Wan: „Frauen werden auf die Straße gehen“

Rojbîn Bor aus dem Vorstand des Frauenvereins Star in Wan berichtet, dass allein im Februar sieben Frauen aus der Provinz von Männern ermordet wurden. „Dagegen werden wir am 8. März auf die Straße gehen“, erklärt die Aktivistin.

Trotz der seit Jahren andauernden Versammlungsverbote werden die Frauen den 8. März auch in der kurdischen Metropole Wan (tr. Van) feiern, kündigt Rojbîn Bor aus dem Vorstand des Frauenvereins Star an. Die Vorbereitungen für die Kundgebungen und Aktionen in Wan laufen auf Hochtouren. Gemeinsam bereiten die Frauenbewegung TJA, der HDP-Frauenrat und der Frauenverein Star Aktionen und Proteste vor. Die Anmeldung einer Großkundgebung wurde bisher vom Gouverneur nicht beantwortet. Im ANF-Gespräch erzählt Rojbîn Bor über die Vorbereitungen zum 8. März und die Situation von Frauen in Wan.


Das Land hat sich in einen riesigen Frauenfriedhof verwandelt“

Bor spricht davon, dass die Politik der Straflosigkeit gegenüber patriarchaler Gewalt die Täter noch weiter ermutigt habe und führt aus: „Im Jahr 2020 wurden 300 Frauen in der Türkei ermordet. Bei 182 Frauen sind die Hintergründe der Morde nicht bekannt. Im letzten Monat sind in Wan sieben Frauen unter verdächtigen Umständen ums Leben gekommen. Wir glauben, dass die Morde an Frauen politisch sind. Es handelt sich um einen Feminizid. Das Land hat sich in einen riesigen Frauenfriedhof verwandelt.“

Die Täter fürchten sich nicht vor der Justiz“

Bor berichtet, dass sich die Mörder hinstellen können und sagen: „Ich gehe zwei, drei Monate in den Knast, dann bin ich wieder frei“. Sie spricht von einer Politik des „Spezialkriegs“ in Kurdistan. Insbesondere weist sie auf die Vergewaltigungen durch die Armee hin und den Fall des Unteroffiziers Musa Orhan, dem Mehrfachvergewaltiger der jungen Kurdin Ipek Er. Während sich Ipek Er das Leben nahm, wurde Orhan wieder auf freien Fuß gesetzt. Bor sagt: „Das Verfahren um Musa Orhan ist Ausdruck dieser Politik. Er hatte bereits in Telefongesprächen und Nachrichten gesagt: ‚Mir wird nichts passieren‘.“

Das größte Hindernis ist der Staat“

Bor spricht von der Bedeutung der Frauenproteste zum 8. März: „Es ist sehr wertvoll für uns, mit Frauen zusammenzukommen und gemeinsam auf die Straße zu gehen. Das größte Hindernis dabei sind der Staat und seine Polizei. Mit der Pandemie hat die Gewalt gegen Frauen noch weiter zugenommen. Alle Fraueneinrichtungen wurden geschlossen oder von den Zwangsverwaltern beschlagnahmt. Unsere Frauenhäuser wurden geschlossen. Frauen sind körperlicher und psychischer Gewalt ausgesetzt. Der Frauenverein Star kämpft dafür, diese Situation zu verändern.“

Zur Repression sagt Bor: „ Wir können nicht öffentlich arbeiten, fast unsere ganze Arbeit wird als ‚Terrorismus‘ kriminalisiert. Wir wollen eine Pressekonferenz gegen Gewalt durchführen, aber unser Verein wird umstellt. Politik zu machen, ist nicht illegal. Unsere Satzung, unser Vorstand und unsere Arbeit sind vollkommen offen. Wir sind ein Verein, der gegen Gewalt an Frauen kämpft.“

Die Bedeutung der Istanbul-Konvention

Bor weist auf die Bedeutung der Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen vor Gewalt hin und sagt, dass es kein Wunder sei, dass der Anstieg von Gewalt und die Debatte um den Ausstieg aus dem Abkommen zusammenfallen. Während der Pandemie sei die Gewalt gegen Frauen um 1400 Prozent gestiegen, erklärt Bor und fährt fort: „Als das totalitäre Regime aufgebaut wurde, waren nur die kurdischen Frauen betroffen. Jetzt ist das aber auch in den Metropolen deutlich zu spüren. Deshalb treten wir für die Istanbul-Konvention ein. Wir organisieren den Widerstand.“

Wir werden den 8. März feiern“

Rojbîn Bor fügt an: „Die Pandemiebedingungen können ein Problem darstellen. Aber während die Pandemie als Vorwand genutzt wird, unsere Aktivitäten zu verbieten, veranstaltet die Regierung in knallvollen Sälen Feiern. Wir arbeiten weiterhin mit der TJA und dem HDP-Frauenrat zusammen. Wir werden auf jeden Fall am 8. März auf die Straße gehen.“