Vor etwas mehr als einer Woche erhob sich die Bevölkerung von Şîladizê (Shiladze), stürmte in der Gemeinde nahe der Stadt Amêdî (Amediye) eine türkische Militärbasis und zündete Militärfahrzeuge und Ausrüstung an. Die Bevölkerung hatte damit gegen die Tötung von mehreren Zivilisten durch türkische Bomber protestiert. Daraufhin erklärte sich die südkurdische Regierungspartei PDK gegen die protestierende Bevölkerung und entschuldigte sich „in ihrem Namen“ beim Erdoğan-Regime. Nach diesen Erklärungen wurden Amêdî sowie die Bezirke und Gemeinden der Kleinstadt abgesperrt. Einen Tag später begann eine Operation zur Ergreifung der Teilnehmer*innen am Aufstand. Bisher wurden ungefähr 130 Personen festgenommen.
Nach Interventionen von der YNK (Patriotische Union Kurdistans) und der Gorran-Bewegung ließ die PDK die Mitglieder dieser Parteien frei, die Mitglieder der basisdemokratischen Tevgera Azadî blieben aber inhaftiert. Außerdem begann die PDK die Stämme in der Region zu bedrohen. Man zwang die Inhaftierten mit Gewalt, sich gegen die kurdische Freiheitsbewegung zu äußern und veröffentlichte diese erpressten Erklärungen in den sozialen Medien. So versuchte man das Klima im Sinne der AKP zu manipulieren.
PDK und türkischer Geheimdienst MIT organisieren gemeinsam Demonstration
Nun ist bekannt geworden, dass die PDK und der in der Region operierende türkische Geheimdienst MIT noch einen Schritt weitergehen. Nachdem die Festnahme von mehr als hundert Personen und die unter Zwang produzierte Anti-PKK-Propaganda keinen Erfolg erzielte, werden nun einige der Stämme in Şîladizê, Amêdî und Dêrelûk (Deralok) bedroht. Die Stämme sollen offenbar gezwungen werden, an von der PDK und dem MIT organisierten Anti-Guerilla-Demonstrationen teilzunehmen, die in den nächsten Tagen in der Region stattfinden sollen. Es heißt, diejenigen, die nicht teilnehmen, werden mit Gewalt zu Hause abgeholt und zur Demonstration gebracht.
Rekani-Stamm wird bedroht
Im Vorfeld dieser geplanten Demonstration wurde insbesondere der Rekani-Stamm bedroht. Vier Mitglieder dieses Stammes waren am 23. Januar durch das türkische Bombardement bei Dêrelûk getötet worden. Dieses Ereignis war der Auslöser für den Sturm auf die türkische Militärbasis in Şîladizê.
Es gibt historische Gründe, warum die PDK und der MIT ausgerechnet den Rekani-Stamm zur Kollaboration zu zwingen versuchen. Der Konflikt zwischen den Angehörigen der Rekani und der PDK - oder besser der Barzanî-Familie - geht bis in die 1960er Jahre zurück. Er begann im Jahr 1961, als sich der Stamm an die Seite von Abdul Salam Arif und somit gegen Abdul Karim Qasim, also quasi gegen Molla Mustafa Barzanî stellte. Seit Beginn des Konflikts werden die Dörfer der Rekanis von der PDK immer wieder angegriffen.
In Dêrelûk, Bamernê, Amêdî und Şîladizê, bis nach Ûrmiye in Rojhilat und Şemzînan (Şemdinli) in Nordkurdistan hat die PDK die Angehörigen der Rekani aus bisher mehr als 300 Dörfern hin zur Grenze vertrieben. Ein Teil der Mitglieder des Stammes migrierte nach Bagdad, Basra und Mosul, ein anderer Teil nach Nord- und Ostkurdistan. Die Kämpfe zwischen den Rekani und der PDK dauerten bis ins Jahr 2003 an. Nach der Intervention der USA 2003 im Irak hatte Mesut Barzanî seiner Opposition Wohnungen in Hewlêr (Erbil) zugeteilt. Hinter dieser Politik standen Ethem Barzanî und der Führer des Rekani-Stammes, Mihemmed Axayê Kelhê. So sehr es auch aussehen mag, als hätten sich die Barzanîs und Rekanis versöhnt, so zeigt das Vorgehen des PDK-Asayischs gegen den Stamm nach dem Aufstand von Şîladizê, dass die Widersprüche längst nicht begraben sind.