Cizîr: Grabbesuch bei Gefallenen des Widerstands für demokratische Autonomie
Die Teilnehmer:innen des Freiheitsmarsches für Abdullah Öcalan in Nordkurdistan besuchten die Gräber der im Kampf für demokratische Autonomie in Cizîr Gefallenen.
Die Teilnehmer:innen des Freiheitsmarsches für Abdullah Öcalan in Nordkurdistan besuchten die Gräber der im Kampf für demokratische Autonomie in Cizîr Gefallenen.
Am Mittwoch erreichte der südliche Zug des Marsches für die Freiheit von Abdullah Öcalan und eine Lösung der kurdischen Frage die nordkurdische Widerstandshochburg Cizîr (tr: Cizre). Dort besuchten die Vertreter:innen der Zivilgesellschaft und von Parteien die Gräber der im Kampf um demokratische Autonomie Gefallenen. 2015 hatten die Menschen in vielen nordkurdischen Städten eine basisdemokratische Selbstverwaltung ausgerufen, worauf der türkische Staat mit militärischer Gewalt reagierte, unzählige Menschen massakrierte, bei lebendigem Leib in Kellern verbrannte oder auf offener Straße erschoss. Die türkische Artillerie machte ganze Stadtteile von Cizîr dem Erdboden gleich.
Die Politiker:innen und Aktivist:innen des Freiheitsmarsches zogen in einem Demonstrationszug zusammen mit der Bevölkerung der Stadt vom Asri-Friedhof zum Yafes-Friedhof. Die Menschen riefen immer wieder laut: „Die Gefallenen sind unsterblich!“ Die Friedensmütter wurden mit der Parole laut: „Dies ist der Ort der Heldinnen und Helden“.
Auf dem Asri-Friedhof besuchten die Teilnehmer:innen die Gräber des von der türkischen Armee erschossenen zehnjährigen Mädchens Cemile Çağırga und das des wegweisenden DTP-Politikers Orhan Doğan und legten Blumen an den Gräbern nieder. Cemile Çağırga war beim Spielen am dritten Tag der Ausgangssperre im Garten ihrer Wohnung von einem türkischen Panzer aus erschossen worden. Die Eltern konnten das Kind nicht zur Autopsie ins Krankenhaus bringen, da sie beim Verlassen des Hauses ebenfalls zur Zielscheibe wurden. So mussten sie den Leichnam ihrer Tochter elf Tage lang in einer Gefriertruhe aufbewahren.
„Es gibt keine Freiheit und Demokratie für das kurdische Volk“
Der Abgeordnete der DEM-Partei, Cengiz Çandar, hielt vor Ort eine Rede. Er sagte: „Wo sind wir gerade? Wir sind in der Türkei. In welcher Region befinden wir uns? Wir befinden uns in Kurdistan. Wir befinden uns in Botan in Kurdistan. Wir sind in Cizîr, dem Zentrum von Botan. Einige von uns tragen Westen, auf denen ‚Meşa Azadiyê‘ steht, was Freiheitsmarsch bedeutet. Warum steht da ‚Meşa Azadiyê‘? Es gibt keine Freiheit und Demokratie für das kurdische Volk. Es gibt keinen Frieden in der Türkei. Deshalb heißt der Marsch auch ‚Freiheitsmarsch‘, um die Isolation von Abdullah Öcalan auf Imralı zu durchbrechen. Seit drei Jahren hat man nichts mehr von Abdullah Öcalan gehört. Niemand weiß, was er tut, was er denkt. Warum ist es wichtig, zu hören, was er sagt? Warum ist es wichtig, dass er spricht? Als seine Stimme zu hören war, gab es Hoffnung auf Frieden in der Türkei, es gab Hoffnung auf eine Lösung der kurdischen Frage. Wenn Abdullah Öcalans Stimme verstummt, bedeutet das, dass sich der Himmel verfinstert und dunkle Wolken über der Hoffnung in der Türkei liegen.“
„Ohne Öcalan gibt es keinen Frieden, keine Freiheit und keine Demokratie“
Çandar fuhr fort: „Es gab Hoffnung auf Demokratie, denn es kann ohne das kurdische Volk keine Demokratie geben. Wer hat diese Hoffnung getrübt? Sie wurde nicht getrübt, weil man mit Abdullah Öcalan gesprochen hat. Im Gegenteil, sie wurde zunichte gemacht, als man nicht mehr mit Abdullah Öcalan sprach. Dunkle Wolken zogen über dem Frieden auf. Jetzt müssen wir feststellen, dass es keinen Frieden gibt. Der Staat tut nichts in dieser Hinsicht. Und wenn so viele Polizisten im Zentrum von Botan aufmarschieren, dann bedeutet das auch, dass es in Cizîr keine Freiheit gibt. Es bedeutet, dass es ein Problem in Kurdistan gibt. Es bedeutet, dass es ein Problem in der Türkei gibt. Als Abdullah Öcalan sprach, waren die Hoffnungen groß. Als Öcalan aufhörte zu sprechen, bedeutet das, dass wir in einem problembehafteten Land zu leben begannen. Deshalb ist ein Marsch für Freiheit gleichbedeutend mit dem Kampf um die Aufhebung der Isolation von Abdullah Öcalan.“
„Ein unbeugsamer kurdischer Abgeordneter“
Çandar erinnerte auch an den kurdischen Politiker Orhan Doğan, der 2007 nach einer Veranstaltung an Herzversagen starb: „Sie haben versucht, Orhan Doğan mit gesenktem Kopf in das Polizeifahrzeug zu zwingen, aber sie konnten seinen Kopf nie beugen. Wenn wir hier mit seiner Tochter Ayşegül Doğan vor seinem Grab stehen, wenn wir eine Weste mit der Aufschrift ‚Freiheitsmarsch‘ tragen, wenn wir für die Aufhebung der Isolation eintreten, wenn wir für den Frieden marschieren, dann sagen wir auch zu Orhan: ‚Du hast deinen Status als Symbol der Demokratie in der Türkei nie verloren. Du warst das Symbol für die Geschwisterlichkeit von Kurden und Türken in der Türkei. Du warst das Symbol der Friedenshoffnungen in der Türkei. Du warst der kurdische Abgeordnete, der sein Haupt nicht beugen wollte. Und heute, in deiner Gegenwart, wird der Freiheitsmarsch weitergehen. Wir werden diesen Kampf in deinem Sinne fortsetzen. Wir versprechen, dass dieser Marsch weitergehen wird, bis wir das Ziel des Friedens und der Freiheit erreicht haben.“