Und ewig klagt der Erdoğan: Sänger Ali Baran soll vor Gericht

Der kurdische Musiker Ali Baran aus Karlsruhe ist erneut in der Türkei angeklagt worden. Der Vorwurf dieses Mal: Beleidigung des Staatspräsidenten. Erdoğan erzürnt sich über eine Karikatur, die Baran postete.

Der kurdische Musiker und Sänger Ali Baran aus Karlsruhe ist erneut in der Türkei angeklagt worden. Der Vorwurf dieses Mal, wie in zahlreichen ähnlichen Fällen: Beleidigung des Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Darauf stehen in der Türkei als Höchststrafe vier Jahre und acht Monate Haft.

Laut der Anklageschrift hat die Oberstaatsanwaltschaft in Istanbul einen vier Jahre alten Beitrag Barans in einem sozialen Netzwerk als beleidigend für Erdoğan bewertet. Konkret geht es um eine Zeichnung des kurdischen Karikaturisten Behrouz, auf der ein Erdoğan zu sehen ist, der einen Kurden an ein Kreuz, das mit „NATO“ beschriftet ist, nagelt. Baran hatte die Karikatur mit einer Redewendung versehen, die sinngemäß lautete: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

Die Staatsanwaltschaft sieht darin offenbar auch den Tatbestand der Terrorpropaganda erfüllt. „Durch die Darstellung einer als kurdisch gekennzeichneten Person, die von unserem Präsidenten auf einem NATO-Emblem mit Nägeln gekreuzigt wird, wurde versucht im Sinne der Organisationspropaganda auszudrücken, dass kurdischstämmige Bürger in unserem Land verfolgt würden“, heißt es in der Anklageschrift.

Die Karikatur, an der sich Erdoğan entzürnt | Bildquelle: Kurdipedia

Ali Baran, der nur die deutsche Staatsbürgerschaft hat, sieht in der Anklage nur einen Vorwand, seine Person mit Repression zu überziehen. „Die Regierung würde auch Vögel und Ameisen verklagen, wenn es möglich wäre. Hauptsache, die Kurden verstummen“, sagte der Künstler der Nachrichtenagentur MA. „Sie wollen uns von unserer Heimat trennen. Entweder durch Mord, Haft oder Exil. Das Ziel ist, die Kurden zu vernichten. Dabei wollen wir nur Frieden und Gleichberechtigung“, so Baran.

Die Anzeige gegen Ali Baran, die nun zur Anklage führte, geht wohl auf die Zentralbehörde der türkischen Polizei zurück. Die Klageschrift der Oberstaatsanwaltschaft nennen Erdoğan als „Geschädigten“. Das Verfahren soll am 1. Februar 2024 an einer Strafkammer des Landgerichts Istanbul beginnen. Ob Ali Baran zu dem Prozess in die Türkei reisen wird, ist eher unwahrscheinlich. Der 67-Jährige wurde erst im April von einem türkischen Gericht wegen angeblicher Terrorpropaganda im Zusammenhang mit einer Solidaritätskampagne für die türkisch-kurdische Zeitung Özgür Gündem zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Er verließ das Land – trotz Ausreiseverbot.

1979 nach Deutschland geflohen

Ärger mit der türkischen Justiz hatte der 1956 in einem Dorf in Xozat (tr. Hozat) bei Dersim geborene Ali Baran schon mehrfach. Vor seiner Flucht 1978 nach Deutschland musste er für zwei Monate ins Gefängnis – weil er auf einem Konzert in Amed (Diyarbakir) kurdische Lieder gesungen hatte. Ihm drohte eine mehrjährige Haftstrafe, deshalb kehrte er seiner Heimat schließlich den Rücken. 1979 begann er ein naturwissenschaftliches Studium in Karlsruhe, wechselte 1983 an die Universität Heidelberg mit den Fächern Musikwissenschaft und Soziologie. Nach dem Militärputsch in der Türkei wurde er 1982 ausgebürgert und musste in Deutschland politisches Asyl beantragen. Seit 1993 besitzt er die deutsche Staatsbürgerschaft und lebt mittlerweile seit vielen Jahren in Karlsruhe.

2014 in Abwesenheit verurteilt

Ali Baran schrieb und produzierte Lieder in mehreren Sprachen, darunter in Kurmancî, Kirmanckî (Zazakî) und Türkisch. Einer seiner bekanntesten Songs ist „Çiyayê Bilind Warê Me Ye“, das als Widerstandshymne von revolutionären Bands wie Koma Nurhak gecovert wurde. Er veröffentlichte mehrere Alben, auf denen er sich mit seiner Musik für die kurdische Identität engagierte. Trotz drohender Repressionen reiste Baran nach seiner Einbürgerung in Deutschland aber immer wieder nach Nordkurdistan und in die Türkei. 2014 wurde der Künstler nach einem Auftritt in der Karlsruher Projektpartnerstadt Wan (Van) in Abwesenheit zu knapp einem Jahr Gefängnis verurteilt, ebenfalls wegen vermeintlicher Terrorpropaganda. Der Fall ist mittlerweile verjährt.