Politischer Neuanfang der kurdischen Bewegung
Vom 5. bis 7. Mai fand in den Medya-Verteidigungsgebieten der 12. Kongress der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) statt. Der Kongress mündete in einen historischen Beschluss: die organisatorische Auflösung der PKK in ihrer bisherigen Form und die formelle Beendigung der seit über vier Jahrzehnten andauernden bewaffneten Strategie. In einem persönlichen Beitrag äußerte sich Cemil Bayık, Ko-Vorsitzender des Exekutivrats der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) und Mitbegründer der PKK, zur ideellen Tragweite dieses Schrittes und seiner lebenslangen Verbundenheit mit dem Denken und Wirken Abdullah Öcalans.
Die Begegnung mit Abdullah Öcalan als Wendepunkt
Bayıks Rede stellte eine politische Standortbestimmung dar, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der kurdischen Bewegung miteinander verknüpft. Er begann seine Ausführungen mit einem Rückblick auf seine eigene Politisierung. „Bevor ich Rêber Apo kennenlernte, verstand ich weder Kurdistan, noch das kurdische Volk – nicht einmal mich selbst.“ Erst die persönliche Begegnung mit Öcalan, die durch den PKK-Mitbegründer Kemal Pir zustande kam, sei für ihn zum intellektuellen und emotionalen Wendepunkt geworden. Sie markiere nicht nur den Beginn seines politischen Engagements, sondern auch das Fundament seiner Selbstwahrnehmung, so Bayık.
Die Überzeugungskraft Öcalans habe bei ihm eine bis heute anhaltende Leidenschaft ausgelöst, sagte Bayık: „Er hat in mir eine große Begeisterung entfacht, eine tiefgreifende Erschütterung meines bisherigen Denkens ausgelöst.“ Diese emotionale und ideologische Initialzündung habe sich bei der Gründung der PKK sogar noch verstärkt: „Die moralische Kraft und Begeisterung, die ich beim Gründungsakt der Partei empfand, übertraf sogar die erste Begegnung mit Rêber Apo.“
Politisches Handeln als kontinuierlicher Lernprozess
Bayık verwies auch auf eigene Unzulänglichkeiten und die mitunter schmerzhaften Lernprozesse innerhalb der Bewegung. „Mein Weg entsprach nicht immer dem, was sich Rêber Apo gewünscht hätte“, räumt er ein. „Es gab Fehler, es gab Mängel – aber ich habe nie einen Schritt zurück gemacht.“ Vielmehr habe er stets versucht, seinen politischen und persönlichen Weg so zu gestalten, dass er den Ansprüchen Öcalans gerecht werde.
Diese Form der Selbstkritik steht exemplarisch für das ethisch fundierte Selbstverständnis vieler Führungspersönlichkeiten der kurdischen Freiheitsbewegung, in dem politische Praxis untrennbar mit persönlicher Integrität und kontinuierlicher Selbstüberprüfung verbunden ist.
Die Auflösung der PKK als konsequente Weiterentwicklung
Vor diesem biografischen Hintergrund bewertete Bayık die Entscheidung, die PKK als organisatorische Struktur aufzulösen und den bewaffneten Kampf zu beenden, nicht als Bruch, sondern als organische Fortsetzung einer tief verankerten politischen Entwicklung. „Ich empfinde Begeisterung darüber, dass wir diesen Schritt gegangen sind“, erklärt er. „Denn ich verstehe Rêber Apo sehr gut.“
Die Entscheidung sei Ausdruck einer kontinuierlichen Linie, die sich durch alle bisherigen politischen Interventionen Öcalans ziehe – eine Linie, die, so Bayık, „immer zum Erfolg geführt hat: für uns, für unser Volk, für die Bewegung und für die Menschheit“. In der Bewegung selbst wie auch in der Bevölkerung bestehe deshalb ein tiefes Vertrauen in Öcalan; seine Ideen fänden zudem international zunehmend Beachtung.
Bayık beendete seine Ausführungen mit einem Bekenntnis: „Wenn ich noch einmal geboren würde, würde ich mich wieder an Rêber Apo orientieren.“