Es besteht weiterhin akute Gefahr für Rojava V

Die christlichen Bevölkerungsgruppen in Nordostsyrien unterhalten eigene Militärverbände, um sich gegen den drohenden Völkermord im Zuge einer türkischen Invasion zu verteidigen.

Auch die Suryoye und die armenische Bevölkerung in der Autonomen Föderation Nord- und Ostsyrien verfügen über eigene Militärverbände. Nach der Revolution von Rojava wurden unter dem Dach der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) der Militärrat der Suryoye (MFS), die assyrischen Chabur-Wachen und das armenische Bataillon Nubar Ozanyan gegründet.

Der MFS-Sprecher Matay Hanna, der Kommandant der Chabur-Wachen, Nebil Werde, und der Kommandant des armenischen Bataillons, Monte Melkonyan, haben sich gegenüber ANF zu den Vorbereitungen auf mögliche türkische Invasionsangriffe geäußert.

Eine Gefahr für alle

Matay Hanna betont, dass die türkischen Invasionsdrohungen und Angriffe eine große Gefahr für das assyrische Volk darstellen: „Der türkische Staat will eine neue Militäroperation in der Region starten. Das birgt große Gefahren für die in der Region lebenden Völker, insbesondere für die Assyrer. Hier leben alle Bevölkerungsgruppen friedlich zusammen. Die Angriffsdrohungen gefährden das Leben aller Menschen. Es werden Fluchtbewegungen in Gang gesetzt und die Infrastruktur wird zerstört. Ähnliches haben wir bereits bei der Besetzung von Serêkaniyê und Girê Spî und der Unterbrechung der Wasserversorgung von Hesekê erlebt. Die Werte der Gesellschaft werden ins Visier genommen, einschließlich der Orte des Glaubens."


Wir werden die Invasoren nicht durchlassen

Die Vorbereitungen gegen mögliche Invasionsangriffe gehen weiter, erklärt Matay Hanna: „Als Militärrat der Suryoye verhalten wir uns angesichts einer möglichen Invasion aufmerksam und setzen unsere Vorbereitungen fort. Wenn der türkische Staat als Besatzungsmacht angreift, werden wir als Kämpferinnen und Kämpfer der Suryoye darauf reagieren. Wir werden den türkischen Besatzern nicht die Möglichkeit geben, weitere Teile von Nordostsyrien einzunehmen. Das werden wir nicht zulassen. Wir haben unsere militärischen Vorbereitungen zum Schutz unseres Volkes abgeschlossen. Als Militärrat der Suryoye werden wir gemeinsam mit den Demokratischen Kräften Syriens alle Völker Nordostsyriens schützen. Wir sind bereit, die Errungenschaften der autonomen Verwaltung zu verteidigen."

Assyrer und Aramäer sollen vertrieben werden

Der Kommandant der assyrischen Chabur-Wachen, Nebil Werde, weist darauf hin, dass die Invasionsdrohungen nicht neu sind: „Als der türkische Staat die IS-Banden in der Region angreifen ließ, bestand eine große Gefahr für das assyrische Volk. Die Bombardierung assyrischer Dörfer zielt darauf ab, unser Volk zu vertreiben. Diese Besatzungsdrohungen sind eine Gefahr für alle in Nordostsyrien lebenden Völker, so auch für die Assyrer und Aramäer."

Eine unumkehrbare Niederlage des türkischen Staates

Nabil Werde betont, dass es von entscheidender Bedeutung sei, sich gegen die Vernichtungsangriffe und Vertreibung zu wehren: „Wir müssen uns gegen die Angriffe der Besatzer wehren, um in dem Land zu bleiben, in dem unsere Vorfahren gelebt haben. Seit 1915 setzt der türkische Staat diese Politik der Angriffe, der Ausrottung und der Vertreibung bis heute fort. Die in diesen Regionen lebenden Assyrer haben geschworen, sich jeder Art von Besetzung zu widersetzen. Assyrische und aramäische Kräfte aus der Region sind unter dem Dach des QSD organisiert. Wir bereiten uns gemeinsam mit den QSD auf mögliche türkische Invasionsangriffe vor und werden uns ihnen entgegenstellen. Wer glaubt, dass der türkische Staat die Region einfach besetzen kann, unterliegt einer Illusion. Unsere Vorbereitungen sind umfassend. Der türkische Staat wird sehr enttäuscht sein und unumkehrbare Niederlagen erleiden. Wir werden bis zum letzten Tropfen unseres Blutes Widerstand leisten und unser Land schützen.


