Kundgebung in Hamburg: Warum fürchtet ihr unsere Haare?

Vor dem iranischen Konsulat in Hamburg haben Frauen gegen den Mord an der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini nach ihrer Festnahme durch die Sittenpolizei in Teheran protestiert.

Mitglieder verschiedener Frauenorganisation, darunter der Frauenrat Rojbîn, Gemeinsam Kämpfen, Yeni Kadin, Zora und des ostkurdischen Frauenverbands KJAR kamen am heutigen Dienstag vor dem iranischen Konsulat in der Bebelallee in Hamburg zusammen, um gegen den Mord an Jina Mahsa Amini zu protestieren. Die Frauen und weitere solidarische Menschen beschuldigten den iranischen Staat, Jina Mahsa Amini zu Tode gefoltert zu haben.

„Wir verurteilen diesen Mord voller Wut und Abscheu“, so eine Sprecherin des Frauenrates Rojbîn, Feminizide würden durch die Scharia legitimiert. Die einzige Möglichkeit, die systematischen Morde an Frauen zu verhindern, bestehe darin, den gemeinsamen Kampf von Frauen zu entwickeln.

Die Aktivistinnen kritisierten auch die Berichterstattung über den Mord in den deutschen Medien. Diese würden die kurdische Identität von Jina Mahsa Amini nicht benennen und zwar den Slogan „Jin Jiyan Azadî“ (Frau Leben Freiheit) aufgreifen, aber nicht deutlich machen, dass hinter dieser Parole die kurdische Frauenbewegung und damit der Befreiungskampf der PKK stehe.

In einem Redebeitrag wurde auch das Schicksal der Kurdin Zeynab Jalalian angesprochen, die seit 2008 in Iran inhaftiert ist und noch nie von ihrer Mutter besucht werden konnte. Seit nunmehr neun Monaten gibt es kein Lebenszeichen von ihr. Auch der Fall der Armenierin Anush Abetyan wurde benannt, die von aserbeidschanischen Soldaten gefangen genommen, vergewaltigt, gefoltert und ermordet wurde.

Vor dem Konsulat befestigten die Aktivistinnen Kopftücher, um zu zeigen, „dass sich Frauen nicht unter Zwang verhüllen lassen“. Eine Frau erklärte wütend am Mikrofon: „Warum habt ihr solche Angst vor unseren Haaren?“

Zum Abschluss der Kundgebung wurde erklärt, dass der Kampf gegen Feminizide weitergehen werde, bis alle Frauen selbstbestimmt leben können.

Proteste in Iran werden brutal niedergeschlagen

Nach Angaben von Kurdish Human Rights Network sind am Montag mindestens drei Menschen bei Protesten in den überwiegend kurdisch besiedelten Städten in Iran ums Leben gekommen, 85 Personen erlitten Verletzungen, darunter drei Minderjährige. Mindestens 200 Menschen wurden festgenommen, darunter auch viele Verletzte, deren Aufenthaltsort und Zustand unbekannt sei. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas, Wasserwerfer, Knüppel und Schrotmunition ein.

Die kurdische Menschenrechtsorganisation Hengaw berichtete von fünf Toten bei den Protesten am Montag. Es gebe Schwierigkeiten bei der Verifizierung, weil die Internetgeschwindigkeit stark gedrosselt worden sei und die Handynetze immer wieder abgeschaltet würden. In Irans Hauptstadt Teheran gab es ebenfalls Festnahmen bei den Protesten. Dort wurde unter anderem die bekannte Regisseurin und Frauenrechtsaktivistin Mahnaz Mohammadi in Gewahrsam genommen.

Politische und zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter die Partei für ein freies Leben in Kurdistan (PJAK), die Freiheits- und Demokratiebewegung KODAR und der Frauenverband KJAR, hatten für Montag einen Generalstreik proklamiert und die Öffentlichkeit dazu aufgerufen, unter der Losung „Jin, Jiyan, Azadî“ (Frauen, Leben, Freiheit) in allen Städten die Arbeit niederzulegen und Geschäfte zu schließen, um damit gegen einen „verbrecherischen Akt“ zu protestieren, der sich gegen alle Gesellschaften Irans und Ostkurdistans richtete.

Jina Mahsa Amini: Von der Sittenpolizei zu Tode geprügelt

Jina Mahsa Amini war vor einer Woche durch die Religionspolizei wegen ihres „unislamischen“ Outfits in Teheran festgenommen worden. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge soll die 22-Jährige ihren Hijab nicht regelkonform getragen haben. Sie sei deshalb auf eine Polizeiwache gebracht worden. Nach Polizeiangaben bekam sie dort „plötzlich Herzprobleme“ und fiel ins Koma. Aminis Familie und Augenzeuginnen, die ebenfalls auf die Dienststelle gebracht worden waren, wiesen diese Darstellung zurück und warfen der Polizei vor, die Kurdin geschlagen zu haben, was schließlich zum Tod führte. Von einer Hackergruppe geleakte und durch Iran International, einem Medium der iranischen Exil-Opposition, veröffentlichte Krankenhausakten mit CT-Aufnahmen, die von Jina Mahsa Amini sein sollen, bestätigen die Version, wonach die junge Frau durch massive Gewalteinwirkung auf den Kopf gestorben ist. Auch die Teheraner Klinik, in der Amini behandelt wurde, hatte nach ihrem Tod in einem inzwischen gelöschten Post bei Instagram geschrieben, dass sie bereits bei der Aufnahme am Dienstag hirntot gewesen sei.