Bundesregierung: Türkei hält 128 Deutsche fest

Die Türkei hält gegenwärtig mindestens 128 deutsche Staatsangehörige im Land fest. Die eine Hälfte der Betroffenen sitzt im Gefängnis, die andere Hälfte ist mit Ausreisesperren belegt.

Die Türkei hält gegenwärtig mindestens 128 deutsche Staatsangehörige im Land fest. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Frage der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen (Die Linke) hervor. 64 Bundesbürger:innen sitzen demnach im Gefängnis, sieben der Betroffenen seit 2022. In diesem Jahr sei eine Person mit deutschem Pass verhaftet worden.

Mindestens zwei der im Vorjahr inhaftierten Deutschen seien wegen Terrorvorwürfen in der Türkei im Gefängnis, heißt es weiter. 64 weitere Deutsche wurden mit einer Ausreisesperre belegt und dürfen das Land nicht verlassen. Zehn dieser Ausreisesperren wurden demnach im Zusammenhang mit Terrorvorwürfen verhängt.

Nach Angaben des Auswärtigen Amtes hatten Anfang Juni 2022 insgesamt 55 Menschen mit deutschem Pass in türkischer Haft gesessen. Die Zahl der Deutschen, gegen die eine Ausreisesperre verhängt worden war, lag zu dem Zeitpunkt bei 27. Seit letztem Juli wurde zudem 51 Deutschen die Einreise in die Türkei verweigert, 19 davon in diesem Jahr. Die Gründe waren nicht bekannt.

Dağdelen: „Vermisse konsequentes Vorgehen der Bundesregierung“

Sevim Dağdelen, Sprecherin für Internationale Politik und Abrüstung, erklärt zur Antwort der Bundesregierung: „Die politische Verfolgung und Drangsalierung von Deutschen durch die Türkei  läuft offensichtlich auf Hochtouren. Ich vermisse ein konsequentes Vorgehen der Bundesregierung insbesondere auch hinsichtlich der aus politischen Gründen in Haft befindlichen Deutschen. Die Bundesregierung darf die Hände hier nicht in den Schoß legen und unsere Bürger gegenüber dem NATO-Partner im Stich lassen.“

Rechtsstaatswidrige Auslegung von Terror-Begriff

Die Türkei hat eine eigenwillige Terrorismusdefinition und geht hart gegen Andersdenkende vor. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International argumentiert, Anti-Terror-Gesetze würden häufig von den Behörden „missbraucht“, um gegen Oppositionelle vorzugehen. Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) werde der Terrorismus-Begriff von türkischen Behörden systematisch „rechtsstaatswidrig“ ausgeweitet, um politischen Dissens zu unterdrücken. Besonders für Menschen aus dem kurdischen Spektrum und linken Organisationen ist die Gefahr, für abweichende Meinungen ins Gefängnis zu kommen, allgegenwärtig. Die türkische Regierung weist den Vorwurf zurück und betont, die Justiz gehe angemessen gegen staatszersetzende Aktivitäten vor.