Zum „Schutz“ der öffentlichen Sicherheit: Kurdisches Konzert verboten

Nachdem schon 2021 „Sicherheitsbedenken“ für ein Verbot herangezogen wurden, ist auch in diesem Jahr ein Jubiläumskonzert des Kulturzentrums NÇM von türkischen Behörden untersagt worden – zum Schutz der öffentlichen Ordnung.

Um einer „Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ entgegenzutreten, hat die Kreisverwaltung der Istanbuler Stadtgemeinde Küçükçekmece ein für diesen Samstagabend geplantes Konzert des kurdischen Kulturzentrums Mesopotamien (Navenda Çanda Mezopotamya, NÇM) verboten. Als Grund macht die Behörde in ihrer Verbotsverfügung „ernsthafte Bedenken“ gegenüber dem Vorhaben geltend. Das Konzert könne „Raum für Straftaten“ öffnen, da man davon ausgehe, dass es von „Propaganda für eine terroristische Organisation“ und „provokativen Aktionen“ begleitet werde. Um dies möglichst abzuwehren und das Risiko auszuschließen, dass „Frieden, Sicherheit und Wohlergehen in unserem Bezirk beeinträchtigt werden“ sowie „Verbrechen verhindert“ und „die Rechte und Freiheiten unserer Bürger“ geschützt werden, müsse das Konzert untersagt werden.

Das Vorgehen der Kreisverwaltung sorgte beim Vorstand des NÇM für Kritik. „Sie ertragen kein Kurdisch und widmen die Muttersprache eines Volkes von 40 Millionen in ihrem rassistischen Wahn in eine Sicherheitsgefahr um“, heißt es in einer Stellungnahme der Organisation. Seit Monaten liefen die Vorbereitungen für das Konzert – anlässlich des 31. Gründungsjubiläums des NÇM. Stattfinden sollte es im ausverkauften Performing Arts Center YKB unter dem Leitspruch „Em ê Bêjin!“, zu Deutsch in etwa: „Wir werden singen“. Der Titel war mit Blick auf vergangene Verbote von kurdischen Kulturveranstaltungen, darunter auch das NÇM-Jubiläumskonzert in 2021, als Kampfansage formuliert worden. Das scheint auch die Verwaltungsbehörde, die für heute kurzerhand alle Veranstaltungen im öffentlichen und geschlossenen Raum im gesamten Bezirk verboten hat, so aufgefasst zu haben.

Das NÇM zeigte sich unbeeindruckt von der Verfügung und gab bekannt, das Jubiläumskonzert trotz Verbots durchführen zu wollen. „Wir lassen uns von den Unterdrückern nicht abschrecken“, erklärte der Vorstand des Kulturzentrums im Rahmen einer öffentlichen Presseerklärung vor dem Performing Arts Center in Küçükçekmece. Auf dem Programm stehen sowohl regional bekannte Musiker und Bands, aber auch internationale Größen: Şahiya Stranan, Erdoğan Emir, Mehmet Atlı und das Ensemble Rastak aus Iran. Statt im YBK solle das Gründungsjubiläum in den Räumlichkeiten des Kreisverbands der Demokratischen Partei der Völker (HDP) gefeiert werden, hieß es. Vor Ort waren auch einige Dutzend Mitglieder des NÇM, die sich aus Protest gegen das Veranstaltungsverbot vor dem Gebäude eingefunden hatten.

Der HDP-Abgeordnete Musa Piroğlu wird am Rande einer Presseerklärung anlässlich des Konzertverbots von der Polizei eingekesselt. In seiner Rechten trägt er die Tembûr (Saz) eines Musikers des NÇM. | Foto: HDP Istanbul


Ein Großaufgebot der Polizei versuchte, den Protest zu unterbinden und löste die Zusammenkunft gewaltsam auf. Mindestens 25 Festnahmen wurden durchgeführt, die Künstler:innen befinden sich inzwischen in dem als Folterzentrum berüchtigten Polizeipräsidium Vatan im Bezirk Fatih. „Die Feindseligkeit der Regierung gegenüber Kurdinnen und Kurden, ihrer Sprache und ihrer Kultur ist allgegenwärtig. Selbst eine Presseerklärung ertragen diese Herrschenden nicht. Doch sei gesagt: Sie können wohl Verbote aussprechen, aber weder unsere Stimme können sie unterdrücken, noch wird es ihnen gelingen, unsere Tänze zu stoppen“, sagte der HDP-Abgeordnete Musa Piroğlu, der seit einem Arbeitsunfall auf einer Baustelle auf einen Rollstuhl angewiesen ist, als einziger Verbliebener in einem Polizeikessel. Den Festgenommen droht indes eine Anzeige wegen Verstoß gegen das türkische Versammlungsgesetz.