Bericht: Menschenrechtslage in Rojhilat bleibt dramatisch

Das iranische Mullah-Regime fährt weiterhin einen harten Kurs gegen den kurdischen Teil der Bevölkerung. Die Verwirklichung der Menschenrechte in Rojhilat ist und bleibt eine schwierige Herausforderung.

Das Regime Irans fährt weiterhin einen harten Kurs gegen den kurdischen Teil der Bevölkerung. Damit bleibt das Alltagsleben in Rojhilat geprägt von Menschenrechtsverletzungen wie willkürlichen Verhaftungen, Hinrichtungen, extralegalen Tötungen und Verfolgung. Einem besonderen Risiko sind Unterstützende der „Jin, Jiyan, Azadî“-Revolte und Engagierte der Zivilgesellschaft, vor allem in den Bereichen Menschenrechte und Umwelt, ausgesetzt.

Wie aus einem aktuellen Bericht des Kurdistan Human Rights Network (KHRN) über die Menschenrechtslage in Rojhilat hervorgeht, wurden allein im Juni mindestens 37 Personen von Truppen des iranischen Regimes verhaftet. Fünf davon sollen Aktivist:innen sein, auch wurde ein 16-jähriger Minderjähriger festgenommen. Was den Personen konkret vorgeworfen wird, ist nicht bekannt. Auch ist nur in drei Fällen der Aufenthaltsort klar. Sie befinden sich in Vollzugseinrichtungen in den Städten Bokan und Nexede.

Haftstrafen gegen zehn Personen

Darüber hinaus sind im Juni mindestens zehn Personen in Rojhilat zu Freiheitsstrafen zwischen sechs Monaten und 15 Jahren verurteilt worden. Darunter befinden sich auch die beiden kurdisch-sunnitischen Geistlichen Loghman Amini und Ebrahim Karimi Nanaleh, gegen die das Klerikalgericht in der Provinz Hamadan vor zweieinhalb Wochen Gefängnisstrafen von elf beziehungsweise zwölf Jahren verhängt hatte. Das Strafmaß ergibt sich aus den Tatvorwürfen „Propaganda gegen den Staat“, „Anstiftung zum Aufruhr“ und dem angeblichen Besitz einer Waffe und steht im Zusammenhang mit der „Jin, Jiyan, Azadî“-Revolution, die Rojhilat und Iran seit dem gewaltsamen Tod von Jina Mahsa Amini im vergangenen September erschüttert.

Die beiden Imame aus Sine hatten die Tötung der Kurdin in iranischer Sittenhaft sowie das brutale Vorgehen des Regimes gegen Demonstrierende immer wieder verurteilt und in ihren Predigten zur Unterstützung für den Volksaufstand aufgerufen. Ende Januar waren sie deshalb von der iranischen Revolutionsgarde verschleppt und an einem unbekannten Ort inhaftiert worden, bis sie nach rund vier Wochen gegen Kaution vorübergehend auf freien Fuß gesetzt wurden. Zusätzlich zur Haft erhielten sie auch die Strafe der Verbannung. Nach ihrer Entlassung müssen Amini und Nanaleh für jeweils zwei Jahre nach Ardabil beziehungsweise Buschehr ins Exil. Zudem ist ihnen die Predigterlaubnis dauerhaft entzogen worden.

Auch der bekannte kurdische Schwimmer und Ingenieur Parham Parwari wurde zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt. Wegen „Kriegführung gegen Gott“ im Zusammenhang mit seiner Teilnahme an einer Demonstration im Oktober in Teheran soll der 25-Jährige die nächsten 15 Jahre im Gefängnis verbringen – zehn davon in Hormozgan am Persischen Golf, rund 2.000 Kilometer von seinem Heimatort Seqiz entfernt. Aus der Stadt stammte auch die 22-jährige Jina Mahsa Amini.

