Aufruf zur Menschenkette am 24. April in Hatay
Angesichts der Massaker an der alawitischen Bevölkerung in Syrien hat sich in der Türkei unter der Führung alevitischer Frauen die „Fraueninitiative für Syrien“ gegründet. Ziel der Initiative ist es, auf die Verbrechen an Frauen aufmerksam zu machen und öffentlich Druck gegen die andauernde Gewalt auszuüben. Ein erster Höhepunkt ist für den 24. April geplant: In der südtürkischen Provinz Hatay soll eine Menschenkette entlang der syrischen Grenze gebildet werden.
Laut Kadriye Doğan, Ko-Vorsitzende des Verbands der Demokratischen Aleviten-Vereine (DAD), richtet sich die Initiative gegen gezielte Angriffe auf Alawit:innen, insbesondere Frauen, durch Dschihadistenmilizen, die unter der Schirmherrschaft der von der Türkei unterstützten syrischen Übergangsregierung agieren. Zu den Akteuren gehören unter anderem der Al-Qaida-Ableger „Hayat Tahrir al-Sham (HTS) sowie die sogenannte „Syrische Nationalarmee“ (SNA).
Doğan verwies auf Zahlen von Menschenrechtsorganisationen, denen zufolge allein im zurückliegenden Monat in den Städten Latakia, Daraa, Homs und Tartus Tausende Alawit:innen getötet und viele weitere verschleppt oder zur Flucht gezwungen. Besonders alarmierend sei die systematische Gewalt gegen Frauen, darunter Vergewaltigungen, Folter und Entführungen. Diese Taten erinnerten an die Gräueltaten der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) an Ezid:innen im Jahr 2014.
Ein Bündnis gegen das Schweigen
„Während Alaw:tinnen und andere Minderheiten in Syrien systematisch aus der Gesellschaft gedrängt oder ausgelöscht werden, herrscht vonseiten der internationalen Gemeinschaft bedrückendes Schweigen“, kritisierte Doğan. Auch innerhalb der syrischen Übergangsregierung seien Minderheiten wie Alawit:innen, Drus:innen, Kurd:innen oder Christ:innen nicht vertreten. Sogar säkular eingestellte Araber:innen fänden dort keinen Platz, so Doğan.
Die „Fraueninitiative für Syrien“ versteht sich als Antwort auf diese Entwicklungen. Sie wurde auf Initiative alevitischer Frauen gegründet, ist aber bewusst interkulturell und überkonfessionell angelegt. Mehr als 100 Organisationen haben sich der Initiative bislang angeschlossen. Gemeinsames Ziel sei es, gegen die Gewalt an Frauen und Minderheiten einzutreten und internationale Aufmerksamkeit auf das Geschehen zu lenken.
Aktionen und Forderungen
Ein zentrales Vorhaben der Initiative ist die symbolische Menschenkette am 24. April in Samandağ bei Hatay, nahe der syrischen Grenze. „Wir wollen mit unseren Körpern eine Friedensmauer bauen – eine Mauer aus Solidarität, Hoffnung und Widerstand gegen das Schweigen“, erklärte Doğan. Die Aktion richte sich nicht nur gegen das Unrecht in Syrien, sondern auch gegen die Gleichgültigkeit in der Region und weltweit.
Die Initiative fordert unter anderem:
▪ Die internationale Ächtung der Gewalt gegen Frauen und ethnische Minderheiten in Syrien,
▪ die strafrechtliche Verfolgung von HTS-Chef und Übergangspräsident Abu Muhammad al-Dschaulani bzw. Ahmed al-Scharaa wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit,
▪ und konkrete Schutzmaßnahmen für bedrohte Bevölkerungsgruppen in den betroffenen Regionen.
„Das Jahrhundert der Frauen hat begonnen“
Kadriye Doğan betonte, dass der Einsatz der Initiative weit über Syrien hinausweise: „Dieses Jahrhundert gehört den Frauen. Der Aufbau einer gerechten, gleichberechtigten und friedlichen Gesellschaft beginnt dort, wo Frauen gemeinsam handeln – jenseits von Grenzen, Religionen oder Ethnien.“ Die Initiative sei ein Versuch, aus Schmerz und Wut Kraft und Handlungsmacht zu schöpfen.
„Wir rufen alle Frauen auf, sich uns anzuschließen“, so Doğan abschließend. „Ob aus der Türkei, Kurdistan oder anderswo – lasst uns am 24. April gemeinsam ein Zeichen setzen: für Frieden, für Menschlichkeit, für die Frauen in Syrien und für uns alle.“
Anmerkung: Im Türkischen gibt es keine sprachliche Unterscheidung zwischen „Alevitentum“ und „Alawitentum“, beides sind jedoch zwei verschiedene Religionsgemeinschaften.
Foto: Kundgebung der Frauenplattform Mersin am 15. April 2025 gegen die Gewalt an alawitischen Frauen in Syrien © MA