Frieden braucht konkrete Schritte
Bei der 12. ordentlichen Generalversammlung der Zweigstelle des Menschenrechtsvereins IHD in Colemêrg (tr. Hakkari) hat die inhaftierte kurdische Politikerin und Ko-Vorsitzende des Demokratischen Gesellschaftskongresses (KCD), Leyla Güven, zu einer politischen Öffnung und zu konkreten Schritten für eine Friedenslösung aufgerufen. Ihre schriftliche Botschaft wurde während des Kongresses in der örtlichen Anwaltskammer verlesen.
Die Versammlung stand unter dem Motto „Freiheit für kranke Gefangene – Behandlung ist ein Recht“ und wurde von Vertreter:innen politischer Parteien, zivilgesellschaftlicher Organisationen und dem Rat der Friedensmütter begleitet. Es sprachen unter anderem Vertreter:innen der DEM-Partei und des IHD über die aktuelle politische Lage.
„Der Moment für einen ehrlichen Friedensprozess ist gekommen“
In ihrer Grußbotschaft aus dem Frauengefängnis Sincan bei Ankara schrieb Leyla Güven, der kurdischen Bevölkerung in Colemêrg sei „für ihren Widerstand und ihre Standhaftigkeit ein hoher Preis abverlangt“ worden. Viele gewählte Vertreter:innen der Provinz seien inhaftiert oder ins Exil gezwungen, viele Familien trauerten um ihre Angehörigen, die im Gefängnis oder im bewaffneten Widerstand ums Leben gekommen seien.
Leyla Güven im Gefängnis, 2022 © Sabiha Temizkan
Vor diesem Hintergrund forderte Güven eine Rückkehr zum Dialog: „Es ist an der Zeit, die Tränen des Leids in Freudentränen eines würdevollen Friedens zu verwandeln. Es gibt eine historische Chance, und Herr Abdullah Öcalan hat hierfür einen wichtigen Weg eröffnet. Der Staat sollte nun ernsthafte Schritte einleiten – etwa durch die Freilassung kranker Gefangener – und seine Bereitschaft zum Wandel zeigen.“
Sie warnte zudem vor der fortgesetzten Ausgrenzung kurdischer Stimmen aus der Politik. Eine demokratische Republik könne nur dann Wirklichkeit werden, wenn gleiche politische Rechte garantiert seien: „Nur wenn die Hindernisse für kurdische politische Teilhabe beseitigt werden, kann ein gerechter Frieden entstehen.“
IHD: Sicherheitszentrierte Politik vertieft Gräben
Sibel Çapraz, wiedergewählte Ko-Vorsitzende der IHD-Ortsgruppe, verwies auf die negativen Folgen der staatlichen Sicherheitspolitik in der kurdischen Frage. Diese habe zu schweren Menschenrechtsverletzungen geführt und das Vertrauen der Bevölkerung weiter geschwächt. Mit Blick auf die jüngsten Beschlüsse der PKK – insbesondere deren Bereitschaft zu Dialog und politischer Lösung – forderte Çapraz die Regierung zum Handeln auf: „Es ist Zeit für politische Verantwortung. Eine ehrliche Annäherung kann zur größten Friedensinitiative des neuen Jahrhunderts werden.“
DEM-Abgeordneter Parlak: Friedensfenster nicht verpassen
Der DEM-Parlamentsabgeordnete Vezir Coşkun Parlak sprach in seinem Beitrag von einem „historischen Moment“. Der Kongress der PKK sei ein Signal, das politisch aufgenommen werden müsse. „Die Diskrepanz zwischen den Ausgaben für Krieg und jenen für lokale Dienstleistungen ist gewaltig. Wenn wir Frieden wollen, müssen wir Mittel und Energie in das Leben und nicht in den Krieg investieren.“
Am Ende des Kongresses wurden Sibel Çapraz und Ozan Akbaş offiziell als neue Ko-Vorsitzende der IHD-Ortsgruppe Colemêrg gewählt.