VA in Wien: „Partisan Cultures: Weapons of Mass Creation”

Mit dem Seminar „Partisan Cultures: Weapons of Mass Creation“ will die Kunsthalle Wien die kreativen und transformativen Dimensionen der Partisanenkämpfe des 20. Jahrhunderts in den Blick nehmen. Unter den Referierenden ist auch die Soziologin Dilar Dirik

In Zusammenarbeit mit dem Wiener Volkstheater veranstaltet die Kunsthalle Wien diese Woche ein zweitägiges Seminar mit dem Titel „Partisan Cultures: Weapons of Mass Creation“. In den Blick genommen werden verschiedene inspirierende Erfahrungen politischer, künstlerischer und pädagogischer Natur aus den Partisan*innenkämpfen des langen 20. Jahrhunderts. „Wir schlagen dabei vor, den traditionellen Betrachtungsbereich der Forschung zu Partisan*innenbewegungen über die antifaschistischen und nationalen Befreiungskämpfe des Zweiten Weltkriegs hinaus zu erweitern und diese Bewegungen als Strukturmodelle einer radikalen kulturellen und politischen Produktion zu begreifen, deren antikolonialer und internationalistischer Geist das ganze 20. Jahrhundert hindurch wirksam war und sich bis in die heutigen Kämpfe verfolgen lässt“, heißt es in der Ankündigung.

Die Veranstaltung findet diesen Freitag und Samstag (1. und 2. Oktober) statt und ist konzipiert von der Spanierin Paula Barreiro López, Professorin für Zeitgenössische Kunst an der Université Grenoble Alpes, und dem slowenischen Geisteswissenschaftler Gal Kirn in Zusammenarbeit mit der tunesischen Künstlerin Aziza Harmel, die Teil des kuratorischen Teams der Kunsthalle Wien ist. Neben der historischen Analyse soll das Seminar eine kritische Neuinterpretation und Anwendung der Begriffe „Partisan*in“ und „Partisan*innentum“ sowohl im Feld der zeitgenössischen Kunst als auch in der politischen Praxis – angesichts des weltweiten Aufschwungs rechtsautoritärer Bewegungen – anregen. Anhand von Vorträgen, Filmen und einem Konzert begegnen die Teilnehmenden der „gegenwärtigen politischen Melancholie mit radikaler utopischer Vorstellungskraft“.

Unter den Referent:innen befindet sich auch die Soziologin Dilar Dirik, langjährige Aktivistin der kurdischen Frauenbewegung und Forscherin der Jineolojî (Wissenschaft der Frauen). Das Seminar findet in der Roten Bar des Volkstheaters statt, der Eintritt ist frei – es wird jedoch um Anmeldung unter [email protected] gebeten. Die Veranstaltungen werden in englischer Sprache durchgeführt, einige der Beitragenden werden online zugeschaltet sein. Das gesamte Programm sieht wie folgt aus:

Freitag, 1. Oktober, 15 bis 20 Uhr

15.00–15.30 Uhr: Einführung

15.30–18.00 Uhr: Panel 1 | Partisan and Anticolonial Struggles of Yesterday and Today: Return to/of Partisan Figures?

Mit: Angela Dimitrakaki (online), Dilar Dirik (online), Gal Kirn, Anne Garland Mahler (online)

Dieses Panel erweitert die Definition von „Partisan*innenkämpfen“ von der historischen Verortung im Zweiten Weltkrieg – wo der Begriff sich spezifisch auf antifaschistische und nationale Befreiungskämpfe bezieht – hin zu einem umfassenderen Verständnis politischen und kulturellen Partisan*innentums. Statt einer bipolaren Geschichte mit dem Topos des Kalten Kriegs als Angelpunkt wollen wir die Geschichte des 20. Jahrhunderts, vor allem seiner zweiten Hälfte, anhand ihrer Brüche lesen und folgen darin dem Philosophen Walter Benjamin, der das Kontinuum der Geschichte und ihrer großen Gestalten aufzusprengen suchte. Der so entworfene Begriff des Partisan*innentums umfasst vielfältige Kämpfe, die zunächst negativ, als Kämpfe gegen Faschismus, Kolonialismus und Imperialismus (und manchmal auch Kapitalismus) definiert wurden, und ergänzt dieses Verständnis um die entscheidenden kreativen, transformativen und produktiven Dimensionen solcher Auseinandersetzungen.

