Prozessauftakt gegen Varisheh Moradi erneut verschoben

Der Prozess gegen die in Iran inhaftierte Kurdin Varishe Moradi verzögert sich ein weiteres Mal. Den vorherigen Termin hatte sie selbst platzen lassen, weil sie gegen die Todesstrafe gegen Pakhshan Azizi und Sharifeh Mohammadi protestierte.

Angeklagt wegen KJAR-Zugehörigkeit

Im Prozess gegen Varishe Moradi kommt es zu weiteren Verzögerungen. Der zuständige Richter Abolghassem Salawati habe beschlossen, den für den gestrigen Donnerstag vorgesehenen Prozessauftakt zu verschieben, erfuhr das Kurdistan Human Rights Network (KHRN). Begründet wurde die Verschiebung danach damit, dass einer der Staatsanwälte und ein vom Gericht berufener Experte abwesend seien. Einen neuen Termin setzte Salawati, der auch „Richter des Todes“ und „Hinrichtungsrichter“ genannt wird und Leiter der Abteilung 15 der islamischen Revolutionsgerichte ist, nicht fest.

Varishe Moradi (andere Schreibweise Warisheh), auch bekannt als Ciwana Sine, war am 1. August 2023 im Zuge einer Polizeikontrolle in der Nähe ihrer Geburtsstadt Sine (Sanandadsch) festgenommen und an einen unbekannten Ort gebracht worden. Irans Regime-Justiz beschuldigt sie der „Feindschaft zu Gott“ und „bewaffneter Rebellion gegen den Staat“. Die Vorwürfe stehen im Zusammenhang mit Moradis Mitgliedschaft in der KJAR, dem Dachverband der kurdischen Frauenbewegung in Iran, und ihres Engagements für frauenpolitische und feministische Themen. Teheran sieht in der KJAR eine „separatistische Terrororganisation“, weil sie Teil der Partei für ein freies Leben in Kurdistan (PJAK) sein soll.

Varisheh Moradi

Brutal gefoltert, misshandelt und verhört

Nach Moradis Verschleppung war ihr Aufenthaltsort monatelang unklar. Erst durch Recherchen des KHRN wurde bekannt, dass die Aktivistin nach ihrer Festnahme zunächst wochenlang vom iranischen Geheimdienst in Sine brutal gefoltert, misshandelt und verhört worden war, bis sie Ende August nach Teheran überführt wurde. Dort hielt man sie über Monate im berüchtigten Hochsicherheitstrakt 209 des Evin-Gefängnisses fest – ebenfalls unter Folter und Misshandlungen mit dem Ziel, sie zu brechen oder ein Geständnis von ihr zu erzwingen. Seit Anfang Januar befindet sich Moradi in der Frauenabteilung der Haftanstalt. Zugang zu einem Rechtsbeistand wird ihr die meiste Zeit verwehrt.

Prozessauftakt bereits vorher verschoben

Der Beginn des Prozesses gegen Varisheh Moradi wird nicht zum ersten Mal verschoben. Schon der im April geplante Auftakt war verlegt worden, weil ein Richter abwesend war. Der Folgetermin Anfang August fand nicht statt, weil Moradi sich weigerte, an der Verhandlung teilzunehmen. Die Aktivistin protestierte damit gegen die Todesurteile gegen die kurdische Sozialarbeiterin Pakhshan Azizi und die iranische Arbeitsrechtlerin Sharifeh Mohammadi. In einem Brief, der vom KHRN ins Englische übersetzt wurde, schrieb Moradi zu ihren Beweggründen:

„Ein Gericht, das keine fairen Urteile fällt, erkenne ich ohnehin nicht an“

„Die ungerechten Todesurteile gegen Sharifeh Mohammadi und Pakhshan Azizi sind das Eingeständnis der politischen Unwirksamkeit und Hilflosigkeit der Islamischen Republik. Das Vortäuschen von Stärke, die Panikmache und die Ausweitung der Repressionen gegen die Revolution ‚Jin Jiyan Azadî‘ – auch durch die neue Regierung – sind nichts als eine leere Illusion. Ich werde des ‚bewaffneten Aufstands‘ beschuldigt, weil ich eine Frau und Kurdin bin und in Freiheit leben möchte. Jetzt, nach einem Jahr Untersuchungshaft, warte ich auf den nächsten Termin für meinen Prozess in der Abteilung 15 des Islamischen Revolutionsgerichts unter dem Vorsitz von Richter Salawati. Obwohl ich weiß, dass mein Fernbleiben als Weigerung, mich zu verteidigen, ausgelegt werden könnte, werde ich aus Protest gegen die Todesurteile gegen meine Freundinnen Sharifeh Mohammadi und Pakhshan Azizi nicht vor Gericht erscheinen. Ein Gericht, das keine fairen Urteile fällt, erkenne ich ohnehin nicht an.“

Titelfoto: Protest in Brüssel gegen Todesstrafen in Iran © Shnoyi Mendan