Weltweite Proteste gegen feminizidale Besatzungspolitik in Efrîn

Weltweit waren heute Menschen in Solidarität mit den Frauen von Efrîn auf der Straße, um die systematische geschlechtsspezifische Gewalt als Mittel der türkischen Kriegsführung und Besatzung anzuprangern und die Verurteilung Erdogans einzufordern.

Weltweit sind an diesem Samstag Menschen auf die Straße gegangen, um ein Zeichen zu setzen gegen die andauernde türkische Besatzung in Efrîn und ihre Solidarität mit der Bevölkerung des ehemals selbstverwalteten Kantons in Rojava und vor allem den Frauen auszudrücken, die für ein selbstbestimmtes Leben frei von Islamismus und Unterdrückung kämpfen. Efrîn steht seit mittlerweile drei Jahren unter türkisch-dschihadistischer Besatzung. Die einst sicherste Region ganz Syriens, der es im Machtvakuum der Krise nicht nur gelang, sich von der Herrschaft des Baath-Regimes zu befreien, sondern auch eine basisdemokratische, ökologische und geschlechterbefreite Gesellschaftsform zu etablieren, ist heute zerstört. Der Alltag ist geprägt von Gewalt, streng islamistischen Scharia-Regelungen als maßgebliche Ordnung und einer unter Duldung der internationalen Staatengemeinschaft vorangetriebenen Umsiedelungspolitik. Für Frauen und Mädchen ist die Lage besonders dramatisch: Nahezu täglich dokumentieren Menschenrechtsorganisationen inzwischen Vergewaltigungen, sexuelle Gewalt, Entführungen, Lösegelderpressungen und gezielte Ermordung von Frauen. Efrîn steht als Beispiel für die Folgen der langfristigen Besetzung durch die türkische Armee und ihre Söldner.

Kundgebung in Freiburg

Den Aktionstag für Efrîn hatten insgesamt fünfzig kurdische Parteien und Organisationen zusammen mit dem europaweiten Bündnis „Demokratische Kräftevereinigung” (tr. Demokratik Güç Birliği) initiiert. Damit soll nicht nur auf die Invasion aufmerksam gemacht und deren Ende eingefordert werden. Die Organisationen wollen, dass die systematische geschlechtsspezifische Gewalt als Mittel der Kriegsführung und Besatzung in Efrîn sichtbar wird und der Feminizid auf der gleichen Ebene wie Genozid bewertet wird. Als Hauptverantwortlichen für den Feminizid in Efrîn, der nicht allein physische Angriffe beinhaltet, sondern auch soziale, ideologische und psychologische Angriffe auf die Existenz, Identität und Würde von Frauen, wollen die kurdischen Organisationen, allen voran die Kurdische Frauenbewegung in Europa (TJK-E), den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan auf der Anklagebank in Den Haag sehen.

Demonstration in Oldenburg

Vor diesem Hintergrund wurde bei den heutigen Aktionen ein besonderes Augenmerk auf die Kampagne „100 Gründe, um den Diktator zu verurteilen” gelegt. Die von der TJK-E ins Leben gerufene Initiative zielt eben auf die internationale Anerkennung von Feminizid als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die Aburteilung Erdoğans vor dem Strafgerichtshof ab. Denn nach der Frauenbewegung war das Ziel der Besatzung Efrîns neben der Neuverteilung des Mittleren Ostens vor allem auch die Zerschlagung der organisierten Frauenstrukturen, die seit der Revolution in Rojava 2012 aufgebaut worden waren. Efrîn war der erste Kanton, der in den Umständen des arabischen Frühlings befreit wurde und derjenige Kanton, in dem die Frauenselbstorganisierung am stärksten fortgeschritten war. Auch die Frauenverteidigungseinheiten YPJ wurden in Efrîn gegründet. Die erste YPJ-Gefallene stammt übrigens ebenfalls aus der Stadt.

Bilder aus Frankfurt

In Deutschland gab es daher heute zahlreiche Aktionen. In Düsseldorf fand eine NRW-weite Demonstration statt, weitere Märsche gab es in Frankfurt und Oldenburg. In Hamburg, Berlin, Heilbronn, Mannheim, Stuttgart, München, Freiburg, Kiel, Saarbrücken und Hannover organisierten lokale kurdische und internationalistische Gruppen Kundgebungen, an denen auch viele Menschen aus linken Strukturen teilnahmen.

Bei Veranstaltungen in Frankreich wurden schwerpunktmäßig auch die Pariser Morde thematisiert.

Rennes

Am 9. Januar 2013 hatte ein türkischer Attentäter die kurdischen Revolutionärinnen Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez mitten in Paris erschossen. Obwohl die Verantwortung des türkischen Geheimdienstes MIT für den Dreifachmord von der kurdischen Frauenbewegung mit aufgefundenen Beweisen belegt worden ist und die Belege auch Eingang in die Akten der Polizei und die Anklageschrift gefunden haben, sind die Ermittlungen noch immer nicht abgeschlossen.

Marseille

Evry

In den Niederlanden wurde an drei Orten protestiert: Amsterdam, Den Haag und Arnhem.

Den Haag

Arnhem

Amsterdam

In Australien gab es Kundgebungen in Sydney und Melbourne.

Sydney

Melbourne

Auch in der Schweiz waren Menschen für Efrîn auf der Straße, so unter anderem in Basel.

In Italiens Hauptstadt Rom hatte das selbstverwaltete soziale Zentrum CSOA Forte Prenestino, das sich in einer besetzten Festung im Stadtteil Centocelle befindet, zu einer Open-Air-Veranstaltung eingeladen. Im Garten gab es zahlreiche Stände, bei denen Bücher, leckere Speisen und selbstgenähte Masken angeboten wurden.

Rom

In Limassol an der Südküste Zyperns fand ebenfalls eine Kundgebung statt.

Wie es aus Kreisen der kurdischen Frauenbewegung hieß, werden die Aktionen für Efrîn in der nächsten Zeit weiter ausgeweitet.