In den vergangenen Jahren haben sich weltweit über 10,5 Millionen Menschen im Rahmen der internationalen Kampagne „Freiheit für Öcalan“ mit ihrer Stimme für die Freiheit Abdullah Öcalans ausgesprochen. Der PKK-Gründer und kurdische Repräsentant befindet sich seit seiner völkerrechtswidrigen Verschleppung im Februar 1999 aus der griechischen Botschaft im kenianischen Nairobi auf der Gefängnisinsel Imrali im türkischen Marmarameer in Isolationshaft. In Großbritannien wird die Kampagne für seine Freiheit vor allem von den Gewerkschaften getragen. Letztes Jahr haben der größte Gewerkschaftskongress des Landes, der „Trade Union Congress“ und alle seine Mitgliedsgewerkschaften einen Leitantrag angenommen und beschlossen, die Kampagne für Öcalans Freiheit aktiv zu unterstützen. Die Zahl der angeschlossenen Organisationen im übergeordneten Dachverband der britischen Gewerkschaftsbewegung TUC zählt 50 Gewerkschaften, die rund 5,6 Millionen Mitglieder haben. Im Sommer dieses Jahres wurde dann das von der Durham Miners Association, einer der führenden Bergbaugewerkschaften Großbritanniens organisierte Festival „Durham Miners’ Gala“ der Freiheit Abdullah Öcalans gewidmet.
Simon Dubbins ist Direktor der Abteilung für Internationales und Forschung der Gewerkschaft Unite the Union und Ko-Vorsitzender der Kampagne „Freedom for Öcalan“ in Großbritannien. Im Gespräch mit dem Kurdischen Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit Civaka Azad e.V. äußerte er sich über den Einsatz britischer Gewerkschaften für die Freiheit Abdullah Öcalans.
In Deutschland wird auf all diejenigen mit schweren Repressionen reagiert, die sich mit der kurdischen Freiheitsbewegung solidarisch erklären. Das gilt insbesondere für Fälle, in denen Solidarität mit Abdullah Öcalan bekundet wird. In Großbritannien führt ihr seit geraumer Zeit eine sehr erfolgreiche Kampagne für die Freiheit Abdullah Öcalans. Was genau macht ihr im Rahmen eurer Kampagne?
Ja, ich habe selbst gesehen wie rigoros die Unterdrückung der kurdischen politischen Bewegung in Deutschland ist. Die Demo am 1. Dezember in Berlin wurde mehrmals von der Polizei aufgrund der verschiedenen Fahnen mit vermeintlich verbotenen Symbolen angehalten. Obwohl wir hier in Großbritannien in der letzten Zeit auch mehr Druck bei solchen Themen spüren, glaube ich nicht, dass die Unterdrückung so hart ist wie in Deutschland. Es ist z.B. überhaupt kein Problem Fahnen mit dem Gesicht von Öcalan zu zeigen. Soweit ich weiß sind Fahnen der YPG und YPJ hier in Großbritannien überhaupt nicht verboten.
Ich glaube der türkische Staat versucht Druck auf alle Regierungen auszuüben, um die Kurdische Freiheitsbewegung zu unterdrücken. Aber es ist eindeutig, dass die türkische Regierung mehr von Deutschland verlangt als von anderen Ländern. Sie kann das aufgrund der historischen engen Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei, sowie der großen kurdischen und türkischen Gemeinschaften in Deutschland. Wenn man dann noch die Geschichte der deutschen Politik gegenüber linken politischen Bewegungen versteht, wird umso deutlicher, warum solch eine harte Repression gegen eure Aktivitäten vorherrscht.
Es gibt verschiedene kurdische Solidaritätsorganisationen in Großbritannien. Unsere konzentriert sich auf die Freiheit für Abdullah Öcalans und ist zudem eine spezifisch gewerkschaftsorientierte Kampagne. In den Gewerkschaften hier in Großbritannien haben wir eine lange Tradition internationaler Solidarität. Unsere Bewegung hat immer für die Freilassung Nelson Mandelas gekämpft und gegen das Apartheid-Regime. Wir standen immer Schulter an Schulter mit den Kubanern in ihrem Kampf gegen die amerikanische Blockadepolitik und wir stehen auf der Seite der Palästinenser in ihrem Kampf für ihre Freiheit. Es war für britische Gewerkschaften daher nicht schwierig zu verstehen, wie wichtig der Kampf für die kurdische Freiheit ist und wie wichtig es ist sich für die Freilassung von Abdullah Öcalan einzusetzen.
