„Es ist nicht so einfach, den Willen von Nisêbîn zu brechen“

Die durch das AKP/MHP-Regime abgesetzte Ko-Bürgermeisterin von Nisêbîn, Semire Nergiz, sagt: „Nisêbîn hat sich durch seine Opfer den Titel Widerstandsstadt verdient, diese Stadt ist ein politischer Ort mit einer klaren Haltung.“

Das AKP/MHP-Regime hat nach letzten Kommunalwahlen sämtliche, oft mit überwältigender Mehrheit in Nordkurdistan gewählte Ko-Bürgermeister:innen der HDP absetzen und durch regimetreue Zwangsverwalter ersetzen lassen. Eine dieser Städte ist die nordkurdische Widerstandshochburg Nisêbîn (tr. Nusaybin). Sogar das emanzipatorische System der Ko-Bürgermeister:innen, jede Bürgermeister:innenstelle wurde von der HDP mit einem Mann und einer Frau besetzt, wurde zum Gegenstand von Verfahren. Die abgesetzte Ko-Bürgermeisterin von Nisêbîn, Semire Nergiz, wurde durch ihren historischen Satz bekannt: „Das System der Ko-Vorsitzenden ist unsere lila Linie. Es ist ein System, das uns als Frauen schützt und unsere Rechte jenseits der Quoten vertritt.“ Sie erklärte: „Das System des Ko-Vorsitzes ist einer der Grundsätze unseres Paradigmas. Wir sind eine Bewegung, die sich mit dem sozialen Aufbau von der Basis her befasst, nicht von der Spitze. Lokale Selbstverwaltungen sind an diesem Punkt sehr wichtig. Neben einem alternativen Kommunalismus sind wir auch zum Aufbau eines Frauenkommunalismus entschlossen. Nisêbîn ist eine der Städte, die dies verwirklicht haben.“

Semire Nergiz beantwortete im Interview unsere Fragen.

Am 31. März 2019 wurden Sie bei den Kommunalwahlen zur Ko-Bürgermeisterin der Stadtverwaltung von Nisêbîn gewählt. Sie haben die Gemeinde von einem Zwangsverwalter übernommen. Was für eine Situation haben Sie bei Ihrem Amtsantritt vorgefunden?

Es gab eine erhebliche Verzögerung, und wir erhielten unsere Zulassungen zur Amtsübernahme erst am 16. April (17 Tage nach den Wahlen). Fünf Tage nach unserem Amtsantritt wurde das Konto der Stadtverwaltung aufgrund von Zwangsvollstreckungen gesperrt. Stellen Sie sich vor, auch in der Zeit vom 31. März bis zum 16. April wurden viele Anschaffungen aus dem Gemeindehaushalt getätigt. Wir begannen sofort mit der Ermittlung und erstellten einen seriösen Bericht. Viele Fahrzeuge, sowohl Baumaschinen als auch Pkw, waren in verschiedenen Städten angemietet worden. Es gab Fahrzeuge, die aus Adana und Kocaeli angemietet wurden. Als wir uns die für die Mieten gezahlten Beträge ansahen, stellten wir fest, dass dabei Beträge verwendet worden waren, die für den Kauf dieser Fahrzeuge ausgereicht hätten. Im April waren die Verträge für all diese Fahrzeuge ausgelaufen. Die Zwangsverwaltung hatte den Haushalt der Gemeinde gezielt abgeräumt, weil sie wusste, dass die Gemeinde nach den Wahlen nicht mehr in ihrer Hand sein würde. Es gab keine öffentliche Ausschreibung der Anmietungen von Fahrzeugen, die Fahrzeuge wurden direkt von ihren eigenen Helfershelfern beschafft ohne dass jemand davon wusste. Auch wurden über den örtlichen Sportverein Gelder in großem Umfang transferiert. Wir haben dies alles aufgedeckt und gemeldet. Es gab einen erheblichen Geldabfluss. Wir schickten diesen Bericht sowohl an den Rechnungshof als auch an das Innenministerium. Wir verlangten die Entsendung eines Inspektors, erhielten aber keine Antwort. Diese Fragen hätten untersucht werden müssen. Wäre man unserer Bitte damals nachgekommen, wäre es vielleicht nicht gleich wieder geschehen. Nachdem erneut ein Zwangsverwalter, diesmal an unserer Stelle, eingesetzt worden war, wurde der Gemeindehaushalt auf ähnliche Weise ausgeplündert.