18.30–19.30 Uhr: Abendvortrag (online) | The Global Left Does Not Exist

Gastredner: Vijay Prashad

Die Welt ist durch eine internationale Arbeitsteilung und große Unterschiede in Bezug auf Wohlstand und Technologie zerrissen, die durch die Geschichte des Kolonialismus verursacht und verstärkt wurden. Angesichts der immensen Kluft zwischen den verschiedenen Teilen der Welt ist das Wachstum des Internationalismus zutiefst beunruhigt. Ist eine „globale Linke“ unter diesen Bedingungen überhaupt möglich?

Samstag, 2. Oktober, 11 bis 22 Uhr

11.00–13.30 Uhr: Panel 2 | Potent Ways of Averting Political Melancholy

Mit: Jihan El-Tahri, Aziza Harmel, Kirill Medvedev, Kwasi Ohene-Ayeh (online)

Dieses Panel richtet das Augenmerk auf die Hybridität des Partisan*innentums und analysiert die – noch nicht abgeschlossene – Verwandlung der Figur der Freiheitskämpferin, die bestehende Handlungs- und Denkweisen umstößt. Ihr Wagemut, ihre Bereitschaft und Begeisterung sind für entschlossenes und radikales Handeln unverzichtbar. Die Vortragenden werden mit Blick auf emanzipatorische Bewegungen der Vergangenheit Formen radikaler Pädagogik und wirkmächtige Methodologien beleuchten und die Suche nach neuen Sprachen und Erzählformen als Mittel des Widerstands gegen die gegenwärtige politische Melancholie und ihrer Verwandlung in neue revolutionäre Theorien und Praxen betrachten.

13.30–14.30 Uhr: Pause

14.30–17.00 Uhr: Panel 3 | Culture as a Weapon of Liberation and Solidarity

Mit: Paula Barreiro López, Mariano Mestman (online), Sanjukta Sunderason, Mohanad Yaqubi

Dieses Panel will den Begriff der „Waffe“ in Partisan*innenkämpfen neu denken und dabei die radikale Bedeutung, die er in den kulturellen Praxen dieser Bewegungen annahm, mit in seine Definition aufnehmen. Mit Blick auf bildnerische und performative Produktionen wollen wir untersuchen und bewerten, auf welchen Wegen Partisan*innenkulturen einen Wandel traditioneller Formen des Kunstverständnisses bewirkten und Begriffe, die lange als diametral entgegengesetzt gegolten hatten – Propaganda/Experiment, Laientum/Expertise, Solidarität/Gewalt –, neu definierten und für die Herausforderungen der Gegenwart fruchtbar machten. Auf Fallstudien aus aller Welt aufbauend, wollen wir den Beitrag kultureller Praxen zur Konfiguration emanzipierter gesellschaftlicher, kultureller und politischer Strukturen diskutieren. Besonders interessiert uns dabei ihr Verhältnis zu neuen Formen gesellschaftlichen Zusammenhalts, kollektiver Zusammenarbeit und radikaler utopischer Vorstellungskraft.

17.30–18.30 Uhr: Filmvorführung und Diskussion mit der Regisseurin

ANDRI (1924–1944), Regie: Andrina Mračnikar, Österreich, 2003, 19 Min.

Als Kind hörte Andrina Mračnikar immer wieder Geschichten von Andri, dem Bruder ihrer Großmutter – Geschichten, die wie Puzzlesteine einer großen, nie ganz enthüllten mythischen Erzählung wirkten. Der Deserteur und Partisan wurde von der Gestapo gesucht und im November 1944 hingerichtet; in dieser Geschichte spielt er den Helden. Die Partisan*innenlieder der Kärntner Slowen*innen liefern den Soundtrack dazu.

20.30–21.30 Uhr: Konzert mit der Arkadiy Kots Band

Die Arkadiy Kots Band ist eine Folk-Punk-, Combat-Folk- und Bard-Core-Gruppe, die 2010 von dem Autor, Übersetzer und Aktivisten Kirill Medvedev (Gitarre, Gesang) und dem Soziologen und Aktivisten Oleg Zhuravlev (Violine, Keyboards, Gesang) gegründet wurde. Weitere Bandmitglieder sind Nikolay Oleynikov (Mundharmonika, Percussion, Gesang) und Mariia Bogomolova (Gesang).