Ali Baran in der Türkei zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt

Der kurdische Musiker und Sänger Ali Baran aus Karlsruhe ist in Istanbul zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Ihm wird vorgeworfen, über soziale Medien „Propaganda für eine Terrororganisation“ verbreitet zu haben.

Der kurdische Musiker und Sänger Ali Baran aus Karlsruhe ist in der Türkei wegen angeblicher „Terrorpropaganda“ zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Wie die Zeitung Evrensel am Donnerstag berichtete, verhängte die beim Istanbuler Justizpalast Çağlayan angesiedelte 26. Kammer für schwere Straftaten in zwei Fällen je ein Jahr und drei Monate Freiheitsstrafe, weil Baran über die sozialen Medien „Propaganda für eine Terrororganisation“ verbreitet habe. Sein Verteidiger Mehmet Mustafa Alptekin kündigte an, in Berufung zu gehen.

Ali Baran war am 8. März zur Vorbereitung auf sein neues Album nach Istanbul gereist. Er wurde jedoch am Flughafen Sabiha Gökçen nach der Einreise aus Deutschland wegen „Terrorpropaganda“ festgenommen. Einen Tag später wurde er von der Staatsanwaltschaft auf freien Fuß gesetzt, und zwar ohne von einem Untersuchungsrichter vernommen worden zu sein. Die Behörde verhängte eine Ausreisesperre gegen den 67-Jährigen, der ausschließlich die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt.

Aufhebung der Ausreisesperre abgelehnt

Laut des Zeitungsberichts kann die Strafe gegen Baran ausgesetzt werden, der Künstler darf die Türkei jedoch nicht verlassen. Ein Antrag auf Aufhebung der Ausreisesperre wurde vom Gericht abgelehnt. Verteidiger Alptekin zeigte sich verärgert: „Mein Mandant hat seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland, darf aber nicht zurück an seinen Wohnort. Die Ausreisesperre hat existenzbedrohende Konsequenzen für ihn. Er bestreitet seinen Lebensunterhalt durch Konzerte, die er nun nicht mehr spielen kann.“

Ali Baran (r.) im Juni 2016 in der Redaktion der Zeitung „Özgür Gündem“ bei seiner Teilnahme an der Solidaritätskampagne „Bereitschaftsjournalismus“. Einen Tag lang fungierte er damals als symbolischer Chefredakteur der pro-kurdischen Zeitung, die noch im selben Jahr per Staatsdekret verboten wurde. Das Blatt war eines der wenigen in der Türkei, das ausführlich über die Folgen des Krieges der AKP-Regierung in den kurdischen Siedlungsgebieten berichtete. Links im Bild: Özgür-Gündem-Chefredakteur Inan Kızılkaya, der 2021 wegen seiner Arbeit für die Zeitung zu über sechs Jahren Gefängnis verurteilt wurde. | Foto: DIHA (ebenfalls 2016 verboten)


Ungewöhnlich schnelle Verurteilung

Die Verurteilung von Ali Baran erfolgte ungewöhnlich schnell. Sogenannte „Terror“-Verdächtige sitzen in der Türkei oft monatelang in Untersuchungshaft, bevor Anklage erhoben wird. Rechtsanwalt Alptekin ist frustriert: „Der Mandant hat keine Verbindungen zu irgendeiner Organisation und sich nichts zu Schulden kommen lassen, was den Charakter der Propaganda für eine als terroristisch deklarierte Vereinigung tragen könnte. Auch hat er weder Gewalt verherrlicht noch militante Aktionen angepriesen. Uns hat das Urteil des Gerichts überrascht. Da die Urteilsbegründung aber noch nicht vorliegt, sind die Gründe des Gerichts noch nicht bekannt.“

1979 nach Deutschland geflohen

Ärger mit der türkischen Justiz hatte der 1956 in einem Dorf in Xozat (tr. Hozat) bei Dersim geborene Ali Baran schon mehrfach. Vor seiner Flucht 1978 nach Deutschland musste er für zwei Monate ins Gefängnis – weil er auf einem Konzert in Amed (Diyarbakir) kurdische Lieder gesungen hatte. Ihm drohte eine mehrjährige Haftstrafe, deshalb kehrte er seiner Heimat schließlich den Rücken. 1979 begann er ein naturwissenschaftliches Studium in Karlsruhe, wechselte 1983 an die Universität Heidelberg mit den Fächern Musikwissenschaft und Soziologie. Nach dem Militärputsch in der Türkei wurde er 1982 ausgebürgert und musste in Deutschland politisches Asyl beantragen. Seit 1993 besitzt er die deutsche Staatsbürgerschaft und lebt mittlerweile seit vielen Jahren in Karlsruhe.


2014 in Abwesenheit verurteilt

Ali Baran schrieb und produzierte Lieder in mehreren Sprachen, darunter in Kurmancî, Kirmanckî (Zazakî) und Türkisch. Einer seiner bekanntesten Songs ist „Çiyayê Bilind Warê Me Ye“, das als Widerstandshymne von revolutionären Bands wie Koma Nurhak gecovert wurde. Er veröffentlichte mehrere Alben, auf denen er sich mit seiner Musik für die kurdische Identität engagierte. Trotz drohender Repressionen reiste Baran nach seiner Einbürgerung in Deutschland aber immer wieder nach Nordkurdistan und in die Türkei. 2014 wurde der Künstler nach einem Auftritt in der Karlsruher Projektpartnerstadt Wan (Van) in Abwesenheit zu knapp einem Jahr Gefängnis verurteilt, ebenfalls wegen vermeintlicher Terrorpropaganda. Der Fall ist mittlerweile verjährt.

Türkei hält 128 deutsche Staatsangehörige fest

Die Türkei hält gegenwärtig mindestens 128 deutsche Staatsangehörige im Land fest. Das teilte die Bundesregierung kürzlich mit. Die Hälfte der Betroffenen befindet sich im Gefängnis, die andere Hälfte ist mit Ausreisesperren belegt. Zehn dieser Ausreisesperren wurden im Zusammenhang mit Terrorvorwürfen verhängt.