Einerseits gibt es eine Kommune, deren Bankkonten beschlagnahmt und verschuldet sind, und andererseits erwarten die Menschen Dienstleistungen. Wie haben Sie diese Situation bewältigt?

Als wir unser Amt antraten, regnete es im Frühjahr sehr stark, und die Gullydeckel blieben offen, weil die Arbeiten im TOKI-Gebiet (staatlicher Neubau) nicht korrekt ausgeführt worden waren. Viele Orte waren überflutet. Der Zwangsverwalter hat die Reinigung der Gullydeckel, die in regelmäßigen Abständen erfolgen sollte, im Frühjahr absichtlich nicht durchführen lassen, als ob er noch einen Abschiedsgruß geben wollte. Einer unserer Bürger wandte sich an die Stadtverwaltung und erklärte verärgert: „Wir haben den Verwalter monatelang angeschrieben und ihn aufgefordert, das Loch in unserer Straße zu schließen, aber er hat es nicht getan. Werden Sie es auch nicht tun?“ Wir antworteten: „Doch, wir werden es tun.“ Wir beruhigten ihn und verließen gemeinsam das Rathaus und besuchten den Ort. Ich werde dieses Bild für den Rest meines Lebens nicht mehr vergessen, wir haben es damals auch der Presse gegeben. Es gab ein riesiges Loch in der Can-Straße. Es sah aus wie in einem Katastrophenfilm. Alle Abwässer der Stadt flossen durch, laut rauschend wie ein unterirdischer Wasserfall. Auf dem Weg zur Schule klammern sich die Kinder an den Boden und die Wände, damit sie nicht hineinfallen. Wenn jemand dort hineinfällt, kann man nicht einmal seine Leiche finden. Können Sie den Menschen in einer solchen Situation sagen, dass wir kein Geld haben? Das wissen die Menschen ohnehin schon. Sie wollen sehen, dass man sich um sie kümmert und auf sie Rücksicht nimmt. Wir haben das Loch sofort abgedeckt. Infrastruktur ist ein Bereich, der die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen erfordert. Unsere Anträge an diese Institutionen wurden immer zu spät beantwortet, viele staatliche Institutionen machten uns die Arbeit schwer. Auf der anderen Seite gab es Gläubiger. Einige von ihnen waren wirklich bösartig. Sie haben ihr Geld monatelang nicht abgeholt und darauf gewartet, dass der Zwangsverwalter geht, um uns in Schwierigkeiten zu bringen. Zwangsvollstreckungen und Vollstreckungsverfahren werden eingeleitet. Unsere einzige Unterstützung in diesem Prozess kam aus unserem Volk. Als wir raus gingen, war es unser Volk, das uns mit einem Lächeln empfing, mit Lösungsvorschlägen kam, sich überall dort einbrachte, wo es sich es leisten konnte, und wenn es das nicht konnte, betete es für uns und verfluchte diejenigen, die uns die Arbeit schwer machten.

Sie haben Ihr Amt etwa zweieinhalb Jahre nach der Verhaftung von Sara Kaya und der Einsetzung durch einen Treuhänder angetreten. Vor Sara Kaya war es Ayşe Gökkan. Nisêbîn ist eine Stadt, die hier in Kurdistan ein starkes Modell des Frauenkommunalismus etabliert hat. Was taten die Zwangsverwalter in Bezug darauf?

Das System der Ko-Vorsitzes ist einer der Grundsätze unseres Paradigmas. Es gewährleistet eine gleichberechtigte Vertretung. Wir legen dies seit Jahren allen unseren Institutionen zugrunde. Das gilt auch für unsere Stadtverwaltungen, und sogar eine Ebene darüber hinaus. Wir sind eine Bewegung, die sich mit dem sozialen Aufbau von der Basis her beschäftigt, nicht von oben. Die lokalen Verwaltungen sind an diesem Punkt sehr wichtig. Neben dem alternativen Kommunalismus vertreten wir auch den Frauenkommunalismus. Nisêbîn ist eine der Städte, die dies verwirklicht haben. Ayşe Gökkan und Sara Kaya sind wichtige Namen nicht nur für Nisêbîn, sondern auch für den Frauenkommunalismus. Sie haben Fraueneinrichtungen in der Stadtverwaltung eröffnet und in diesen Einrichtungen Qualitätsarbeit geleistet. Sobald die Zwangsverwalter eingesetzt wurden, gingen sie ausnahmslos zuerst gegen unsere Fraueneinrichtungen vor. Es gab das Gülşilav-Frauenzentrum in Nisêbîn. Es war während der Amtszeit von Ayşe Gökkan eröffnet worden und wurde während der Amtszeit von Sara Kaya ausgebaut. Als wir unser Amt antraten, war das Zentrum leer und das Gebäude wurde kaum genutzt. Wir haben das Gebäude ausgebaut, wir wollten es noch größer machen und viele Projekte darin verwirklichen.

