Bakirhan: Lasst uns eine demokratische Verfassung schaffen

Der HEDEP-Vorsitzende Tuncer Bakirhan betont angesichts der Nichtanerkennung eines Verfassungsgerichtsurteils durch den von Erdoğan gestützten Kassationsgerichtshof die Notwendigkeit einer unabhängigen und freien Justiz.

Der HEDEP-Vorsitzende Tuncer Bakirhan hat sich auf der Fraktionssitzung seiner Partei in Ankara zu der Nichtanerkennung des Verfassungsgerichtsurteils hinsichtlich der Freilassung des inhaftierten TIP-Abgeordneten Can Atalay durch den Kassationsgerichtshof und den notwendigen Grundlagen einer neuen Verfassung für die Türkei geäußert.

„Wie Sie wissen, hat eine Debatte über den Kassationsgerichtshof und das Verfassungsgericht begonnen. Wir haben es vom ersten Tag an als Putschversuch bezeichnet. Der Oberste Kassationsgerichtshof hat den ersten Schritt des Putschversuchs unternommen. Der eigentliche Putschversuch wurde vom Palast inszeniert. Erdoğan hat den Putschversuch unterstützt, indem er das Oberste Berufungsgericht offen unterstützt hat. Er hat erneut zugegeben, dass er an der Spitze dieses Versuchs stand“, erklärte der Ko-Vorsitzende der HEDEP. Der Hauptakteur dieses Putschversuchs sei jedoch „der Juniorpartner“, die nationalistische Partei MHP. .

„Die Regierung will mit diesem Putschversuch den letzten Nagel in den Sarg des Rechtssystems schlagen. Wir warnen diejenigen, die eine nationale und innerstaatliche Justiz wie in Nazideutschland wollen: die Werktätigen und die Völker der Türkei werden dies niemals zulassen. Die Justiz kann nur unabhängig und frei sein“, betonte Bakirhan und verwies auf die Vorgeschichte: „Wie ist es also zu diesem Stadium gekommen? Die Antwort auf diese Frage ist wichtig. War es nicht dieser Oberste Kassationsgerichtshof, der sich über das Gesetz hinweggesetzt und die Präzedenzentscheidungen des EGMR zum Verbotsverfahren gegen die HDP nicht anerkannt hat? War es nicht der Kassationsgerichtshof, der Oppositionsparteien im Lande mit rechtswidrigen Entscheidungen verurteilte, um sie zum Schweigen zu bringen? Es war dieser Kassationsgerichtshof, der jedes Mal, wenn er ein Urteil fällte, von der Politik belohnt und gefördert wurde. Anstelle des Schwertes der Gerechtigkeit versucht der Kassationsgerichtshof, die Gesellschaft mit der Sense der Regierung zu mähen.“

In diesem Zusammenhang sei es auch notwendig, denjenigen etwas zu sagen, die 2016 für die Aufhebung der Immunität der damaligen HDP-Abgeordneten gestimmt haben, erklärte Tuncer Bakirhan in Anspielung auf die CHP: „Wir haben damals gesagt: Dieses Feuer wird euch alle eines Tages in der einen oder anderen Form verbrennen. Die Kurdinnen und Kurden wurden einem anderen Gesetz unterworfen. Aber das Recht gilt für uns alle. Wir haben damals geglaubt und wir glauben heute, dass wir uns gegen diese Putsche wehren müssen, und wir werden das auch weiterhin sagen. Solange nicht alle Teile der gesellschaftlichen Opposition ihre Stimme erheben, werden die Putschisten und der Putschprozess weitergehen und sie werden ermutigt. Gültan Kışanak, Sebahat Tuncel, Figen Yüksek und Selahattin Demirtaş werden seit sieben Jahren zu Unrecht als Geiseln gehalten. Sie müssten eigentlich freigelassen werden, weil sie schon so lange inhaftiert sind, aber das geschieht nicht. Unsere Kolleginnen und Kollegen sollten freigelassen und das Urteil zu Can Atalay umgesetzt werden. Wir werden unseren Kampf fortsetzen, bis alle Gefangenen frei sind.“

Zur Debatte über eine neue Verfassung der Türkei sagte der HEDEP-Vorsitzende: „Mit welchem Geist werden diejenigen, die einen Putschversuch gegen das Verfassungsgericht unternommen haben, eine neue Verfassung schaffen? Eine neue Verfassung ist nur dann wertvoll, wenn sie auf einer demokratischen Grundlage aufgebaut ist. Deshalb appellieren wir an das Parlament: Lasst uns eine demokratische Verfassung schaffen. Demokratisieren wir das türkische Strafgesetzbuch, schaffen wir das Anti-Terror-Gesetz ab, das uns alle ins Gefängnis bringt, definieren wir das Verhältnis zwischen Zentrum und Kommune neu, beenden wir die Vormundschaft der Justiz, schaffen wir das Gesetz über die innere Sicherheit ab und entledigen wir uns des Polizeiknüppels, treffen wir Vorkehrungen, um der Ernennung von Zwangsverwaltern ein Ende zu setzen, und bereiten wir die Infrastruktur für eine neue Verfassung gemäß dem demokratischen Konsens und den universellen Prinzipien vor, in dem sich alle frei äußern können. Andernfalls sind die Diskussionen über eine neue Verfassung nichts weiter als eine Täuschung.“