Stellungnahme der Staatsanwaltschaft zu Vorwürfen gegen Mızraklı

Anderthalb Wochen vor dem zweiten Verhandlungstag im Prozess gegen den abgesetzten und inhaftierten Oberbürgermeister von Amed liegt die hanebüchene Stellungnahme der Staatsanwaltschaft vor. Die HDP wertet den Prozess als ein politisches Komplott.

Am 10. Februar wird der Prozess gegen den Oberbürgermeister von Amed (Diyarbakir), Adnan Selçuk Mızraklı, fortgesetzt. Im Vorfeld hat die Staatsanwaltschaft ihre hanebüchene Stellungnahme zur abenteuerlichen Anklageschrift, in der mit absurden Beweismitteln bis zu 15 Jahre Freiheitsstrafe für Mızraklı gefordert werden, vorgelegt. Mızraklıs Partei HDP (Demokratische Partei der Völker) erklärte am Freitag, das Verfahren gegen den Politiker erscheine nachgerade als juristisch-politische Farce und bezeichnete es als ein Komplott, mit dem die Zwangsverwaltung in kurdischen Kommunen legitimiert werden soll. Gleiches gelte auch für die Verfahren der anderen 24 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der HDP, die im letzten Jahr verhaftet wurden.

Mızraklı, der bis zu seiner Wahl zum Ko-Oberbürgermeister der kurdischen Metropole Amed im März 2019 als Arzt arbeitete, war am 19. August vom türkischen Innenministerium abgesetzt und im Oktober verhaftet worden. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm unter anderem Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor und stützt ihre Anklage auf die fragwürdigen Aussagen der Kronzeugin Hicran Berna Ayverdi, die vom türkischen Reuegesetz profitieren will und auf Strafminderung hofft.

Mızraklıs wahre Absicht: Der gesellschaftliche Zerfall

So führt die Anklage auf, dass es sich beim legalen zivilgesellschaftlichen Zusammenschluss DTK (Demokratischer Gesellschaftskongress) um eine Komponente der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) handele, die mit Aktivitäten wie dem Aufbau einer innerkurdischen Einheit die „staatsterritoriale Integrität der Türkei“ zerstören wolle. Mızraklı, der ja schließlich Mitglied der DTK-Hauptversammlung, des Ständigen Rats und den Kommissionen der Organisation sei, habe nur den Anschein erweckt, legalen politischen Tätigkeiten nachzugehen. In Wahrheit habe er im Namen des DTK Volksversammlungen und andere Veranstaltungen organisiert, um den „gesellschaftlichen Zerfall“ in der Türkei herbeizuführen. Aufgrund der Häufigkeit und Vielfältigkeit dieser Aktivitäten seien die Straftaten als konstant zu bewerten. Der Angeklagte sei in die „Organisationshierarchie“ eingebunden, weil er auf Weisung der Organisation vorgehe, so die Staatsanwaltschaft. Die Behörde fordert außerdem ein politisches Betätigungsverbot für Mızraklı.

DTK Teil der Diskussionen für neue Verfassung

Die HDP weist in ihrer Erklärung darauf hin, dass der DTK als NGO bereits in Diskussionen für die Ausarbeitung einer neuen Verfassung mit einbezogen wurde und auch in anderen Belangen von der Regierung in die türkische Nationalversammlung eingeladen wurde. Außerdem verstoße es gegen geltendes Recht, Personen aufgrund ihrer Mitgliedschaft bei anerkannten und legalen Vereinen zu bestrafen.

25 Bürgermeister*innen verhaftet

Im vergangenen Jahr sind 25 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der HDP verhaftet worden. In 38 Rathäusern in Nordkurdistan sind vom türkischen Innenministerium Zwangsverwalter eingesetzt worden. Die HDP hatte die Kommunalwahlen in 65 Städten und Kommunen gewonnen.