Die Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) haben die Vereinten Nationen und den UN-Sicherheitsrat aufgefordert, sich mit den Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen der Türkei und ihren dschihadistischen Proxy-Truppen in Nord- und Ostsyrien zu befassen. Angesichts der seit Jahren andauernden Verbrechen wie Plünderungen, Folter, Vergewaltigungen, Verschleppungen, dem Raub und der Zerstörung von Weltkulturerbe, der Schändung religiöser Stätten, erheblichen Veränderungen der Demografie, Assimilation und Umweltzerstörungen entstehe der Eindruck, dass das Völkerrecht und die Menschenrechte in Nord- und Ostsyrien und im Besonderen in Rojava à la carte wahrgenommen würden. „Es ist kaum eine Empörung hörbar – weder seitens der UN und ihren Institutionen noch anderen Organen der internationalen Staatengemeinschaft“, kritisieren die YPJ.
Türkei übt Rache für den sogenannten IS
Dabei sei es offensichtlich, dass die Türkei in Rojava das Völkerrecht verletze und systematisch Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschheit begehe, betonen die autonomen Frauenkampfverbände. „Die von den YPJ angeführte Revolution von Rojava, die unter der Avantgarde unserer Völker entstand und mit dem Blut zahlreicher internationalistischer Gefallener erkämpft wurde, war seit jeher ein Dorn im Auge des türkischen Staates. Dieser Staat macht aus seiner faschistischen Mentalität kein Geheimnis. Er dient als zentrale Aktionsplattform für islamistische Gruppierungen wie dem IS und unterstützt sie finanziell wie materiell. Er entlarvt sich selbst als Quelle der Aggression, führt Besatzungsangriffe durch und nimmt jene Kräfte gezielt ins Visier, die diese Revolution und ihre Errungenschaften erarbeitet haben: Die YPJ. Damit will der faschistische türkische Staat Rache für den IS nehmen und die Terrororganisation wiederbeleben.“
Eskalation von Drohnenkrieg und Artillerieangriffen seit Dreiergipfel
Die Türkei hat im Zuge des Syrien-Krieges mehrere völkerrechtswidrige Angriffe auf den mehrheitlich kurdischen Norden des Landes gestartet. Dieser Krieg gegen die Kurdinnen und Kurden in den selbstverwalteten Gebieten wird von der Regierung in Ankara als „Antiterroroperation“ bezeichnet. Im Verlauf von drei Invasionen, die mit den Bezeichnungen „Euphrat-Schild“ (2016), „Olivenzweig“ (2018) und „Friedensfrühling“ (2019) versehen wurden, hat das NATO-Mitgliedsland zusammen mit seinen Dschihadistenmilizen weite Teile im Grenzstreifen besetzt und hunderttausende Menschen aus ihren angestammten Wohngebieten vertrieben. Seit Monaten droht die türkische Führung nun mit einem neuerlichen Angriffskrieg gegen Nordsyrien, hat für ihre Pläne aber weder von Russland und dem Iran noch von den USA bisher grünes Licht erhalten. Daher intensiviert die Türkei ihren Drohnenkrieg und die Artillerieangriffe gegen die Region.
62 Tote, 86 Verletzte innerhalb eines Monats
Wie aus einer Bilanz des Rojava Information Center (RIC) hervorgeht, sind zwischen dem 19. Juli – dem Tag, an dem das Gipfeltreffen der Staatschefs von Russland, Iran und der Türkei in Teheran stattfand – und dem 18. August mindestens 62 Menschen durch türkische Angriffe in Nord- und Ostsyrien ums Leben gekommen, weitere 86 wurden teils schwer verletzt. Ein Großteil waren Angehörige der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD), darunter mehrere Kämpferinnen und Kommandantinnen der YPJ, vierzehn der Todesopfer waren Zivilpersonen. Der verheerendste dieser Anschläge ereignete sich am vergangenen Donnerstag zwischen Hesekê und Til Temir. Eine türkische Kampfdrohne bombardierte ein mit UN-Mitteln aufgebautes Bildungszentrum für Mädchen. Die Einrichtung war im Rahmen des 2019 zwischen den QSD und UNICEF geschlossenen „Abkommens zur Beendigung der Rekrutierung von Kindersoldaten und der Prävention der Ausbeutung von Kindern in bewaffneten Konflikten” für Mädchen geschaffen worden, die sich den YPJ anschließen wollten, aber noch nicht 18 Jahre alt und damit zu jung waren. Bei dem Drohnenangriff wurden vier Schülerinnen getötet, elf wurden verletzt.
YPJ fordern „angemessene Maßnahmen“
Die YPJ fordern auch deshalb eine – schon lange überfällige – Reaktion vom Weltsicherheitsrat und die Ergreifung „angemessener Maßnahmen“ gegen die Türkei. Gleichzeitig appelliert der Kampfverband an die weltweite kurdische Öffentlichkeit und der Demokratie verpflichtete Persönlichkeiten, Organisationen und Einrichtungen, Strafanzeigen gegen die politischen und militärischen Verantwortlichen der türkischen Regierung sowie gegen die „Syrische Nationalarmee“ (SNA) – eine Koalition reaktionärer, islamistischer und fundamentalistischer Milizen, die von Ankara befehligt, finanziert und geleitet wird – wegen Kriegsverbrechen und systematischer Folter in Rojava zu stellen. „Selbstverständlich sind auch alle Anwältinnen und Anwälte aufgerufen, sich für diese legitime Forderung einzusetzen“, so die YPJ.