Obwohl unsere Organisation und Kampagne erst im Februar 2016 gegründet wurde, sind heute fast alle großen Gewerkschaften Mitglieder. Hinzu kommt unser Dachverband TUC. Seit 2016 haben wir zahlreiche Anträge für die Freilassung von Öcalan und die Unterstützung aller progressiven Kräfte in der Türkei verabschiedet. Wir haben auch immer wieder Veranstaltungen bei den Kongressen der Labour-Partei organisiert. In diesem Jahr war die Freilassung von Öcalan Hauptthema der bekannten „Durham Miner Gala”, in deren Rahmen jedes Jahr ungefähr 200.000 Leute zusammenkommen. Im nächsten Jahr wird das andere große Fest der britischen Arbeiterbewegung im Juni – „Tolpuddle” – die Freilassung von Öcalan als Schwerpunktthema im Bereich Internationalismus haben. Wie haben noch sehr viel zu tun, um die Kampagne zu erweitern, aber wir haben bereits gute Fortschritte gemacht.
Was bedeutet Abdullah Öcalan für dich?
Für mich vertritt Abdullah Öcalan viele verschiedene Sachen. Vor allem vertritt er den Kampf des kurdischen Volkes für seine Freiheit und den Aufbau einer neuen Gesellschaftsordnung, die auf Demokratie, Teilhabe, Gleichheit und Toleranz basiert. Unter seiner Leitung wurde die Hoffnung von Millionen von Menschen von Neuem erweckt. Das gilt nicht nur für Kurdinnen und Kurden, sondern für Millionen Menschen, die weit über die Grenzen Kurdistans hinaus leben. Er vertritt die Entwicklung einer linken progressiven Ideologie. Eine Entwicklung, die die Wurzeln und Grundlagen unserer Bewegung respektiert, aber zugleich nach vorne blickt und neue Lösungen anbietet – wahre, konkrete Lösungen für die massiven Probleme, mit denen die Leute in dieser unheimlich komplizierten Region der Welt konfrontiert sind. Öcalan ist ein Vorbild für uns alle. Er hatte sein ganzes Leben für den Freiheitskampf geopfert. Trotz all der Brutalität, die er erlebt hat, hat er sich stets für Frieden und einen Neuanfang eingesetzt. Ich bin mir absolut sicher, dass er in der Zukunft als ein moderner Nelson Mandela verstanden werden wird.
Wie betrachtet die britische Gesellschaft Öcalan und sein Engagement?
Obwohl wir bereits viel für die Freilassung Öcalans getan haben und viele Fortschritte erreicht wurden, wissen leider noch immer viele Leute in Großbritannien sehr wenig über Öcalan. Diejenigen, die etwas wissen, sind natürlich überwiegend für Öcalan. Die meisten wissen ein wenig über die schrecklichen Dinge, die zurzeit in der Türkei passieren, aber wir müssen Öcalan als Mensch und politische Führungspersönlichkeit noch viel mehr in die Öffentlichkeit bringen. Aufgrund unserer Erfahrungen mit dem Friedensprozess in Nord-Irland glaube ich, dass viele unserer Politiker verstehen, wie wichtig es ist, dass Öcalan freigelassen wird und somit ein neuer politischer Prozess beginnen kann.
Warum hast du dich an der Demonstration zum 25. Jahrestag des PKK-Verbots in Deutschland beteiligt?
Weil wir unsere Unterstützung für die Demonstration vor Ort zeigen wollten. Das Verbot der PKK ist ein echter Skandal und bewirkt nur, dass ein neuer Friedensprozess verhindert wird. Vor einiger Zeit hat ein belgisches Gericht geurteilt, dass die PKK keine terroristische Organisation ist, sondern eine militärische Struktur, die sich in einem bewaffneten Konflikt befindet. Zu behaupten, die PKK sei mit dem Islamischen Staat (IS) oder anderen Terrororganisationen vergleichbar, ist eine Unverschämtheit. Aus anderen Friedensprozessen – wie in Irland und Kolumbien - wissen wir ganz genau, dass man die wichtigsten Organisationen nicht einfach verbieten kann, weil diese Organisationen tief in der Geschichte des jeweiligen Konflikts verwurzelt sind. Die Internationale Gemeinschaft muss endlich aufhören die Brutalität der Türkei zu tolerieren. Stattdessen muss sie Druck ausüben, um die wichtigsten Akteure des Konfliktes an einen Tisch zu bringen. Die PKK spielt eine entscheidende Rolle für eine friedliche Zukunft in der Türkei. Doch sie wird dem solange nicht gerecht werden können, wie sie verboten bleibt.
Es sehr in diesem Zusammenhang sehr wichtig, dass alle verschiedenen Solidaritätsbewegungen mit Kurdistan viel enger zusammenarbeiten und wir unsere verschiedenen nationalen Kampagnen als Teil von einer ganzheitlichen internationalen Kampagne verstehen. In diesem Sinne war es mir wichtig, am 1. Dezember bei der Demonstration in Berlin zu sein. Es war sehr interessant und zugleich sehr besorgniserregend die Realität der Repression in Deutschland mit meinen eigenen Augen zu sehen. Es war aber auch eine große Ehre die Möglichkeit zu haben vor mit verschiedenen Menschen zu reden und unsere Erfahrungen auszutauschen.