Als wir unser Amt antraten, gab es in der Stadtverwaltung so gut wie keine weiblichen Arbeitskräfte. Eine Gemeinde ohne Frauen ist für unser System nicht akzeptabel. Wir haben uns vorrangig um die Beschäftigung von Frauen bemüht, stießen dabei aber auf rechtliche Hindernisse. Die von uns übermittelten Namen wurden vom Gouverneur im Rahmen von Sicherheitsüberprüfungen abgelehnt. Wir hatten ernsthafte Ziele für den Frauenkommunalismus. Mit den Kursen zur Bildung von Kooperativen und zur Berufsbildung wollten wir erreichen, dass Frauen auf kompetente Weise in die Produktion, die Wirtschaft und alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens einbezogen werden. Wir wollten ein Arbeitsleben jenseits von geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung aufbauen. Leider hatten wir nicht genug Zeit dafür.

Welche Projekte, die während ihrer Amtszeit umgesetzt wurden, machen sie besonders glücklich?

In der Tat haben wir in einem kurzen Zeitraum von sechs Monaten sehr intensiv gearbeitet. Wir mussten dies tun, weil die Zerstörung massiv war. Die Menschen brauchten dringend Hilfe. Es gab ein Volk, das auf Hilfe wartete. Jedes Projekt, das wir verwirklichen konnten, hat uns sehr glücklich gemacht. Die Erfüllung der Bedürfnisse der Menschen war ein Glück an sich. Der Infrastrukturdienst, der eine grundlegende kommunale Aufgabe ist, war am dringlichsten. Mit jedem gelösten Problem erneuert man das Vertrauensverhältnis zu den Menschen. Auch die Arbeit zur Wiederherstellung des Gülşilav-Frauenzentrums war für mich etwas ganz Besonderes. Das Projekt, das mir am besten gefallen hat, war das Schwimmkursprojekt für Frauen und Kinder. Man sagte, Kinder seien in Ordnung, aber die Frauen würden nicht kommen. Ich sagte: „Ich will es versuchen. Warum sollten sie nicht kommen?“ Die Frauen, von denen es hieß, sie würden nicht kommen, kamen, und dann haben wir dem Tag, den wir für die Schwimmkurse für Frauen vorgesehen hatten, einen weiteren hinzugefügt. Hunderte von Frauen lernten schwimmen. Wir waren froh, dass wir ihnen sowohl einen Sport- als auch einen Sozialraum eröffnet hatten, und dass wir etwas bewirken konnten.

Welche Projekte, die Sie vorhatten, blieben wegen der Wiedereinsetzung des Zwangsverwalters unvollendet? Welche waren dabei für Sie von besonderer Bedeutung?

Es gab so viele Dinge, die wir machen wollten. Wir hatten das Ziel, Nisêbîn nach der Zerstörung durch den Zwangsverwalter wieder aufzubauen. Wir hatten eine Fünfjahresplanung. Obwohl wir nur sechs Monate Zeit hatten, versuchten wir, diese Zeit so effizient wie möglich zu nutzen. Wir hatten die vorrangigen Probleme ermittelt und begannen mit der Arbeit. In Nisêbîn gibt es ein ernstes Verkehrsproblem. Die Straßen sind überfüllt mit Fahrzeugen, was zu vielen Unfällen führt. Wir hatten Projekte, um den Verkehr auf einigen Straßen auf eine Fahrtrichtung zu beschränken, einige Plätze für den Verkehr zu sperren und den Verkehr in der Stadt neu zu gestalten. Wir haben diese Arbeit begonnen, unsere Messungen wurden durchgeführt, aber wir konnten sie nicht abschließen, da wieder ein Zwangsverwalter eingesetzt wurde.

