Besuch in einem ezidischen Dorf in Rojava

„Nachts kann ich oft nicht schlafen, aber ich werde mein Dorf nicht verlassen“, erklärt die Ezidin Tave Istiyar gegenüber der Delegation von „Gemeinsam Kämpfen“ in Rojava.

Ein Teil der Delegation der feministischen Kampagne „Gemeinsam Kämpfen“, die sich seit einigen Wochen in Nord- und Ostsyrien aufhält, hat ein ezidisches Dorf in der Nähe von Hesekê besucht. Das Dorf Berzanê hatte noch vor wenigen Jahren 130 Haushalte, nun wohnen nur noch vier Familien hier. Langsam verfallen die Häuser, die seit 2011/2012 verlassen wurden, als die Banden der al-Nusra diese Gegend terrorisierten.

Die Familie von Tave Istiyar hat das Dorf nicht verlassen. „Ich bin vor 30 Jahren aus Aleppo hierhergekommen“, berichtet sie. „Mein Mann hat eine Frau gesucht und mich aus Aleppo hierhergeholt. Am Anfang war es sehr schwer für mich, ich konnte kaum Kurdisch. Unsere Familie stammt ursprünglich aus Efrîn, aber ich bin in Aleppo groß geworden, und dort wurde fast nur Arabisch gesprochen. Ich kannte meinen Mann nicht, er war 15 Jahre älter als ich.“

„Die Dschihadisten wusste nicht, dass wir Eziden sind“

„Die Nusra-Front wusste nicht, dass wir Eziden sind, daher wurden unsere Dörfer von ihnen verschont. Wir haben unser Dorf nicht verlassen, aber nachts haben wir vor Angst kein Auge zugemacht und das Haus nie verlassen. Die Bevölkerung hat selbst Stellungen gebaut, um die Dörfer zu verteidigen. 2012 wurde das Dorf von den YPG eingenommen“, berichtet Tave weiter. „Da waren wir sehr, sehr glücklich.“

Jetzt bestimmen die Frauen mit

Tave berichtet weiter, dass alle Dörfer in der Gegend Kommunen aufgebaut hätten, egal ob sie arabisch, kurdisch oder ezidisch seien. Man verwalte alles gemeinsam und löse Probleme wie Strom-, Wasser- oder Dieselversorgung zusammen. Die ezidischen Dörfer seien alle fast leer. Seit einem Jahr gebe es auch eine gemeinsame Frauenorganisierung. „Vorher haben die Männer hier alles bestimmt. Die Frauen kamen nicht aus den Häusern heraus. Jetzt bestimmen die Frauen mit."

Virginia, Taves 19-jährige Tochter, studiert noch. Selwa, 20 Jahre jung, ist in der Jugendarbeit der PYD engagiert und kommt viel herum. Mit der Jugendorganisation besucht sie Jugendliche in den Dörfern im gesamten Umkreis und bis nach Derîk.

Taves Ehemann ist Kommandant bei den örtlichen YPG-Kräften. „Hier wurde zu Beginn der Revolution eine YPG-Akademie errichtet. Die YPG ist anfangs herumgefahren und hat uns eingeladen und uns Fortbildungen angeboten. Nach und nach haben sich alle beteiligt“, sagt Tave.

Alle Verwandten sind in Europa

„Manchmal schlafe ich vor Angst nicht. Alle meine Verwandten leben nun in Europa“, erklärt Tave. „Wir haben eigenes Land, darauf bauen wir Weizen und Gerste an. Letztes Jahr gab es sehr wenig Regen, da lief es nicht so gut, aber dieses Jahr war sehr gut. Wir haben Olivenbäume, zwei Kühe und 30 Schafe. Nur sehr wenige Menschen sind zurückgekommen, Deutschland gibt ihnen jetzt Geld, daher kommen sie nicht zurück. Anfangs ging es ihnen dort auch sehr schlecht, aber nun ist es wohl besser. Sie sagen, wir sollen doch auch kommen, aber ich will hierbleiben. Ich will unseren Boden nicht hergeben.“

Tave betont, wie sehr sie sich über den Besuch freue. „Seitdem alle in Europa sind, ist es sehr einsam hier geworden.“