Besê Hozat, Ko-Vorsitzende des Exekutivrats der KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans), hat am 16. Juli in einer Fernsehsendung bekannt gegeben, dass die AKP-Regierung „gewisse Zugeständnisse“ verlangt habe, damit Familien- und Anwaltsbesuche bei Abdullah Öcalan wieder zugelassen werden. Über vertrauenswürdige Vermittler sei mitgeteilt worden: „Wenn die PKK die folgenden Punkte erfüllt, werden Familien- und Anwaltsbesuche möglich sein.“ Der türkische Staat hat also das elementarste Recht von Rêber Apo [Abdullah Öcalan], nämlich Familien- und Anwaltsbesuche, zum Gegenstand einer offenen politischen Erpressung gemacht. Natürlich lehnte die KCK-Führung diese unmoralische Erpressung, im Prinzip eine „Lösegeldforderung“, ohne zu zögern ab.
Dieses Thema bestimmte die Agenda der kurdischen Öffentlichkeit in den letzten Tagen. Die Bedeutung und die Gründe für den Erpressungsversuch wurden aus vielen Blickwinkeln diskutiert. Verschiedene patriotische kurdische Institutionen und Organisationen erläutern ihren Standpunkt zu diesem Thema. Vor allem wurde festgestellt, dass diese Situation eine weitere Intensivierung der Aktionen im Rahmen der globalen Offensive für die Freiheit von Abdullah Öcalan bedeutet.
In der Tat kann man zu dieser Situation auf rechtlicher oder moralischer Ebene nichts sagen. Es genügt jedoch festzustellen, dass der AKP/MHP-Faschismus nicht einmal über ein Fünkchen Recht und Moral verfügt. Was kann also noch gesagt werden? Es ist ganz klar, dass die Forderung der AKP eine offene Erpressung ist. Das zeigt erneut ganz offen, dass Abdullah Öcalan als Geisel gefangen gehalten wird, auf diese Weise räumt das Regime genau das ein. Bis jetzt waren wir diejenigen, die gesagt haben, dass Abdullah Öcalan eine Geisel ist, aber das wurde von den Verantwortlichen immer geleugnet. Jetzt wird von der AKP akzeptiert, dass Rêber Apo als politische Geisel auf Imralı gefangen gehalten wird. Das ist der erste Punkt, der benannt werden muss.
Zweitens wird daraus deutlich, dass die AKP-Regierung durch die Freiheitsoffensive unter massiven Druck geraten ist und Schwierigkeiten hat, die Isolation noch länger aufrechtzuerhalten. Damit zeigt sich die Stärke der weltweiten Kampagne, die das kurdische Volk und seine Freund:innen seit dem 10. Oktober 2023 ununterbrochen fortsetzen.
Es liegt auf der Hand, dass die Verantwortlichen für das Isolationsfoltersystem auf Imrali der Freiheitsoffensive anfangs keine große Bedeutung beimaßen. Aber die Kampagne, die auf die physische Freiheit von Rêber Apo abzielt, wurde beharrlich fortgesetzt und innerhalb und außerhalb des Landes weiterentwickelt. Das wichtigste Merkmal der Bewegung war ihre Kontinuität und Verbreitung. Auf globaler Ebene beteiligten sich humanistische Teile der Gesellschaft in zunehmendem Maße an der Kampagne. Die Offensive erreichte ihren ersten Höhepunkt in den Protesten gegen das internationale Komplott am 15. Februar 2024. Die zweite Phase baute darauf auf und gipfelte in den Protesten zum 8. März und Newroz. Der Guerillawiderstand vor allem in der Zap-Region, der sich immer stärker entwickelnde Gefängniswiderstand, die ununterbrochenen Demonstrationen und Proteste unter der Führung von Frauen und Jugendlichen in allen vier Teilen Kurdistans und im Ausland haben die Freiheitsbewegung kontinuierlich erweitert und ihre Kontinuität gewährleistet.
Ein wichtiger Aspekt des Widerstands war natürlich die Beteiligung und Unterstützung durch verschiedene Organisationen und Einzelpersonen. Tausende von Jurist:innen und Politiker:innen aus dem In- und Ausland beantragten einen Besuch bei Rêber Apo auf Imrali. Intellektuelle, Politiker:innen, Schriftsteller:innen und andere prominente Persönlichkeiten aus ganz Europa und viele Organisationen, insbesondere Gewerkschaften, schickten Briefe an das Europäische Komitee zur Verhinderung von Folter (CPT) und forderten es auf, Imrali zu inspizieren. Dieses Engagement erreichte seinen Höhepunkt, als 69 Nobelpreisträger:innen Briefe an internationale Organisationen und Einzelpersonen schickten und die physische Freiheit von Rêber Apo forderten.