Mindestens sieben Hinrichtungen

Die Zahl der im Vormonat in Ostkurdistan beziehungsweise an kurdischen Gefangenen vollzogenen Hinrichtungen gibt das KHRN in seinem Bericht mit sieben an. Die Exekutionen fanden den Recherchen zufolge in Ûrmiye, Sine, Îlam, Karadsch und Schiraz statt. Zwei der Todesurteilte wurden laut der Organisation mit dem Vorwurf „Mord“ begründet, fünf weitere wegen angeblicher Drogendelikte. Das Menschenrechtsnetzwerk geht jedoch davon aus, dass es eine hohe Dunkelziffer gibt und die erfassten Exekutionen daher nicht unbedingt ein vollständiges Bild der Situation vermitteln. Ein weiterer Todesfall hinter Gittern ereignete sich im Zuge eines Streits zwischen Gefangenen. Erfan Babrizadeh, ein 26-jähriger Häftling, der eine vierjährige Haftstrafe im Zentralgefängnis Ûrmiye verbüßte, wurde von einem Mitgefangenen erstochen.

Menschenrechtsverletzungen an Kolbern

Die Lage von Lastenträgern und Grenzhändlern (Kolber bzw. Kolbar und Kesibkar) in Ostkurdistan bleibt ebenfalls dramatisch. Wie dem Bericht zu entnehmen ist, sind im zurückliegenden Monat mindestens zwei Kolber beim Transport von Waren im Grenzgebiet von iranischen Truppen erschossen worden, neun weitere wurden verletzt. Einer von ihnen sei bei der Flucht vor Soldaten einen Abhang hinuntergestürzt, die anderen acht erlitten Schussverletzungen.

Tödliche Arbeitsunfälle

Außerdem wurden im vergangenen Monat mindestens zwei Menschen in Dîwandere und Ûrmiye durch sogenannte „Arbeitsmorde“ getötet. In einem Fall handelt es sich um ein ausgebeutetes Kind im Alter von zehn Jahren.

Zwei Femizide

Auch Femizide erfasste das KHRN in Rojhilat. Rozhin Azimi, eine 18 Jahre alte junge Frau aus Dîwandere, wurde am 3. Juni von ihrem Bruder mit einem Hammer erschlagen. Eine 38-Jährige, deren Identität nicht ermittelt werden konnte, wurde am selben Tag auf ähnliche Weise und ebenfalls von einem männlichen Familienmitglied ermordet. Die Frau aus Îlam wurde von ihrem Vater mit einem Ziegelstein erschlagen.

Offensive in Kosalan

In Merîwan und Serwawa leben die Menschen seit knapp drei Wochen in Unsicherheit und Angst vor Bombardierungen. Die am 12. Juni gestartete Großoffensive der iranischen Revolutionsgarde am Kosalan-Massiv dauert an, es finden täglich flächendeckende Luft- und Bodenangriffe statt. Schwere Waldbrände, die durch die Bombardierungen ausgelöst worden sind, haben bereits weite Teile des Naturschutzgebietes vernichtet. Zu weiterer Zerstörung der Umwelt rund um das Gebirge führte nach Angaben des KHRN der Bau eines neuen Militärstützpunkts. Die Menschenrechtsgruppe beobachtete zudem, dass die Revolutionsgarde weitere Truppenkontingente in Şino (Oshnavieh), Pîranşar und Bane stationiert hat. Darüber hinaus soll es mehrfach zu schweren Bombardements auf das nördliche Umland von Makû gekommen sein. Das Ziel dieser Angriffe sei die Grenzregion zu Nordkurdistan und damit zum türkischen Staatsgebiet gewesen.

Zutrittsverbot für Bevölkerung

Seit Beginn der Großoffensive auf Kosalan ist in der Region zudem ein Zutrittsverbot in Kraft. Die Maßnahme stellt einen besonders schweren Schlag für die ortsansässige Bevölkerung und die regionale Dorfwirtschaft dar. Tierherden dürfen nicht auf Weideflächen im Gebirge getrieben werden, Anbaugebiete können nicht bewässert oder bearbeitet werden. Auch die Imker stehen vor einem großen Problem. Viele ihrer Bienenvölker verbrannten bereits, weil die Bienenstöcke in einem Wald standen, der bombardiert wurde. Die kurdische Guerilla, aber auch Umweltschutzverbände in Rojhilat, sprechen von gezielten Vertreibungs- und Gewaltaktionen des iranischen Regimes mit dem Ziel, die Bergdörfer in der Region zu entvölkern.


*Rojhilat: Kurdisch für „Osten“. Der Begriff umfasst alle überwiegend kurdisch besiedelten Gebiete im westlichen und nordwestlichen Teil des iranischen Staatsgebiets und geht über die offizielle Provinz „Kordestan“ hinaus.