Kommentar: Teheran-Gipfel war Fiasko für Türkei

Der türkische Diktator Erdoğan konnte keine seiner Ambitionen beim Gipfel mit Russland und Iran in Teheran durchsetzen. Nun ist die Frage, welche Schritte die Türkei in Nordsyrien als nächstes gehen wird.

Am 19. Juli traf sich der türkische Regimechef Recep Tayyip Erdoğan mit dem russischen und dem iranischen Präsidenten in Teheran zu Gesprächen über die Situation in Syrien. Für die Türkei ging es bei dem Treffen vor allem um grünes Licht für eine Invasion in Nord- und Ostsyrien. Die Türkei hatte vorher angekündigt, einen 30 Kilometer langen Streifen entlang der türkischen Grenze zu besetzen. Damit wäre fast ganz Rojava unter türkischer Herrschaft. Die Erwartungen des Erdoğan-Regimes kamen nicht von ungefähr, da die Türkei bei einem Treffen desselben Trios in Astana die Zustimmung für die Besetzung von Efrîn im Jahr 2018 erhalten hatte. Die russischen Truppen zogen ab und das syrische Regime unternahm nichts gegen die Besetzung. Doch Erdoğan bekam in Teheran zu spüren, dass die Staaten in ihrem eigenen Interesse handeln. Die Abschlusserklärung machte klar, dass die Türkei vor allem als Werkzeug benutzt wurde, durch das Russland und der Iran ihre Botschaften dem Westen mitteilten. Die Türkei erhielt nicht die erwartete Unterstützung für die Rojava-Invasion. Stattdessen hat der Iran die Türkei zum Teil seiner gegen die NATO gerichteten Botschaft gemacht. So wurde gefordert, dass sich die USA aus Syrien zurückziehen, es wurden die israelischen Angriffe verurteilt und der Wunsch nach einem gemeinsamen Kampf gegen den Terror in Idlib geäußert. Insbesondere dies stellt ein Problem für die Türkei dar, da die Terrorgruppen in Idlib, vor allem der Al-Qaida-Ableger Hayat Tahrir al-Sham, und die Überreste des IS in der Region durch türkische Unterstützung weiterexistieren und wichtige Werkzeuge für den neoosmanischen Expansionismus der Türkei darstellen. Russland hat sich, wenn auch nicht so deutlich wie der Iran, gegen den Invasionsangriff auf Rojava ausgesprochen und dabei versucht, sich dennoch als an der Seite der Türkei stehend darzustellen.

Unüberbrückbare Widersprüche in Teheran

Betrachtet man das Treffen als Ganzes, so wurde weder bei den bilateralen noch bei den trilateralen Gesprächen die gewünschte Einigkeit erzielt. Die Tatsache, dass die drei Mächte die Themen auf ihre eigene Art und Weise auf die Tagesordnung setzten, macht die Widersprüche zwischen ihnen noch deutlicher. Die Türkei hat eine Reihe von Problemen mit Iran, die auf irakischem und syrischem Territorium immer wieder aufbrechen. Das betrifft unter anderem die immer wieder scheiternde Regierungsbildung, die Ölabkommen der PDK mit der Türkei, der Konflikt um turkmenische Souveränität, die Mauer an der Grenze und die Konflikte in Syrien. Der Teheran-Besuch Erdoğans mit einer großen Delegation hatte keine ernsthafte politische Erwiderung gefunden. In Anbetracht der Tatsache, dass sich auch die Handelsbeziehungen zwischen den beiden Staaten nicht auf dem gewünschten Niveau befinden, gingen einige der auf der Konferenz getroffenen Vereinbarungen nicht über die Gesichtswahrung hinaus.

Auch die Beziehungen zwischen der Türkei und Russland gestalten sich recht kompliziert. In Anbetracht der Tatsache, dass die Türkei ein NATO-Staat ist, der Probleme in den bilateralen Beziehungen, der Lieferung von Kampfdrohnen an die Ukraine und der Widersprüche in Syrien gestalten sich die Beziehungen zu Russland als schwierig. Die Abschlusserklärung der Teheran-Konferenz spricht Bände über die Punkte, auf die man sich nicht einigen konnte. Die Botschaften in Richtung Israel, die NATO und die Energie- und andere Kooperationsabkommen zwischen Russland und Iran zeigen, dass die Staats- und Regierungschefs Russlands und Irans als Sieger vom Tisch gingen. Während diese versuchten, das Treffen ohne große Worte zu beenden, enthielt Erdoğans lange und zugleich inhaltsleere Rede vor allem Botschaften zur Beruhigung der heimische Öffentlichkeit.

Die Konferenz von Teheran zeigt deutlich, an welchen Punkt Erdoğan die Türkei gebracht hat. Das Ausbleiben der Unterstützung für seinen Invasionsangriff auf Rojava war ein erwartetes Ergebnis im Hinblick auf die politischen Machtbalancen. Das heißt aber nicht, dass der Angriff nicht stattfinden wird. Die Türkei befindet sich auf der Suche nach einem Weg, den Angriff durchzuführen, ohne Russland, den Iran und die USA zu konfrontieren.

Eine Revanche für Jeddah?

Die Konferenz in Teheran war eine Art Revanche für das Gipfeltreffen in Jeddah. Die arabischen Staaten und die USA, die sich im Golf-Kooperationsrat (GCC) zusammengeschlossen haben, unterzeichneten wichtige Abkommen zu Sicherheits- und Energiefragen. In Anbetracht der Tatsache, dass der Gipfel in Jeddah sich in erster Linie gegen Iran richtete, ist das im gleichen Zeitraum stattgefundene Treffen in Teheran ein deutlicher Hinweis darauf, dass es sich um eine Reaktion handelte. Der Iran ließ seine Drohnen über dem Golf aufsteigen und auf dem Teheran-Gipfel wurde die Zusammenarbeit mit Russland auf ein neues Niveau gehoben.

Unterstützung für Angriff auf Rojava gesucht

Als die Türkei sich auf das Treffen in Teheran vorbereitete, bestand ihr Hauptziel darin, Unterstützung für den Angriff auf Rojava zu erhalten. Sie bereitete die öffentliche Meinung im Inland auf dieses Thema vor. Der staatlich kontrollierte Medienapparat in der Türkei hielt die Invasion in Rojava ständig auf der Tagesordnung. Als das gewünschte Ergebnis bei dem Treffen in Teheran nicht erreicht wurde, rückte das Thema auf der Tagesordnung nach hinten. Nach dem Teheran-Fiasko ist die Drohung mit einem Angriff auf Rojava jedoch nicht verschwunden, und die Militärtransporte in die besetzten Gebiete gehen weiter. Ein Angriff auf Rojava ohne ausländische Unterstützung bleibt auf der Tagesordnung. Wie würden sich der Iran, Russland und die USA im Falle einer Invasion verhalten? Wo wird das Ziel des Angriffs liegen, wird die Schließung des Luftraums auf der Tagesordnung stehen, hat ein solcher Invasionsangriff Aussicht auf Erfolg? Das sind die wichtigsten Themen, die bereits diskutiert werden.

Der Diktator Erdoğan, der in den diplomatischen Beziehungen und an den Verhandlungstischen mit leeren Händen dasteht, ist wieder am Anfang. Die Augen sind jetzt auf das gerichtet, was im Feld passieren wird. Ein Invasionsangriff ohne internationale Unterstützung ist unter Umständen das Spiel, das ihm sein Ende bereiten wird.