Großes Kino beim London Kurdish Film Festival

Das 14. London Kurdish Film Festival präsentiert Geschichten aus allen Teilen Kurdistans. Mit 58 geplanten Filmvorführungen gibt das Festival ein eindrucksvolles Spiegelbild der Entwicklung des kurdischen Kinos.

Diesjähriges Motto „Dîsa Govend“

Das London Kurdish Film Festival (LKFF) findet in diesem Jahr zum vierzehnten Mal statt und bietet dem Publikum einen filmischen Einblick in die Geschichte, die Tragödien, den Widerstand und den kulturellen Reichtum des kurdischen Volkes. Mit dem diesjährigen Motto „Noch einmal Halay“ (ku. Dîsa Govend, Govend ist ein traditioneller Reihentanz) spiegelt das Festival nicht nur Trauer wider, sondern bringt auch Geschichten von Hoffnung, Kampf und Leben auf die Leinwand. Es findet vom 25. April bis zum 3. Mai im PICTURE HOUSE und RIO CINEMA in London statt.


Kurdistan auf der großen Leinwand

Eröffnet wurde das Festival mit Regisseur Hisham Zamans „Ein glücklicher Tag“. Der Film spielt in einem Geflüchtetenlager in Norwegen, endet tragisch und konfrontiert das Publikum vom ersten Moment an mit der Zerbrechlichkeit entwurzelter Leben aus Kurdistan.

„Die Bar“ des jungen Regisseurs Bilal Korkut besticht durch seine melancholische Atmosphäre, die durch die poetische Sensibilität des kurdischen Dichters Arjen Arî geprägt ist. Der Film zeichnet sich durch eindrucksvolle Dialoge zwischen einem amerikanischen Kurdologen und Figuren aus, die im historischen Gedächtnis des kurdischen Volkes gefangen sind. Obwohl der Film in einer unvermeidlichen Tragödie endet, nimmt er das Publikum auf eine tiefe innere Reise mit.


Geschichten, die das kollektive Gedächtnis berühren

Mediha Güzelgüns Dokudrama „Das dritte Exil“ konzentriert sich auf die Erinnerungen von Frauen, die das Massaker von Maraş (ku. Gurgum) miterlebt haben.

Özkan Küçüks „Guten Morgen“ (Rojbaş) hingegen bringt den anhaltenden Widerstand des kurdischen Theaters gegen jahrzehntelange Repression auf die Leinwand. Schauspieler Kemal Ulusoy, der im Film mitspielt, betonte, dass dieser Widerstand die gelebte Realität des kurdischen Volkes widerspiegelt.

Ayşe Polats „Im toten Winkel“ hielt der Türkei durch die Linse unaufgeklärter politischer Morde einen Spiegel der dunklen jüngeren Geschichte vor. Der Politthriller wurde vergangenes Jahr beim Deutschen Filmpreis mit der Lola in Bronze gewürdigt.

Kurzfilme wie „Die Insel“ und „Mein Sohn“ erforschen ein breites Spektrum gesellschaftlicher Wunden, von der ökologischen Krise bis hin zu den Zwängen konservativer Familienstrukturen. Ein anderer Kurzfilm namens „Ein Haus in der Nähe der Sonne“ porträtierte den Schmerz und die Hoffnung eines kurdischen Schneiders, der sich den Angriffen des selbsternannten Islamischen Staats (IS) widersetzte.

Frauenwiderstand und der Kampf gegen den IS

Frauengeschichten standen im Mittelpunkt des Festivals. Binevşa Berivans Film „The Virgin & Child“ erzählt die Geschichte einer Ezidin, die in Brüssel ihrem IS-Vergewaltiger gegenübertritt. Kawa Akrawis Dokumentarfilm „Syria’s Ticking Time Bomb“ beleuchtet die Sicherheitsrisiken, die durch die Inhaftierung Zehntausender IS-Mitglieder in Lagern in Rojava entstehen.

Soleen Yusefs „Sieger Sein“ begleitet die elfjährige Mona, die mit ihrer Familie aus Rojava nach Deutschland flüchtet und versucht, sich durch Fußball ein neues Leben aufzubauen. Inspiriert von einem Familienmitglied, das einst in den Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) kämpfte, erkundet der Film auch die tief persönlichen Dimensionen des Widerstands. In der Kategorie Bester Kinderfilm des letztejährigen Deutschen Filmpreises wurde „Sieger Sein“ ausgezeichnet.


Konfrontation durch wahre Geschichten

Reber Doskys Dokumentarfilm „Die Mädchen der Sonne“ porträtiert den Rehabilitationsprozess ezidischer Frauen, die vom IS verschleppt wurden. Einer der emotionalsten Momente des Festivals war, als Sarab Nayif, eine der Frauen, deren Geschichte im Film erzählt wird, die Bühne betrat und ihre Erfahrungen mit dem Publikum teilte.

Während des gesamten Festivals kamen Regisseur:innen, Schauspielende und Publikum in Podiumsdiskussionen zusammen, um die Zukunft des kurdischen Kinos, die Herausforderungen des Filmemachens und die Schnittstelle zwischen Kunst und Politik zu erörtern. Mit 58 gezeigten Filmen bot das Festival ein eindrucksvolles Spiegelbild der Entwicklung des kurdischen Kinos.

Das kurdische Kino ist durch Widerstand gewachsen

Der kurdische Politiker Osman Baydemir beschrieb das Festival als „eine Reflexion der Erinnerung und des Widerstands eines Volkes, auf die große Leinwand gebracht“.


Filmkritikerin Seray Genç würdigte besonders „Das dritte Exil“ und erklärte, dass der Film die Erinnerung der Maraş-Diaspora nachhaltig prägen werde.

LKFF-Programmdirektorin Şehriban Suyur bemerkte, dass in diesem Jahr mehr Filme von Regisseurinnen präsentiert wurden und das Festival besonderen Wert auf Geschichten aus allen vier Teilen Kurdistans und der Diaspora legte.

Direktorin Soleen Yusef unterstrich die Bedeutung der Solidarität unter kurdischen Filmemacher:innen und sagte: „Es ist wichtig, dass kurdische Filmemacher:innen diesen Weg gemeinsam gehen. Diese Festivals sind ein wichtiger Schritt zur Institutionalisierung des kurdischen Kinos.“

Der kurdische Journalist und Pädagoge Aladdin Sinayiç, der seit langem zur Realisierung des LKFF beiträgt, sagte: „Alle diese Filme streben danach, mit sehr kleinen Budgets große Bedeutung zu schaffen. Aber jetzt müssen wir daran arbeiten, das kurdische Kino weiterzuentwickeln.“

Wir zeigen die Wunden, die noch immer bluten

Der Fokus des kurdischen Kinos liege vielfach auf Schmerz, lautete eine Kritik. Der Regisseur Bilal Korkut, dessen Film auf dem Festival gezeigt wurde, reagierte wie folgt darauf: „Unsere Filme spiegeln die Realität unseres Volkes wider. Wo immer die Wunde noch blutet, dorthin richtet man die Kamera. Wenn diese Wunde endlich verheilt ist, werden wir uns leichteren, fröhlicheren Filmen zuwenden.“