Gemeinsam mit unserer Stadtverwaltung versuchten wir, das Projekt eines grünen Bandes zu verwirklichen, an dem alle unsere Gemeinden beteiligt sind. Wir hatten ein großes Projekt, das die Çağ-Schlucht einbeziehen sollte, aber wir konnten es nicht verwirklichen. Wir dachten an einen schönen Raum für ältere Menschen, in dem sie ihre Zeit verbringen könnten, aber er wurde nicht fertiggestellt. Das war einer der Punkte, die mich am meisten verärgert haben, denn wir hatten sogar den Standort festgelegt. Es handelte sich um ein Quartiersprojekt, in dem sie sowohl ihre sozialen Bedürfnisse befriedigen als auch Gesundheitsuntersuchungen durchführen lassen konnten. Dieser Ort würde auch ein Ort sein, der Kinder und Jugendliche mit älteren Menschen zusammenbringt. Er hätte die Kommunikation zwischen den Generationen stärken und zur kulturellen Kontinuität beitragen sollen.

Was ist Ihrer Meinung nach das Hauptziel des Zwangsverwaltungsregimes?

Die Ernennung von Zwangsverwaltern muss auf mehrdimensionale Weise betrachtet werden. Ja, der Wille von Hunderttausenden von Menschen wurde missachtet, aber dahinter steckte eine sehr ernste systemische Angst. Das Regime handelt in dem Bewusstsein, dass das Modell, das wir zu etablieren versuchen, das Weben einer dem bestehenden System direkt entgegengesetzten Alternative, sein Ende bedeuten wird. Die Zwangsverwalter wurden eingesetzt, weil wir versuchten, die Grundlagen für einen mehrsprachigen, multikulturellen, zeitgemäßen Gesellschaftsvertrag zu schaffen, dem sich alle zugehörig fühlen können. Wir haben versucht, ein Verständnis von Kommunalismus zu verwirklichen, bei dem alle die gleichen Leistungen erhalten, bei dem das Budget nach den jeweiligen sozialen Bedürfnissen festgelegt wird und bei dem materielle und immaterielle Mittel bereitgestellt werden. Wir haben die Praxis beendet, die Kommunen zu einem profitorientierten Bereich zu machen. Jede Gemeinde, die das Regime in Kurdistan nicht übernehmen konnte, bedeutete einen Riss in seinem Netzwerk von Profit, Geld und Beziehungen. Das hat das Regime zum Handeln gebracht.

Nisêbîn wurde in zwei verschiedenen Perioden von Zwangsverwaltern regiert. Die längste Periode der Zwangsverwaltung war während Ihrer Amtszeit. Was wollten die Zwangsverwalter in Nisêbîn erreichen und hatten sie Erfolg damit?

Die Zwangsverwalter versuchten das Gleiche, was sie in ganz Kurdistan zu tun versucht haben. Sie haben versucht, unsere Organisierung zu zerstören und ihre eigenen Beziehungsnetzwerke zu schaffen. Im Fall von Nisêbîn haben sie sich besonders auf die Jugend fokussiert. Indem sie die TÜGVA (Jugendstiftung des türkischen Staates) in dieser Stadt verbreiteten, versuchten sie, die Gesellschaft über die Jugend perspektivlos zu machen. Das war ein ausgesprochen ideologischer Schachzug, denn Nisêbîn war immer eine Stadt des Serhildan (Aufstand). Man versuchte, Netzwerke der Abhängigkeit und Korrumpierung vor Ort zu schaffen. Es gibt Fragen, die noch untersucht werden müssen. Abgesehen von dem, was wir festgestellt haben, vermuten wir, dass man auch Netzwerke von Beziehungen aufgebaut hat, die wir noch nicht sehen konnten. Was haben sie erreicht und wie viel? Sie haben ausgehöhlt und untergraben, aber sie hatten keinen Erfolg und werden keinen Erfolg haben. Manche Städte haben eine ganz eigene Identität. Nisêbîn ist ein solcher Ort, ein Ort, der den Titel einer Stadt des Widerstands mit den Opfern, die er erbracht hat, voll und ganz verdient hat. Es ist ein bunter, politischer Ort mit einer klaren Haltung. Daher ist es nicht so leicht, diesen Willen zu brechen und diese Identität bedeutungslos zu machen.

