Türkei hält 127 deutsche Staatsangehörige fest
Die Türkei hält gegenwärtig mindestens 127 Deutsche im Land fest. 62 davon sitzen im Gefängnis, weitere 65 deutsche Staatsangehörige sind mit Ausreisesperren belegt.
Die Türkei hält gegenwärtig mindestens 127 Deutsche im Land fest. 62 davon sitzen im Gefängnis, weitere 65 deutsche Staatsangehörige sind mit Ausreisesperren belegt.
Während der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan am Freitag das erste Mal seit drei Jahren nach Deutschland reist und neben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier trifft, dürfen mindestens 65 Deutsche die Türkei wegen Ausreisesperren derzeit nicht verlassen. Allein im laufenden Jahr wurden 16 neue Fälle bekannt, die Vorwürfe der Propaganda für eine, der Mitgliedschaft in oder der Unterstützung einer „Terrororganisation“ zum Inhalt haben. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Abgeordneten Sevim Dagdelen (parteilos) hervor. Drei Ausreisesperren im laufenden Jahr seien wieder aufgehoben worden. Weitere 62 deutsche Staatsangehörige sitzen aktuell in türkischen Gefängnissen.
In der Türkei werden immer wieder Deutsche bei der Einreise oder während des Urlaubs festgenommen oder mit einer Ausreisesperre belegt. Doch eine große Rolle scheint ihr Schicksal in den Beziehungen zwischen Berlin und Ankara eher nicht zu spielen. Die Außenpolitikerin Sevim Dagdelen, die zum neuen Bündnis Sahra Wagenknecht gehört, warf der Regierung vor, aus politischen Gründen inhaftierte Deutsche im Stich zu lassen. „Während die Bundesregierung dem türkischen Präsidenten in Berlin den roten Teppich ausrollt, läuft die politische Verfolgung deutscher Staatsbürger in der Türkei auf Hochtouren.“
Die Bundesregierung erfasst nach eigenen Angaben seit Mitte 2022 auch Einreisesperren von Deutschen in die Türkei. Für das laufende Jahr seien 43 Fälle bekannt, in denen die Einreise verweigert wurde, hieß es in der Antwort. Die Hintergründe seien nicht bekannt. Das Bundeskriminalamt (BKA) habe in diesem Jahr bis Ende September zudem 238 Interpol-Fahndungsersuche zur Festnahme erhalten, sogenannte Red Notices. Zu welchem Ergebnis die Bearbeitungen kamen oder welchen Hintergrund sie haben, geht aus der Antwort auf Dagdelens Anfrage nicht hervor.
Rechtsstaatswidrige Auslegung von Terror-Begriff
Die Türkei hat eine eigenwillige Terrorismusdefinition und geht hart gegen Andersdenkende vor. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International argumentiert, Anti-Terror-Gesetze würden häufig von den Behörden „missbraucht“, um gegen Oppositionelle vorzugehen. Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) werde der Terrorismus-Begriff von türkischen Behörden systematisch „rechtsstaatswidrig“ ausgeweitet, um politischen Dissens zu unterdrücken. Besonders für Menschen aus dem kurdischen Spektrum und linken Organisationen ist die Gefahr, für abweichende Meinungen ins Gefängnis zu kommen, allgegenwärtig. Die türkische Regierung weist den Vorwurf zurück und betont, die Justiz gehe angemessen gegen staatszersetzende Aktivitäten vor.