Mahnwache gegen Entlassungen per Notstandsdekret
Die Plattform der Ortsverbände der KESK-Gewerkschaften in Amed (tr. Diyarbakır) hat am Samstag zum 128. Mal eine Mahnwache gegen die Entlassungen per Notstandsdekret (KHK) abgehalten. Im Zentrum der dieswöchigen Aktion stand das Gedenken an den Gewerkschafter Ahmet Çoban, der nach schwerer Krankheit im Jahr 2019 verstarb – und erst posthum in seinen Dienst zurückversetzt wurde.
Die Protestaktion fand wie gewohnt vor dem AZC Plaza statt. Unter dem Motto „Die KHKs werden gehen, wir bleiben“ forderten die Teilnehmenden erneut die sofortige Rücknahme aller willkürlichen Entlassungen im öffentlichen Dienst. Der Erlass KHK, das für „Kanun Hükmünde Kararname“, zu Deutsch „Notstandsdekret mit Gesetzeskraft“ steht, war nach dem vermeintlichen Putschversuch 2016 eingeführt worden. Er machte Massenentlassungen von Staatsbediensteten möglich, die Verbindungen zu „illegalen Organisationen“ gehabt haben sollen. Am Ende der von Staatschef Recep Tayyip Erdoğan angeordneten Säuberungswelle waren weit mehr als 120.000 Menschen ihren Job los.
„Erst nach dem Tod rehabilitiert“
In einer bewegenden Rede erinnerte Süleyman Öğüt, Ko-Vorsitzender der Amed-Sektion der Gewerkschaft der Büroangestellten (BES), an das Leben und Wirken Ahmet Çobans. Dieser war langjähriges Mitglied der Gewerkschaftsbewegung und Mitbegründer von Maliye Sen, die später in BES aufging. Über Jahre hinweg war Çoban im Dachverband KESK aktiv und bekleidete verschiedene Gremienpositionen.
Vermutlich wegen seines unermüdlichen Einsatzes für Arbeitnehmerrechte wurde Ahmet Çoban 2016 per KHK aus dem öffentlichen Dienst entlassen – ein Schlag, den er gesundheitlich nicht überwand. Er starb im April 2019 an Krebs. Erst dreieinhalb Jahre nach seiner Entlassung, so Öğüt, wurde er durch einen Beschluss der sogenannten OHAL-Kommission rehabilitiert und in seinen früheren Dienst zurückversetzt – posthum.
„Ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit“
Öğüt übte scharfe Kritik an der Regierung und den zuständigen Gremien: „Wie will die Regierung – oder die von ihr eingesetzte Kommission – diesen Vorgang rechtlich und moralisch verantworten?“, fragte er.
Zählt man die Familien der Beamt:innen hinzu, seien hunderttausende Menschen in der Türkei durch willkürliche Entlassungen entrechtet, ihrer Existenz beraubt und in Armut gedrängt worden – mit dem Ziel, sie zum Schweigen zu bringen. Diese Praxis, so Öğüt weiter, sei nicht nur verfassungswidrig, sondern ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Auch die Mitglieder der OHAL-Kommission trügen Mitverantwortung.
„Der Gewerkschaftsbund KESK fordert die vollständige Rehabilitierung aller zu Unrecht entlassenen Staatsbediensteten und eine Entschädigung für die materiellen und immateriellen Schäden, die ihnen und ihren Familien entstanden sind“, betonte Öğüt.