Sie sind auch an der Koordinierung der bevorstehenden Kommunalwahlen beteiligt. Nisêbîn ist eine der Städte, in denen sich sehr viele Kandidierende beworben haben. Wie läuft der Prozess sowohl für die Kandidatinnen und Kandidaten als auch für die Bevölkerung?

Das Bewerbungsverfahren für die Zulassung zur Auswahl ist abgeschlossen. Die hohe Zahl der Bewerbungen sowohl in Mêrdîn als auch in Nisêbîn stimmt zuversichtlich. Wir haben mit Gesprächen mit den Kandidierenden begonnen, und es ist uns wichtig, sie einzeln kennenzulernen. Wie Sie wissen, werden unsere Ko-Bürgermeisterkandidat:innen durch Vorwahlen bestimmt, die im Rahmen einer städtischen Verständigung stattfinden. Unabhängig davon, welcher Kandidat oder welche Kanditatin gewählt wird, ist die Haltung der Bürgerinnen und Bürger klar: Sie sagen, dass jemand von ihnen sie vertreten wird. Das fordern sie schon seit Jahren. Dabei geht es nicht nur darum, wer die Kandidaten sind. Wenden Sie sich an jeden, der auf der Straße vorbeigeht, und fragen Sie ihn, was er von den Kommunalwahlen erwartet. Die Antwort ist eindeutig: Wir wollen den Zwangsverwalter loswerden, wir wollen, dass jemand von uns die Gemeinde leitet. Nach den Kommunalwahlen werden wir gemeinsam erleben, wie die Moral und die Motivation der Menschen wiederbelebt werden, während wir unsere Städte zurückgewinnen.

Nach viereinhalb Jahren Zwangsverwaltung wird Nisêbîn wieder eine Stadtverwaltung haben, die von gewählten Vertreter:innen geführt wird. Was möchten Sie den Ko-Bürgermeister:innen, die Ihren Platz einnehmen werden, sagen? Was für eine Art von Stadtverwaltung, welche Probleme warten auf sie, welche Themen müssen sie vorrangig angehen?

Zunächst einmal werden sie eine sehr ehrenvolle Aufgabe übernehmen. Sie werden den berechtigten Stolz und das Glück erleben, den Menschen zu dienen, indem sie unsere Gemeinde aus den Händen des Zwangsverwalters nehmen. Sie werden eine sehr ernsthafte Unterstützung durch die Bevölkerung erfahren. In den ersten drei Monaten, in denen wir im Amt waren, bekamen wir jeden Tag Besuch aus der Bevölkerung. Sie kamen, um uns zu beglückwünschen, aber jeder Besuch war begleitet von einem Vorschlag und einer Anregung zu einem Bereich, der ihrer Meinung nach fehlt. In gewisser Weise bildeten diese Besuche den Fahrplan. Natürlich gibt es auch die Realität einer Gemeinde, die ausgeplündert wurde und deren gesamte Ressourcen aufgebraucht sind. Viele Organisationen, die bis zu diesem Tag keine Forderungen gegenüber dem Zwangsverwalter geltend machen konnten, werden an ihre Türen klopfen und die Begleichung ihrer Schulden fordern. Manche Menschen werden sie bewusst unter Druck setzen. Zwangsvollstreckungsverfahren werden eingeleitet werden. Sie werden sehen, dass viele Institutionen es vermeiden, mit ihnen zusammenzuarbeiten, auch wenn sie es müssten. Wir haben das alles schon erlebt: Wenn alle Türen verschlossen sind, wenn man mit der Unmöglichkeit konfrontiert wird, dann kommt dazu, alles mit dem eigenen Volk zu überwinden, das einen hoffnungsvoll auf der Straße ansieht. Wir werden bei ihnen sein, um das, was wir gelernt und erlebt haben, mit ihnen zu teilen. Als wir unser Amt antraten, saß Sara, wie Sie wissen, im Gefängnis. Es gab keine Übergabe. Wir werden es tun. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit Ausdauer und Entschlossenheit und mit der Unterstützung des Volkes alle Schwierigkeiten überwinden werden.