Seit Dezember 2020 findet in der Nürnberger Innenstadt wöchentlich eine Mahnwache für Banu Büyükavci statt, gegen die ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde. Zu diesen von der Gewerkschaft ver.di organisierten Veranstaltungen kommen regelmäßig über 100 Unterstützer:innen aus Parteien, Kirchen, der Zivilgesellschaft sowie einem breiten Spektrum solidarischer Organisationen. Verschiedene Gruppen übernehmen dabei im Wechsel die inhaltliche Verantwortung für die Ausrichtung. Turnusmäßig war heute das 8.-März-Bündnis an der Reihe, in dem auch Vertreterinnen des kurdischen Gesellschaftszentrums mitarbeiten. Um eine breitere Öffentlichkeit darüber zu informieren, dass Büyükavci nicht die Einzige von Repression Betroffene ist, sollten heute die Razzien im Medya Volkshaus und bei der Ko-Vorsitzenden sowie die Verhaftung des kurdischen Aktivisten Mirza Bilen thematisiert werden. Das Nürnberger „Bündnis für Frieden in Kurdistan“ hielt eine Rede, in der ein Bogen gespannt wurde vom „Fall Banu“ bis zu den Verhaftungen von Aktivsten der kurdischen Bewegung in Nürnberg, Heilbronn und Esslingen.
Vehikel der Kriminalisierung: 129 a/b StGB
Nach der Schilderung der brachialen Razzien und der Festnahme von Mirza Bilen am 7. Mai ging die Bündnissprecherin auf das Muster ein, das sich regelmäßig wiederholt: Vermeintliche Mitglieder oder „Funktionäre“ von Organisationen mit Sitz im Ausland werden ausgespäht und irgendwann erfolgt dann der Zugriff. Das Vehikel der Kriminalisierung sind die Paragrafen 129 a/b StGB. Danach bestimmt der deutsche Staat, welche ausländischen Organisationen als „terroristisch“ zu gelten haben. Für diese wird pauschal eine „Verfolgungsermächtigung“ erteilt – ein bewährtes Instrument deutscher Außenpolitik, das vor allem den Bündnispartner Türkei zufrieden stellen soll.
Ammenmärchen über die PKK
Dabei gehe es nicht um individuelle Straftaten, die den Aktivist:innen vorgeworfen werden, so die Rednerin, „niemand hat Bomben gebastelt. Mirza oder Banu taten niemandem etwas zuleide – sie sind nicht einmal schwarz gefahren. Der deutsche Staat behandelt sie wie Schwerverbrecher, weil er sie Organisationen zurechnet, die die Türkei als ‚terroristisch‘ wertet.“
Nach Ansicht der Münchner Staatsanwaltschaft soll Bilen ein „Funktionär der PKK“ sein, die 1993 in Deutschland verboten wurde. Die Rednerin fragt im Folgenden nach, wofür die PKK eigentlich steht. Sie räumt auf mit den Ammenmärchen über die PKK, die seit Jahrzehnten kolportiert werden und erläutert: „Die PKK hat eine Freiheitsbewegung initiiert, die sich für ein Selbstbestimmungsrecht aller Völker in der Türkei und anderswo einsetzt. Es geht schon lange nicht mehr um einen eigenen Staat. Es ist ein antikolonialer Kampf gegen Assimilation und rassistische Ausgrenzung. Es geht um das Recht auf kulturelle Identität, um das Recht der Frauen auf Selbstbestimmung. Es geht gegen ökologische Zerstörung und um ein Leben im Einklang mit der Natur. Es geht um die Luft zum Atmen für alle Menschen. Das Ziel der PKK ist eine demokratische Nation und wird unterstützt von Millionen. Das Konzept ist basisdemokratische Selbstorganisierung und steht gegen koloniale Herrschaft und neo-osmanische Expansionspolitik. Ja, die PKK ist eine kämpfende Bewegung. Sie führt einen Kampf für das Recht auf Menschsein. Ist dieses bedroht, spricht man gemeinhin von legitimer Selbstverteidigung. In Brüssel hat das oberste Gericht in letzter Instanz festgestellt: die PKK ist eine innerstaatliche Kriegspartei und eben keine „Terrororganisation“.
Von Bundesregierung totgeschwiegene Verbrechen des Bündnispartners
Dass die Bundesregierung diese Auffassung nicht teilt, ist bekannt. Sie stehe fest der Seite des NATO-Mitglieds Türkei, so die Rednerin, deshalb sei es nur konsequent, dass die Verbrechen des Bündnispartners totgeschwiegen werden: „Es gibt so gut wie keine Berichterstattung über die aktuelle türkische Invasion in Südkurdistan. Kein Wort zu den Bomben auf die Bevölkerung und die Freiheitsguerilla, die zum Schutz vor Ort ist, um eine Besatzung zu verhindern. Keine Silbe zum international geächteten Einsatz von Giftgas. Schweigen zum Abbrennen der Wälder, zur Drosselung der Wasserzufuhr durch Staudämme, zum Entzug der Lebensgrundlage der Zivilbevölkerung. Die Liste der Verbrechen der Erdogan-Regierung wird immer länger. Aktuell erleben wir in der Türkei einen täglich zunehmenden Staatsterror gegen die zweitgrößte Oppositionspartei HDP. Vor allem auch Frauen, die gegen den Austritt der Istanbul-Konvention protestieren, stehen im Fokus. Doch egal, was passiert, die Bundesregierung reicht dem Diktator die Hand. Erdogan entscheidet, wer als „Terrorist“ gilt, und deutsche Politiker folgen bereitwillig seiner Feind-Definition. Menschen wie Mirza oder Banu gefährden die außenpolitischen Interessen, heißt es dann lapidar.“
Solidaritätsbotschaften an Mirza schicken
Im Namen des Bündnisses, das sich für Frieden in Kurdistan einsetzt, forderte die Rednerin auf, sich für ein Bleiberecht für Banu Büyükavci und für die Freilassung von Mirza Bilen einzusetzen. Beide seien Opfer einer Politik, die einem mafiösen Regime, das längst abgewirtschaftet hat, immer noch den Steigbügel hält. Die Bundesregierung wäre gut beraten, die demokratische Opposition in der Türkei anzuerkennen statt die türkische Propaganda von angeblich „terroristischen“ Organisationen nachzubeten.
„Banu ist von Ausweisung bedroht, Mirza wartet in der JVA Gablingen auf seinen Prozess. Als Teil der Zivilbevölkerung sind wir hier, weil wir uns mit Mirza und Banu solidarisieren. Wir rufen alle auf: Nehmt es nicht mehr hin, dass Menschen abgeschoben oder weggesperrt werden, weil sie sich gegen Diktaturen organisieren,“ so die Bündnissprecherin und schlug vor, dem Inhaftierten Solidaritätsbotschaften zukommen zu lassen. Seine Adresse:
Mirza Bilen
c/o JVA Augsburg-Gablingen
Am Fliegerhorst 1
86456 Gablingen