem kämpfte er in seiner Heimat Amed gegen die türkische Besatzung.

Demhat Setkar

Demhat Setkar wurde in Wan geboren, entstammte jedoch einer ursprünglich in Elkê (Beytüşşebap) in der Provinz Şirnex ansässigen und von dort vertriebenen Familie. Setkar, das Dorf seiner Eltern, wurde in den 1990ern im Zuge der Politik der verbrannten Erde von der türkischen Armee vernichtet.  Die Familie ließ sich in Wan nieder und pflegte eine tiefe Verbundenheit zum Befreiungskampf. Als junger Heranwachsender interessierte sich Demhat Setkar für die kurdische Jugendbewegung, unter deren Dach er sich einige Jahre lang tatkräftig engagierte. „Aus dem Verständnis heraus, seinen Widerstand auszuweiten, wurde Hevalê Demhat federführender Kader der Jugend“, schreiben die HPG in ihrem Nachruf auf den Gefallenen. Später schloss er sich in Amed der Guerilla an.

Rênas Tolhildan

Rênas Tolhildan wurde in Şirnex geboren. Hier fasste er 2019 den Entschluss, in die Berge zu gehen – um die Verbrechen am kurdischen Volk zu rächen, wie die HPG erklären. Von Besta bis Gabar war er in zahlreichen Gebieten der Widerstandshochburg Botan im Einsatz. Hier gehörte er auch der Einheit von Egîd Civyan (Vahdettin Karay) an, einem Mitglied des HPG-Kommandorats und Kommandant der Region Botan, der im September 2020 in Wan-Şax bei einer erfolgreichen Aktion gegen die Koordinatoren einer Militäroperation ums Leben kam.


Die HPG beschreiben alle fünf Gefallenen als führende Militante, die ihr Leben der Freiheit des kurdischen Volkes gewidmet haben: „Axîn, Egîd, Rohat, Demhat und Rênas nehmen mit ihrem selbstlosen Wirken und ihrer Opferbereitschaft einen unerschütterlichen Platz in der Revolution ein. Sie haben ein großes Vermächtnis des Kampfes hinterlassen, an dem sich jede Kurdin und jeder Kurde ein Beispiel nehmen kann. Angesichts ihres Verlusts sprechen wir den Hinterbliebenen und unserem Volk unser Mitgefühl aus. Wir versprechen, unsere Gefallenen zu rächen und ihre Ziele zu verwirklichen.“