Militärschläge als Selbstinszenierung der AKP

Der politische Beobachter Letîf Ferec aus Kerkûk bezeichnet die türkische Invasion in Südkurdistan als Selbstinszenierung des AKP-Regimes, um von der wirtschaftlichen und politischen Krise in der Türkei abzulenken.

In der Nacht auf Montag wurden das Flüchtlingscamp Mexmûr, das ezidische Siedlungsgebiet Şengal und Guerillagebiete in Südkurdistan von türkischen F16-Kampffliegern bombardiert. Der türkische Staat stellte die Luftinvasion als erfolgreichen Schlag gegen die PKK dar. Der Autor und politische Beobachter Letîf Fatîh Ferec ist anderer Meinung und hat sich gegenüber ANF in der südkurdischen Stadt Kerkûk zu dieser Darstellung geäußert:

„Die Angriffe des türkischen Staates waren nicht nur auf eine Partei gerichtet, die PKK war nicht ihr einziges Ziel. Was hauptsächlich durch die Angriffe vorangetrieben wird, ist der Versuch der AKP, das kurdische Volk zu vernichten und die kurdische Identität zu zerstören. Als die AKP im Norden Kurdistans damals die Friedensgespräche abgebrochen hat, hat sie sich damals gleichzeitig auch bewusst für einen zerstörerischen Weg entschieden."

Für Ferec ist die türkische Invasion ein offensichtliches Anzeichen für die schlechte Lage, in der sich der türkische Staatschef Erdogan mit seiner Partei AKP befindet: „Die Partei hat der Bevölkerung viele große Lügen erzählt, deren Wahrheitsgehalt langsam ans Licht kommt. Die Menschen sind deswegen in großer Wut. So wurde zum Beispiel von einem Sprecher der AKP selbst die Vermutung laut, dass der vermeintliche Militärputsch 2016 gestellt war, nur damit Erdogan sich als Retter inszenieren kann.“

Türkisches Regime in Bedängnis

In diesem Zusammenhang erklärt Ferec weiter: „Ein weiterer Grund für die aktuellen Militärschläge ist die Wirtschaftskrise in der Türkei. Auch die HDP und die für Freiheit kämpfenden Menschen in Nordkurdistan bringen den Staat in Bedrängnis. Die HDP greift auf der politischen Arena gezielt das von der AKP errichtete System an. Um von all dem abzulenken und um sich zu inszenieren, hat die AKP-Regierung mit den Angriffen begonnen."

Ein Angriff auf alle kurdischen Parteien

Ferec weist darauf hin, dass sich die türkische Invasion gegen alle kurdischen Parteien richtet: „Das Ziel der Angriffe geht weit über die PKK hinaus. Die AKP sagt selbst, dass sie alle Kurden aufspüren und vernichten will. Deswegen ist es wichtig zu verstehen, dass sich die Angriffe gegen alle Parteien und Repräsentanten im südkurdischen Raum richten."

Zustimmung der irakischen Regierung

Zu der Rolle der Regierung in Bagdad bei den Angriffen des türkischen Staates auf irakisches Territorium sagt Ferec: „Die irakische Regierung ist für die Verteidigung des eigenen Landes verantwortlich, und obwohl sie die Angriffe mehrfach verurteilt hat, kann man meiner Meinung nach sehen, dass sie den Angriffen insgeheim zustimmt. Erst vor wenigen Tagen waren der MIT-Verantwortliche Hakan Fidan und der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu zu Gesprächen in Bagdad. Dabei wurde offensichtlich der Weg für die Angriffe frei gemacht.“

Keine Hoffnung in kurdische Regionalregierung

Im Zusammenhang mit dem Schweigen der kurdischen Regionalregierung zu den türkischen Angriffen erklärt Latîf Ferec: „Ich habe keine Hoffnung, dass die Regionalregierung sich dagegen positionieren wird, weil ihr Reichtum und ihre ganze Existenz leider auf einem Bündnis mit den Feinden des kurdischen Volkes basiert. Deswegen bin ich davon überzeugt, dass es absolut keine Bemühungen der Regionalregierung geben wird, die Angriffe zu verurteilen oder gar gegen sie vorzugehen.“

Appell an Intellektuelle und demokratische Kräfte

An die Intellektuellen und demokratischen Kräfte in Südkurdistan appelliert Letîf Fatîh Ferec: „Alle nach Freiheit strebenden Menschen müssen verstehen, dass die Angriffe, die heute in Qendîl, Şengal und Mexmûr stattfinden, morgen auch Hewlêr [Erbil], Çemçemal und Silêmanî treffen werden. Dementsprechend wäre es eine ethische Verpflichtung des kurdischen Parlaments und des Innenministeriums, Mexmûr und Şengal einen Besuch abzustatten und Solidarität zu bekunden. Alles andere zeigt nur, dass sie selbst Teil der Angriffe sind.“