Ein für diesen Samstagabend geplantes Konzert des Istanbuler Kulturzentrums Mesopotamien (Navenda Çanda Mezopotamya, NÇM) zum 30. Gründungsjubiläum ist vom Landratsamt des Bezirks Kadıköy kurzfristig verboten worden. Zur Begründung machte die Behörde geltend, dass die nationale Sicherheit und die öffentliche Ordnung bei Durchführung der Veranstaltung unmittelbar gefährdet wären. Das hätte eine von ihr angestellte Gefahrenprognose ergeben. Zudem bestünden Bedenken, dass das Konzert die Rechte und Freiheiten anderer gefährden würde und Raum für Straftaten eröffne.
Der Vorstand des NÇM ist empört. „Mit unserer Sprache und Kultur bilden wir eine wichtige Komponente dieser Gesellschaft und tragen maßgeblich zu ihrer Einheit bei. Die wirkliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung geht von der Mentalität jener aus, die dieses Konzert als Bedrohung betrachtet“, heißt es in einer Stellungnahme. Ob die Entscheidung per Eilantrag noch angefochten werden kann, ist unklar. Im Gegensatz zum kommunalen Landrat hatte das Gouverneursamt von Istanbul die Veranstaltung erlaubt.
Seit Monaten bereiteten sich die Künstlerinnen und Künstler des NÇM bereits auf das Jubiläumskonzert zum dreißigjährigen Bestehen vor. Als Titel wurde „Berbang“ ausgewählt, was auf Deutsch die Morgenröte bedeutet. Auftreten sollten zahlreiche Musiker:innen und Bands, darunter Mikail Aslan, Koma Ma und Xêro Abbas. Allein die letzten zwei Monate der Vorbereitungsphase verschlangen nahezu die gesamte Energie der Mitglieder des Kulturzentrums und erhebliche finanzielle Mittel. Vermutlich bleibt das NÇM auf den Kosten sitzen. Es wäre nicht das erste Mal, dass zuvor abgesegnete Veranstaltungen kurzfristig verboten werden. Die Methode gehört zur Zermürbungstaktik der türkischen Behörden.
Die Geschichte des NÇM
Das Kulturzentrum Mesopotamien, dessen türkische Name Mezopotamya Kültür Merkezi lautet, wurde 1991 in Istanbul gegründet. Bekanntester Mitbegründer war der kurdische Schriftsteller Musa Anter, der 1992 vom türkischen Staat ermordet wurde. Das Kulturzentrum leistete in den Bereichen Musik, Theater, Tanz, Film und Literatur wertvolle Beiträge gegen die Assimilierung und Ignoranz, der die kurdische Kultur insbesondere in der Türkei ausgesetzt ist. Nach Istanbul wurden Zweigstellen in mehreren kurdischen Städten gegründet, die inzwischen alle durch das Erdoğan-Regime wieder geschlossen worden sind.