Semra Güzel nach Kandıra verlegt

Die in der Türkei inhaftierte HDP-Abgeordnete Semra Güzel ist aus Silivri in das Hochsicherheitsgefängnis Kandıra bei Kocaeli verlegt worden. Dort sind zahlreiche prominente Politikerinnen der Partei seit Jahren in Geiselhaft.

Die inhaftierte HDP-Abgeordnete Semra Güzel ist in die Hochsicherheitsstrafvollzugsanstalt Kocaeli im Nordwesten der Türkei verlegt worden. Das teilte das Verteidigungsteam der 38-Jährigen am Freitag mit. Zuvor befand sich die Politikerin im Strafvollzugskomplex in Silivri westlich von Istanbul. Das Internierungslager für Oppositionelle gilt als größtes Gefängnis in Europa und ist berüchtigt für Übergriffe, Schikanen und Gewalt. Im September wurde es umbenannt in „Campus der Strafvollzugsanstalten Marmara“.

Semra Güzel wurde am 3. September unter dem Vorwurf, Mitglied einer „terroristischen Organisation“ – gemeint ist die PKK – zu sein, verhaftet. Bei ihrer Festnahme einen Tag zuvor in Istanbul, die von regierungsnahen Medien begleitet worden war, wurde sie von der Polizei misshandelt. In martialisch präsentierten Videobeiträgen war zu sehen, dass zwei Beamtinnen der Antiterroreinheiten der mit den Händen hinter dem Rücken gefesselten Parlamentsabgeordneten auf dem Weg zur obligatorischen Gesundheitskontrolle an den Haaren zerrten und versuchten, ihren Kopf niederzudrücken. Die HDP hatte das als „Folter“ bezeichnet. Es sei ein erbärmlicher Versuch eines für seine Verbindungen zum organisierten Verbrechen bekannten Ministers, die Politikerin durch eine erzwungene Beugung ihres Haupts erniedrigen zu wollen.

Vorwurf: Terrorismus und Landesverrat

Die ausgebildete Humanmedizinerin Semra Güzel war 2018 als Kandidatin der HDP für den Wahlkreis Amed (tr. Diyarbakır) in die türkische Nationalversammlung gewählt worden. Vergangenen März wurde ihre parlamentarische Immunität in einem für türkische Verhältnisse ungewöhnlich schnellen Verfahren aufgehoben. Grundlage waren zwei staatsanwaltschaftliche Voruntersuchungsberichte, die kurz zuvor dem Justizministerium vorgelegt worden waren. Ausgangspunkt der darin erhobenen Vorwürfe (darunter auch Landesverrat), die auch Grundlage des Strafverfahrens gegen die 38-Jährige sind, sind Fotos, die sie mit ihrem ehemaligen Verlobten zeigen. Dabei handelt es sich um den Guerillakämpfer Volkan Bora (Koçero Meletî), der 2017 bei Luftangriffen in Semûr (Adıyaman) ums Leben kam. Die Aufnahmen waren 2014 in einem südkurdischen Guerillacamp entstanden, als eine Delegation der HDP im Rahmen des Friedensprozesses mit staatlichem Wissen die PKK besuchte, um weitere Schritte zur Deeskalation zu besprechen.

Isolationshaft in Silivri

Ihre Haft in Silivri verbrachte Semra Güzel in einer Einzelzelle. 23 Stunden am Tag verbrachte sie in vollkommener Isolation in einer kleinen Zelle, auch den Hofgang durfte sie während dieser Zeit nur alleine machen. Die Politikerin hatte zwar mehrere Anträge auf Unterbringung in einer Gemeinschaftszelle gestellt, doch die Vollzugsleitung blockte ab. Die HDP geht davon aus, dass die Isolationshaft vom türkischen Innenminister höchstpersönlich angeordnet wurde.

Prominente Politikerinnen in Kandıra inhaftiert

In der Hochsicherheitsstrafvollzugsanstalt Kocaeli, die sich im Kreis Kandıra befindet, sind zahlreiche HDP-Mitglieder inhaftiert. Unter ihnen befinden sich auch prominente Persönlichkeiten, darunter die frühere Parteivorsitzende Figen Yüksekdağ, die ehemaligen Parlamentsabgeordneten Sebahat Tuncel, Gültan Kışanak, Çağlar Demirel und Aysel Tuğluk, deren Haftentlassung trotz schwerer Demenzerkrankung verweigert wird. Auch die Ex-Parlamentarierin Gülser Yıldırım sitzt in Kocaeli. Sie hätte im Juni eigentlich entlassen werden sollen, da sie ihre Haftstrafe zu dem Zeitpunkt bereits abgesessen hatte. Das ist bisher aber noch nicht geschehen. Eine Begründung für die verweigerte Freilassung liegt ebenso wenig vor wie eine juristische Grundlage für die Fortsetzung der Haft. Yıldırıms Verteidigung hat im September eine Beschwerde beim Rat der Richter und Staatsanwälte (HSK) eingereicht, die Antwort steht noch aus.