Rechtsanwältin Raziye Öztürk
Am Montag veröffentlichte ANF die Antworten des Europäischen Komitees zur Verhinderung von Folter (CPT) auf Fragen zur Situation im türkischen Inselgefängnis Imrali, in dem Abdullah Öcalan, Ömer Hayri Konar, Hamili Yıldırım und Veysi Aktaş isoliert werden. Rechtsanwältin Raziye Öztürk hat die Aussagen des CPT kommentiert.
„Das CPT hat seine Doppelmoral selbst demaskiert“
Öztürk kritisierte das Antifolterkomitee des Europarats für sein Schweigen angesichts der Situation auf Imrali. Am 3. Juli hatte das CPT Aserbaidschan wegen fehlender Zusammenarbeit mit dem öffentlich gerügt und ein Verfahren eingeleitet. Ein solches Verfahren sei auch in Hinblick auf die Türkei notwendig, sagte Rechtsanwältin Öztürk und erklärte: „Da die türkische Regierung den Empfehlungen [des CPT] nicht nachkommt, könnte das CPT ein Verfahren einleiten. Es unterlässt dies jedoch. Es tut so, als gäbe es hierfür keinen Artikel, aber die Entscheidung zu Aserbaidschan offenbart uns einmal mehr die Doppelmoral des Komitees gegenüber der türkischen Regierung. Das CPT demaskiert sich selbst.“
Interview zeigt Erfolg der Proteste
Das Antifolterkomitee halte an seiner protürkischen Haltung fest, das Interview sei jedoch zumindest als Erfolg der Kampagne „Freiheit für Abdullah Öcalan und eine politische Lösung der kurdischen Frage“ zu werten, so Öztürk: „Das CPT hat seine alte Haltung beibehalten, so wie wir sie bei persönlichen Gesprächen kennengelernt hatten. Aber ich denke, die Tatsache, dass es ein Interview gegeben hat, ist auf die Proteste und die Sitzstreiks vor dem CPT zurückzuführen.“
Die Aussagen des CPT widersprechen EGMR-Entscheidungen
Öztürk unterstrich, dass das zwar wichtig sei, aber das CPT so tue, als gäbe es keine Misshandlung auf Imrali. Sie fuhr fort: „Das CPT hat den Standpunkt bezogen, dass es keine Misshandlungen von Seiten der Gefängnisverwaltung oder des Gefängnispersonals gebe. Es kritisiert nur den Punkt der Anwalts- und Familienbesuche. Dieser Punkt steht jedoch im Widerspruch zu den früheren Empfehlungen und Feststellungen des CPT und dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Denn der Punkt der schlechten Behandlung bzw. Misshandlung darf sich nicht nur auf das Verhalten des Personals gegenüber unseren Mandanten beziehen. Es gibt seit 40 Monaten kein Lebenszeichen mehr von unseren Mandanten. Das Abschneiden von jeder Kommunikation ist ein Verstoß gegen die Menschlichkeit.“
„Nicht einmal die Regeln für verschärften Vollzug werden befolgt“
Die Anwältin wies auch auf Widersprüche in der CPT-Argumentation hin: „Das CPT hatte zuvor erklärt, dass die Situation dort nicht den internationalen Menschenrechtsstandards entspreche. Wenn wir uns Imrali anschauen, dann handelt es sich um ein Inselgefängnis, in dem ein System des verschärften Vollzugs angewandt wird. Aber es ist notwendig, hier festzustellen, dass nur dem Namen nach ein System des verschärften Vollzugs angewandt wird. Real haben unsere Mandanten nicht einmal die Rechte, die ihnen nach diesen Regeln zustünden. Im verschärften Vollzug gibt es das Recht auf Familien- und Anwaltsbesuch. Es ist dort keine Rede von einer Einschränkung dieser Rechte. Es gibt zumindest in einem gewissen Sinne eine Verbindung nach draußen. Im Inselgefängnis Imrali gibt es jedoch nichts davon. Somit ist klar, dass es sich hier nicht nur um Misshandlung, sondern um Folter handelt. Das verschärfte Vollzugsregime wurde als Folter definiert. Es wird erklärt, dass dies gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoße. Die Situation hier geht aber weit darüber hinaus.“
„Die Verbindungen nach draußen sind komplett abgeschnitten“
Über die soziale Dimension der Zustände auf Imrali sagte Öztürk: „Wir müssen dieses Thema als Ganzes betrachten. Wir sprechen davon, dass unsere Mandanten völlig von der Außenwelt abgeschnitten sind. Damit sind die Angehörigen, die Gesprächspartner und insbesondere das kurdische Volk als Ganzes zu einem Opfer dieser Rechtsbeschneidung geworden. Aufgrund der Position von Abdullah Öcalan als Repräsentanten des kurdischen Volkes ist die gesamte kurdische Gesellschaft von dieser Isolation betroffen.“
„Das CPT spielt der Türkei den Ball zu“
Raziye Öztürk sagte in Bezug auf die Aussage des CPT, es könne seinen Bericht nicht ohne die Zustimmung der Türkei veröffentlichen: „Wir haben diese Situation schon oft angesprochen. Ja, das mag aufgrund von Verfahrensweisen der Fall sein. Aber die türkische Regierung besteht beharrlich darauf, die Vorschläge und Empfehlungen des CPT nicht umzusetzen. In seinem Bericht von 2019 stellte das CPT fest, dass die Verhinderung von Anwaltsbesuchen nicht rechtmäßig ist. Es erklärte, dass Besuche in regelmäßigen Abständen durchgeführt werden müssten. Zum jetzigen Zeitpunkt sehen wir jedoch, dass dies nicht geschehen ist. Die Situation verschärft und verschlimmert sich stattdessen. Daher könnte das CPT ein Verfahren gegen die Türkei wegen Nichteinhaltung der Empfehlungen einleiten. Es unterlässt dies jedoch. Es tut so, als gäbe es hier keinen Artikel, aber die Entscheidung zu Aserbaidschan offenbart einmal mehr die Doppelmoral des CPT gegenüber der türkischen Regierung. Das CPT demaskiert sich selbst.“ Abschließend stellte die Anwältin fest, dass die Türkei nicht auf der Inspektionsliste des CPT für 2025 stehe und sagte: „Leider sehen wir, dass das CPT trotz all der üblen Praktiken Imrali von seiner Agenda zu nehmen versucht.“