Trotz Massakern: EU hält an Sanktionslockerungen für Syrien fest

Die Europäische Union hält trotz der Massaker an alawitischen Zivilist:innen in Syrien an ihren Plänen zur Aufhebung von Sanktionen gegen das Land fest. Die deutsche Außenministerin Baerbock kündigte zusätzliche 300 Millionen Euro für Syrien an.

Deutschland gibt weitere 300 Millionen für Syrien-Hilfe

Die Europäische Union will trotz der Massaker an Zivilist:innen in Syrien an ihren Plänen zur Aufhebung von Sanktionen gegen das Land festhalten. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas sagte nach Beratungen mit den Außenminister:innen der Mitgliedstaaten in Brüssel, wenn man weitere Gewalt verhindern wolle, müsse man den Menschen in Syrien Hoffnung geben. Durch den Zugang zu Bankdienstleistungen seien beispielsweise Investitionen und die Auszahlung von Gehältern möglich, so Kallas. Die EU beobachte den Kurs der neuen syrischen Führung dennoch genau. Dabei gehe es insbesondere auch darum, wie Damaskus auf die Massaker an der Küste im Westen des Landes reagiere und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehe, fügte sie hinzu.

SOHR: Über 1.500 Tote bei Massakern

Sogenannte Sicherheitskräfte der Übergangsregierung des selbsternannten Übergangspräsidenten Ahmed al-Schara, dem Gründer des Al-Qaida-Ablegers „Hayat Tahrir al-Sham“ (HTS), hatten in den vergangenen Wochen nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) bei Massakern in Latakia, Tartus, Hama und Homs mehr als 1.500 Menschen getötet. Die meisten der Opfer waren Angehörige der alawitischen Minderheit. Die Führung in Damaskus relativierte das Massenmorden mit einer „Militäroperation“ gegen Überreste des unter HTS-Führung im Dezember vergangenen Jahres gestürzten Regimes von Langzeitherrscher Baschar al-Assad. Angeblich hätten Assad-Loyalisten versucht, das Land in einen neuen Bürgerkrieg zu stürzen.

Während die Außenminister:innen in Brüssel tagten, fand vor dem Europäischen Parlament eine vom kurdischen Dachverband Nav-Bel, dem Sozialistischen Frauenrat, verschiedenen alevitischen und alawitischen Verbänden und dem europaweiten Dachverband der Suryoye (ESU) veranstaltete Kundgebung statt. Die Protestierenden verurteilten die Massaker an Syriens Küste und forderten die EU auf, Druck auf die neuen Herrscher in Damaskus auszuüben und Schutzmechanismen für die von einem Genozid bedrohte alawitische Bevölkerung zu implementieren.


Baerbock kündigt zusätzliche 300 Millionen Euro für Syrien an

Die EU-Staaten hatten nach dem Sturz von Assad erst im Februar eine schrittweise Lockerung der Syrien-Sanktionen beschlossen. Aufgehoben werden Maßnahmen im Energie-, Transport- und Bankensektor, um eine schnelle wirtschaftliche Erholung, den Wiederaufbau und die Stabilisierung des Landes zu unterstützen. Um Mittel für die notleidende Bevölkerung in Syrien und Syrien-Flüchtlinge in der Region zu mobilisieren, wurde am Montag nach dem Treffen der Außenminister:innen auch eine Geberkonferenz organisiert. Deutschland sagte dabei weitere 300 Millionen Euro zu, um die „katastrophalen Folgen des Bürgerkriegs“ abzumildern.

Baerbock: Wiederaufbau Syriens „eine Mammutaufgabe“

Nach Angaben von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und Entwicklungsministerin Svenja Schulze soll das Geld vor allem für humanitäre Hilfe, aber auch zur Unterstützung der Zivilgesellschaft und des Bildungssystems verwendet werden. Auch würden syrische Flüchtlinge und Aufnahmegemeinden in Jordanien, Libanon, Irak und der Türkei unterstützt. Der friedliche Wiederaufbau des Landes sei „eine Mammutaufgabe“, sagte Baerbock. Überwiesen werde das Geld ausschließlich an UN-Hilfswerke und NGOs und nicht an die islamistische Übergangsregierung, hieß es.