Vor einem türkischen Gericht in der nordkurdischen Provinz Wan (Van) wurde am Montag der Prozess gegen die Ko-Bürgermeister*innen des Bezirks Rêya Armûşê (Ipekyolu), Şehsade Kurt und Azim Yacan, eröffnet. Die Politiker*innen waren Anfang November abgesetzt und anschließend wegen Terrorvorwürfen verhaftet worden. An ihrer Stelle wurde der Landrat vom türkischen Innenministerium zum Zwangsverwalter des bis zu dem Zeitpunkt von der Demokratischen Partei der Völker (HDP) geführten Rathauses ernannt.
In der hanebüchene Anklageschrift gegen Kurt und Yacan werden den Politiker*innen „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung”, „Terrorpropaganda” und mehrere „Verstöße gegen das Versammlungsgesetz“ vorgeworfen. Die Anschuldigungen gehen unter anderem auf die Aussagen eines vermeintlichen „anonymen Zeugen“ zurück. Im Kern beschäftigt sich die Anklageschrift jedoch mit den politischen Aktivitäten der Bezirksbürgermeister*innen. So wird die Versorgung von Geflüchteten aus dem Iran mit Decken und Nahrungsmitteln als „Terrorunterstützung“ ausgelegt. Außerdem sollen sich Kurt und Yacan auf Anordnung der PKK zur Wahl aufgestellt haben.
Beide Politiker*innen wiesen die Anschuldigungen gegen sie zurück. Das Gericht ordnete die Fortsetzung der Untersuchungshaft an und vertagte die Verhandlung. Der Prozess vor der 7. Großen Strafkammer wird am 6. Mai fortgesetzt.
38 Bürgermeister*innen inzwischen abgesetzt
Seit dem politischen Putsch gegen HDP-geführte Kommunen in kurdischen Städten sind bereits 38 Ko-Bürgermeister*innen ihres Amtes enthoben worden. Gegen 27 von ihnen erging Haftbefehl, 25 Bürgermeister*innen sitzen im Gefängnis. In sechs Kommunen konnten die im vergangenen März gewählten Bürgermeister*innen ihr Amt gar nicht erst antreten, weil der Wahlausschuss ihnen die Anerkennung verweigerte. An ihrer Stelle wurden die unterlegenen AKP-Kandidaten ins Amt gehievt.