Prozess gegen Oberbürgermeister von Amed

In Amed hat unter hohen Sicherheitsvorkehrungen der zweite Verhandlungstag im Prozess gegen den abgesetzten Oberbürgermeister Adnan Selçuk Mızraklı stattgefunden. Der beliebte Arzt bleibt weiter im Gefängnis.

In Amed (Diyarbakir) hat unter hohen Sicherheitsvorkehrungen der zweite Verhandlungstag gegen den verhafteten Oberbürgermeister Adnan Selçuk Mızraklı stattgefunden. Mızraklı, der bis zu seiner Wahl im März 2019 als Arzt arbeitete, war am 19. August vom türkischen Innenministerium abgesetzt und im Oktober verhaftet worden. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor und stützt ihre Anklage auf die Aussagen der Kronzeugin Hicran Berna Ayverdi, die vom türkischen Reuegesetz profitiert und inzwischen aus der Haft entlassen worden ist.

Mızraklı, dem bis zu 15 Jahre Freiheitsstrafe drohen, konnte an seiner eigenen Verhandlung nur per Videoschaltung aus dem Gefängnis teilnehmen. Er wurde im Gerichtssaal von den Anwält*innen Zülal Erdoğan, Mehmet Emin Aktar, Cihan Aydın und Muhsin Bilal vertreten.

Die Verhandlung wurde von zahlreichen HDP-Politiker*innen sowie Vertreter*innen aus dem In- und Ausland beobachtet. Unter anderem waren Paul Amann von der deutschen Botschaft, Rebecca Daffing vom US-Konsulat in Adana, Mitglieder einer EU-Delegation sowie Vertreter*innen von Human Rights Watch (HRW) und der türkischen Ärztekammer zum Prozess angereist.

Die Verteidigung machte vor Gericht geltend, dass die Anklage auf „hergestellten Beweisen“ basiert. Der Angeklagte selbst erklärte: „Ich habe begriffen, dass ich mit einer vorab getroffenen Entscheidung konfrontiert bin, als ich mir die Ermittlungsakte angesehen haben.“ Er werde künftig nicht mehr per Videoschaltung an der Verhandlung teilnehmen, diese Praxis sei rechtswidrig. In der Türkei seien das aktive und passive Wahlrecht abgeschafft worden.

Die Verhandlung wurde auf den 9. März vertagt. Die Prozessbeobachter wurden im Anschluss von der Polizei daran gehindert, eine Erklärung vor dem Gerichtsgebäude abzugeben. Als Begründung wurde eine Verbotsentscheidung des Gouverneursamtes herangezogen.