All das hat den Druck auf die Kräfte hinter dem Imrali-System verstärkt und die AKP-Regierung in eine sehr schwierige Lage gebracht. Das Thema wurde im UN-Menschenrechtsausschuss erörtert, und von der türkischen Regierung wurde eine klare Antwort verlangt. Die AKP-Regierung, die immer mehr unter Druck gerät, ist sich bewusst, dass sie das derzeitige System auf Imrali nicht länger aufrechterhalten kann. Dennoch versucht sie, Profit aus dieser Lage zu schlagen und verlangt Gegenleistungen für ein verbrieftes Recht. Sie kann niemandem erklären, warum seit 41 Monaten kein Lebenszeichen mehr von Imrali nach außen dringt. Dieser Druck ist das konkrete Ergebnis der globalen Freiheitskampagne. Das ist der zweite wichtige Punkt.
Natürlich sollten wir an dieser Stelle auch die folgende Situation sehen: Es scheint, dass die AKP ihre Täuschungsmanöver nicht mehr so leicht umsetzen kann wie in der Vergangenheit. Offensichtlich gibt Rêber Apo dazu keine Gelegenheit. Was auch immer sie tut, sie kann ihre Täuschungen und Machenschaften nicht wie früher durchführen. Wir alle müssen die Situation genau verstehen und dürfen den Täuschungsmanövern des Regimes keinen Raum geben.
Natürlich kann man hinter diesem Bestreben der AKP auch andere Gründe vermuten. Indem sie zum Beispiel die Lüge verbreitete, dass die PKK ein Feuer auf dem Markt in Hewlêr gelegt habe, sollte von der Tatsache ablenkt werden, dass die Präsenz der Besatzungstruppen in den Medya-Verteidigungsgebieten den Grad einer Annexion erreicht hat. Jetzt versuchen MIT, PDK und die türkische Regierung die Proteste gegen die Angriffe zu minimieren, indem sie die Lüge verbreiten, die PKK habe sich im ganzen Irak ausgebreitet und stelle eine große Gefahr dar. Gleichzeitig soll durch diplomatischen Verkehr mit Assad über die Vermittlung Russlands eine neue Grundlage für weitere Invasionen in Nord- und Ostsyrien geschaffen werden.
Was bedeutet das alles also? Es ist ganz klar, dass die Syrien-Politik des AKP/MHP-Faschismus völlig zusammengebrochen ist. Es ist offensichtlich, dass die neuen Entwicklungen in Syrien in naher Zukunft in eine Sackgasse führen werden. Der türkische Staat kann seine Invasions- und Annexionsangriffe auf die Medya-Verteidigungsgebiete gegen den historischen Guerillawiderstand nicht durchsetzen. Vielmehr sitzt die Armee in den Gebieten, in die sie einmarschiert ist, fest. Wenn sich die Auseinandersetzungen in die Länge ziehen, muss der türkische Staat damit rechnen, dass aus dem Irak und dem Ausland stärkere Reaktionen kommen werden.
In den Medya-Verteidigungsgebieten und in Nord- und Ostsyrien werden permanent Massaker verübt. Aber es konnten keine Ergebnisse erzielt werden. Der türkische Staat befindet sich in beiden Regionen in einer politischen und militärischen Sackgasse und ist handlungsunfähig. Es scheint, als wüsste er nicht, was er tun sollte und wie er aus dieser Lage herauskommen soll. Das Regime versucht sich aus diesem Sumpf zu retten, indem es von der PKK oder Rêber Apo stiehlt. Intellektuelle und Politiker:innen weltweit erklären immer wieder, dass die Menschheit die Ideen von Rêber Apo braucht. Offensichtlich brauchen die Kräfte der Vernichtung, die in eine Sackgasse geraten sind, diese Ideen noch mehr als alle anderen. Obwohl sie Besuche bei Rêber Apo als Erpressung zu benutzen versuchen, brauchen sie diese Besuche wohl noch mehr als alle anderen. Indem sie die tiefgründigen Ideen von Rêber Apo stehlen, wollen sie sich selbst aus dem Sumpf im Irak und in Syrien herausziehen.
Abschließend möchte ich folgendes sagen: Die PKK stellt nirgendwo und für kein Volk und keine demokratische Kraft eine Bedrohung und Gefahr dar. Das gilt insbesondere für die Türkei, Syrien, den Irak und den Iran. Sie ist keine Bedrohung für die Gesellschaften in diesen Ländern, im Gegenteil, sie ist eine demokratische Lösungskraft. Aber die größte Bedrohung und Gefahr stellt die Allianz aus AKP, MHP, PDK und dem IS dar. Alle sollten das genau verstehen. Abgesehen von den Massakern greift diese Allianz zu allen möglichen Lügen und Täuschungen und versucht, die Menschen zu täuschen. Alle Völker und demokratischen Kräfte müssen in dieser Hinsicht sensibel und vorsichtig sein. Es muss ihnen gelingen, alle Arten von Lügen und Tricks zunichtezumachen.
Der Kommentar erschien zuerst auf Türkisch in der Zeitung Yeni Özgür Politika