Die in der Türkei unter Terrorvorwürfen inhaftierte kurdische Politikerin Semra Güzel wird erneut angeklagt – dieses Mal der vermeintlichen Urkundenfälschung. Die Oberstaatsanwaltschaft Istanbul wirft der 38-Jährigen den Gebrauch eines unechten Ausweispapiers vor. Wie es heißt, sei das Dokument bereits vor rund sechs Monaten während der Festnahme Güzels von der Istanbuler Polizei aufgefunden worden. Sollte die Politikerin verurteilt werden, droht ihr eine Freiheitsstrafe zwischen drei und siebeneinhalb Jahren.
Semra Güzel befindet sich seit Anfang September in Untersuchungshaft. Die frühere Abgeordnete der Demokratischen Partei der Völker (HDP) wird beschuldigt, zur „Hierarchie“ der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu gehören. Die Anklage stützt sich im Wesentlichen auf die Aussagen eines anonym gehaltenen „Belastungszeugen“ sowie Fotos, die Güzel mit ihrem ehemaligen Verlobten zeigen. Es handelt sich um einen Guerillakämpfer, der 2017 bei einem türkischen Luftangriff getötet wurde. Die Aufnahmen entstanden 2014 in einem Guerillacamp in Südkurdistan, als eine HDP-Delegation im Rahmen des Friedensprozesses mit staatlichem Wissen die PKK besuchte, um weitere Schritte zur Deeskalation zu besprechen. Im Dezember ist ihr im türkischen Parlament das Mandat entzogen worden. Der Prozess gegen sie ist in Ankara anhängig.
Die Anklageschrift im sogenannten Betrugsverfahren gegen Güzel, die ausgebildete Humanmedizinerin ist, wurde formell noch nicht angenommen. Ein Gericht in Istanbul gab die Sache wegen ortsbezogener Nichtzuständigkeit Anfang der Woche an eine Strafkammer in Ankara ab. Diese hat über die Annahme der Anklage bislang noch nicht entschieden. Es gilt jedoch als wahrscheinlich, dass das Verfahren zugelassen wird.