Strategische Feindschaft

Monte Melkonyan vom armenischen Bataillon Nubar Ozanyan weist auf die Ziele der türkischen Angriffe hin und sagt: „Die Feindschaft, der Krieg und die Ausrottungspolitik des türkischen Staates gegen Armenier und Kurden ist strategisch. Vom Komitee für Einheit und Fortschritt [Ittihad ve Terakki, treibende Kraft bei dem Völkermord an den Armenier:innen] über die Zeit der kemalistischen Regierung bis zum heutigen Tag besteht eine nicht enden wollende Feindschaft, die mit jedem Tag heftiger wird. Wir leben in einer Zeit, in der der türkische Staat seit dem 1. Juni 2022 seine Angriffe intensiviert hat. Diese Angriffe sind nicht auf Nordostsyrien beschränkt. Auch Armenier und Kurden im Nahen Osten und im Kaukasus sind von Ausrottungs- und Vernichtungsangriffen betroffen. Der Traum von der erzwungenen Türkisierung eines riesigen Gebietes geht weiter. Sie wollen heute den Völkermord vollenden, den sie in der Vergangenheit nicht abschließen konnten, sie wollen das ,turanische Ideal' verwirklichen. Die Strategie des Komitees für Einheit und Fortschritt wird heute fortgesetzt. Es soll eine homogene Türkei entstehen, indem die Armenier und Kurden ausgelöscht und vernichtet werden."

Die zu erwartende Verwüstung

Melkonyan betont, dass in den von der Besatzung bedrohten Regionen Frieden und Stabilität herrschen: „Die Menschen leben und arbeiten weiterhin in Sicherheit und Frieden. Sie halten ihre Bildung, Sprache und Kultur lebendig, entwickeln sich weiter und wachsen. Wie können Völker in Frieden und Sicherheit leben, wenn sie von Haubitzen- und Mörserangriffen und intensiver Aufklärung bedroht sind? Wenn die Angriffe des türkischen Staates andauern, werden die Armenier das Land, in dem sie seit Jahrhunderten leben, die Häuser, Kirchen und Schulen, die sie in mühevoller Arbeit und unter großen Entbehrungen gebaut haben, verlassen und ins Landesinnere ziehen müssen, wo es keine Angriffe gibt. Schulen und Kirchen sind die üblichen Orte, an denen sich das armenische Volk trifft. Die Menschen werden ihre Orte des Glaubens und der Bildung, die sie mit Tausenden von Arbeitsstunden und Mühen geschaffen haben, zurücklassen und in das Landesinnere abwandern müssen. Nach dem Völkermord von 1915 sollen sie aus dem freien Land im Nordosten Syriens gerissen werden, an das sie sich klammern und in dem sie leben wollen. Sie werden einer stärkeren Assimilation unterworfen sein. Der Nordosten Syriens ist das Land, in dem das armenische Volk frei, in Frieden und Sicherheit lebt."

Den Armenier:innen droht die Vernichtung

Die Armenier:innen seien erneut von Vernichtung bedroht, sagt Melkonyan: „Das armenische Volk lebt in Rojava so, wie es ist und wie es will. Die Menschen leben ihre Sprache, ihre Kultur und ihren Glauben frei. Mit der Zunahme der vom türkischen Staat unterstützten Söldnerangriffe wird das armenische Volk aufhören, es selbst zu sein. Es wird sich auflösen, zerfallen und durch Angriffe und Unsicherheiten zum Aussterben verurteilt sein. Es wird alles verlieren, was es in jahrelangem, mühevollem Kampf erarbeitet und angesammelt hat, alles, was es in den Händen hält. Das armenische Volk ist dasjenige, das wegen seiner Sprache, seiner Kultur und seines Glaubens den zerstörerischsten und vernichtendsten Angriffen ausgesetzt sein wird. Es sind die Menschen, die am meisten verlieren werden."

Daher seien die Armenier:innen diejenigen, die sich am meisten gegen den Völkermord wehren sollten, fasst Monte Melkonyan zusammen: „Deshalb sind sie die Menschen, die sich den Angriffen des türkischen Staates am meisten und am stärksten widersetzen sollten. Die Erinnerung des armenischen Volkes an den Völkermord ist lebendig; sie verlangt von ihm, dass es seine Werte der Freiheit am meisten schützt. Die Armenier müssen ihr Land gemeinsam mit den Völkern, mit denen sie zusammenleben, schützen und verteidigen. Sie haben das Recht und sie sind dazu gezwungen. Andernfalls wird es zu einem zweiten großen Völkermord kommen. Wir, die Revolutionäre und Pioniere des armenischen Volkes, werden Widerstand leisten und gegen die Angriffe kämpfen, genau wie Monte Melkonian und Nubar Ozanyan. Wir wissen, dass eine Gesellschaft, die sich der Realität ihrer Geschichte nicht stellen kann, zum Aussterben verurteilt ist."