Tausende Frauen fordern in Amed Frieden und Freiheit für Abdullah Öcalan

In Amed haben Tausende Frauen ein klares Zeichen für Frieden, Gerechtigkeit und die Freilassung von Abdullah Öcalan gesetzt. Sie forderten eine gleichberechtigte, demokratische Gesellschaft und eine zentrale Rolle von Frauen im politischen Lösungsprozess.

„Edî besê – Es reicht“

Unter dem Motto „Für gesellschaftlichen Frieden und eine demokratische Lösung“ versammelten sich am Samstag Tausende Frauen aus verschiedenen Teilen der Türkei und Kurdistans in der kurdischen Metropole Amed (tr. Diyarbakır). Die Demonstration wurde von der Bewegung freier Frauen (TJA) organisiert und begann im Şemse-Allak-Park. Ziel war das Ulu-Camii-Viertel in der historischen Altstadt von Sûr.

Begleitet von Parolen wie „Jin, Jiyan, Azadî – Frau, Leben, Freiheit“ und Transparenten, die Gleichheit, Frieden und Geschlechtergerechtigkeit einforderten, richtete sich der Protest gegen patriarchale und militaristische Strukturen sowie gegen die aktuelle Kriminalisierung kurdischer Politik. Viele Teilnehmerinnen trugen weiße Tücher als Symbol des Friedens. Auch Fotos von verschwundenen und ermordeten Frauen wie Gülistan Doku und Narin Güran wurden mitgeführt.


„Wir brauchen Frieden“

Im Zentrum der Forderungen stand der Appell an die türkische Regierung, Schritte in Richtung eines nachhaltigen Friedens einzuleiten. In einer Erklärung, verlesen von Xece Şahin, betonten die Organisatorinnen die Bedeutung des von Abdullah Öcalan Ende Februar veröffentlichten Aufrufs für Frieden und eine demokratische Gesellschaft, dem auch die Selbstauflösungserklärung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vor einigen Wochen folgte.

„Mit diesem historischen Schritt ist ein neuer Weg für eine demokratische Lösung der kurdischen Frage eröffnet worden“, hieß es. Die TJA sei entschlossen, diesen Prozess aktiv zu begleiten und nicht dem männlich dominierten Staatsapparat zu überlassen: „Wir werden nicht zulassen, dass dieser Moment durch mediale Desinformation und politisches Kalkül entwertet wird.“

Freilassung Öcalans und politische Reformen

Die Bewegung forderte konkret die Freilassung von Abdullah Öcalan als Voraussetzung für ernsthafte Friedensverhandlungen und eine umfassende rechtliche Anerkennung kurdischer Identität, Sprache und Kultur durch Verfassungsreformen. Auch der Rückzug der staatlichen Zwangsverwaltung in von der DEM-Partei gewonnenen Kommunen wurde verlangt.

Weitere Kernforderungen:

▪ Die Einrichtung von Wahrheits- und Versöhnungskommissionen zur Aufarbeitung vergangener Menschenrechtsverletzungen.

▪ Eine vollständige Entmilitarisierung der Sprache und der öffentlichen Politik.

▪ Gleichberechtigung von Frauen in allen Gesetzes- und Entscheidungsprozessen.

▪ Verankerung der Muttersprache im öffentlichen Leben und im Bildungswesen.

▪ Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt und institutionalisierte Maßnahmen gegen geschlechtsspezifische Gewalt.

Initiative Ich brauche Frieden: „Edî besê – Es reicht“

Auch die zivilgesellschaftliche Initiative „Ich brauche Frieden“ meldete sich bei der Abschlusskundgebung zu Wort. Sprecherin Selin Top kritisierte das anhaltende Schweigen des Staates gegenüber den politischen Entwicklungen: „Während die kurdische Seite konkrete Schritte unternimmt, bleibt die Regierung passiv. Statt Reformen erleben wir weiterhin Festnahmen, Militäroperationen und staatliche Repression.“

Weiter betonte Top: „Der Staat spricht von Geschwisterlichkeit. Wir fragen: Werden Kurd:innen gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger sein? Wird es ein friedliches Miteinander geben?“

Sie rief zur sofortigen Freilassung politischer Gefangener, der Abschaffung der Antiterrorgesetze (TMK) und der Rückgabe aller zwangsverwalteten Kommunalverwaltungen auf. „Wir kämpfen für eine gleichberechtigte und freie Welt – und wir werden sie gemeinsam aufbauen“, so Top.

Tülay Hatimoğulları: „Frieden braucht uns Frauen“

Höhepunkt der Abschlusskundgebung war die Rede von Tülay Hatimoğulları, Ko-Vorsitzende der DEM-Partei. Sie betonte, dass Frauen nicht Zuschauerinnen, sondern aktive Gestalterinnen eines künftigen Friedens seien: „Wir sind hier, um den Frieden mit weiblicher Stimme lautstark einzufordern. Wir Frauen sind nicht das Beiwerk eines Friedensprozesses – wir sind sein Fundament. Die jüngsten Entwicklungen, einschließlich des Friedensaufrufs von Herrn Öcalan und der Selbstauflösungserklärung der PKK, sind ein historischer Moment, den wir als Frauenbewegung mittragen und stärken werden.“

Hatimoğulları erinnerte daran, dass Frauen in Kriegen und Konflikten zu den am stärksten betroffenen Gruppen gehören – von sexualisierter Gewalt über Vertreibung bis hin zur Entrechtung. Sie kritisierte, dass Frauen, die für Frieden und Gleichstellung eintreten, häufig kriminalisiert werden. „Uns wurde das Etikett ‚Terroristinnen‘ angeheftet, nur weil wir uns gegen Gewalt, für die Istanbul-Konvention und für gesetzlich verankerte Rechte ausgesprochen haben.“

Die DEM-Vorsitzende forderte die Einrichtung einer parlamentsübergreifenden Friedenskommission, in der Frauen eine tragende Rolle spielen müssten – aus allen sozialen, ethnischen und politischen Lagern. „Frieden kann nicht vom Staat allein verordnet werden. Er muss in der Gesellschaft verankert und von ihr getragen werden. Und dazu sind wir bereit: unsere Ideen, unsere Erfahrungen und unsere Organisierung einzubringen.“

Auch Hatimoğulları bekräftigte die Forderung nach einer sofortigen Freilassung von Abdullah Öcalan. Nur mit seiner aktiven Beteiligung könne der Prozess glaubwürdig und nachhaltig gestaltet werden. Hatimoğulları betonte: „Wenn wir einen dauerhaften und gerechten Frieden wollen, dann braucht es die rechtlichen und physischen Voraussetzungen, dass Herr Öcalan frei arbeiten kann. Auch er hat seine Grüße und seinen Willen zum Frieden übermittelt – wir senden unsere Solidarität von diesem Platz lautstark zurück!“

Weitere Aktionen geplant

Die Organisatorinnen kündigten an, auch künftig für Frieden, demokratische Rechte und geschlechtergerechte Teilhabe im öffentlichen Leben einzutreten. Die Demonstration in Amed sei dabei ein kraftvolles Signal gewesen: „Wir Frauen sind nicht nur Betroffene, sondern Akteurinnen eines neuen sozialen Gesellschaftsvertrags“, hieß es zum Ende.