10 Jahre Frauenrevolution im Hamburger FLINTA*-Café

Die feministische Organisierung „Gemeinsam Kämpfen! Für Selbstbestimmung und Demokratische Autonomie“ hat in Hamburg ihr monatliches FLINTA*-Café veranstaltet. Thema war die Frauenrevolution in Rojava.

Die Hamburger Ortsgruppe der feministischen Organisierung „Gemeinsam Kämpfen! Für Selbstbestimmung und Demokratische Autonomie“ hat am Montag ihr monatliches FLINTA*-Café im Kölibri veranstaltet. Anlässlich des zehnjährigen Jubiläums des revolutionären Aufbruchs von Rojava war die Frauenrevolution in Nord- und Ostsyrien das Thema.

Am 19. Juli 2012 begann in Kobanê die Revolution von Rojava. Unter der Initiative des Volksrats Westkurdistan (MGRK) vertrieb die Bevölkerung das syrische Baath-Regime aus den kurdisch bewohnten Regionen. Während der Rest von Syrien zunehmend im Bürgerkrieg versank, schlug Rojava einen dritten Weg jenseits des Status quo ein und baute eine Gesellschaft nach den Prinzipen des Demokratischen Konföderalismus auf. Dadurch wurde der Staat überflüssig und jeglicher Form von Nationalismus eine Absage erteilt, die Bevölkerung organisiert sich durch ein Rätesystem selbst. Dieser Revolution ging jedoch ein 40-jähriger Befreiungskampf in den Bergen Kurdistans voraus.

Eine der drei Referentinnen berichtete über die kurdische Bewegung in ihren Anfängen und die damalige Unterdrückung von Kurd:innen in Syrien. Diese äußerte sich zum Beispiel in staatlichen Enteignungen von Eigentum oder den Entzug der Staatsbürgerschaft. In der Zeit um die Verschleppung Abdullah Öcalans aus Damaskus und seine Verhaftung im Jahr 1999 nahm die Repression gegenüber der kurdischen Bewegung massiv zu.

Durch diese Unterdrückung und die daraus folgende Angst wurde es erheblich erschwert, Menschen für die Revolution zu gewinnen. Nach und nach wurden dann aber erfolgreich Strukturen aufgebaut, die beginnend mit Kobanê die kurdisch geprägten Gebiete befreiten und eine Selbstverwaltung auf Basis der Prinzipien des Demokratischen Konförderalismus etablierten. Am Anfang war es „ein totales Durcheinander“, beschrieb es die Referentin. Ziel des Aufstandes war es, das syrische Regime aus jeglichen Institutionen hinauszudrängen und durch eigene selbstverwaltete Strukturen zu ersetzen. Die Änderungen, so die Referentinnen, führten zu großen gesellschaftlichen Umbrüchen und dabei war es wesentlich, dass Frauen eine wichtige Rolle spielen. Dies wird zum Beispiel durch eine Paritätsregel bei der Besetzung aller (Entscheidungs-)Positionen ermöglicht. Das Besondere an der Revolution in Rojava sei auch die Art, wie Menschen für die Ideen Abdullah Öcalans begeistert werden konnten. Dies geschehe durch den engen Kontakt und Austausch mit der Bevölkerung und der Möglichkeit, in selbstorganisierten Akademien die Ideen zu vertiefen.

Nachdem die Referentinnen einen kleinen Einblick in die Geschichte der Revolution gaben, wurden Erfahrungsberichte von zwei Frauen mit dem Publikum geteilt. Diese und mehr können auch in dem Buch „Widerstand und gelebte Utopie II: Wir wissen was wir wollen - Frauenrevolution in Nord- und Ostsyrien“ nachgelesen werden. Einer der Erfahrungsberichte beschreibt die Repressionen, die eine kurdische Frau erlebte. Eine andere Frau schildert ihre Erfahrungen in der kurdischen Bewegung in den Zeiten der 1990er Jahre und politisch aktiv zu sein, als die PKK nach Syrien kam. „Ich persönlich sage immer, wenn ich in der PKK nicht die Freiheit der Frau gesehen hätte, hätte ich mich nicht in ihr engagiert“, so ihre Worte.

„Diese Frauen haben keine klassische Bildung bekommen. Sie waren nicht in der Schule“, sagte eine der Referentinnen. „Und jetzt wissen sie so viel, alles durch die Organisation in der Bewegung.“

Auch die Versuche des Regimes, die Menschen anhand kultureller Unterschiede zu spalten, konnten überwunden werden. Es gehe um eine „gelebte Praxis der Vielfalt“. Dies zeige sich beispielsweise daran, dass es in Nord- und Ostsyrien verschiedene Amtssprachen gibt.

Anschließend an den inhaltlichen Input wurde gemeinsam die Frage diskutiert, was die Revolution in Rojava für die Teilnehmerinnen der Veranstaltung bedeutet: Fragen wie: Wie kommt politisches Handeln zustande? Und wie lassen sich die Ideen der Revolution in einen anderen Kontext übertragen? wurden diskutiert. Hierbei wurde deutlich, dass Bildungsprozesse und auch die Formulierung einer konkreten gesellschaftlichen Utopie entscheidend sind.

Eine Teilnehmerin berichtete über ihre Erfahrungen aus Lateinamerika. Das Motiv, sich im revolutionären Kampf zu organisieren, müssten nicht Armut und Unterdrückung sein. „Wenn das allein die Gründe wären, wäre Lateinamerika längst befreit“, sagte sie. Es brauche eine greifbare Utopie, politische Bildung und die Konfrontation mit den Betroffenen.

Die Teilnehmenden wurden eingeladen, sich an der Kampagne von Women Defend Rojava zu beteiligen, die sich alle zwei Wochen freitags im Centro Sociale trifft. Das nächste Treffen findet am 29. Juli um 17.00 Uhr statt.