Mörderischer Rassismus in Deutschland
„Über 180 Menschen wurden seit 1990 in Deutschland durch Gewahrsam oder die Polizei getötet”, erklärt die Bündniskampagne Death in Custody anlässlich des heutigen Jahrestags der Ermordung von George Floyd.
„Über 180 Menschen wurden seit 1990 in Deutschland durch Gewahrsam oder die Polizei getötet”, erklärt die Bündniskampagne Death in Custody anlässlich des heutigen Jahrestags der Ermordung von George Floyd.
Vor einem Jahr wurde der Afroamerikaner George Floyd in Minneapolis (USA) Opfer eines rassistischen Polizeieinsatzes. Wie ein Video dokumentiert, drückte der weiße Polizist Derek Chauvin minutenlang sein Knie auf den Hals des am Boden liegenden Mannes, der wiederholt erklärte: „Ich kann nicht atmen.“ Der 46-jährige Floyd verlor das Bewusstsein und verstarb wenig später in einem Krankenhaus. Der rassistische Mord löste weltweite Proteste aus und brachte zigtausende Menschen auf die Straße.
Die Bündniskampagne Death in Custody erklärt anlässlich des Jahrestages der Ermordung von George Floyd, dass „über 180 Menschen seit 1990 in Deutschland durch Gewahrsam oder die Polizei getötet wurden". Weiter heißt es dort:
Am 25. Mai 2020 wurde George Floyd in den USA Opfer eines rassistischen Polizeimordes. Der Pandemie zum Trotz löste Floyds Tod auf der ganzen Welt kraftvolle Proteste für Schwarze Leben aus (Black Lives Matter). Als Bündniskampagne Death in Custody dokumentieren wir seit 2019 Todesfälle von rassifizierten Menschen in Gewahrsamssituationen. Durch die Black Lives Matter Bewegung konnte auch in Deutschland neue Sichtbarkeit für die Realität von tödlichem Rassismus in Gewahrsamssituationen geschaffen werden.
Die Recherche des Bündnisses Death in Custody zählt mittlerweile über 180 Todesfälle von People of Color in Gewahrsamssituationen und wurde im Rahmen von Black Lives Matter zu einer wichtigen Ressource, um strukturelle rassistische Polizeigewalt im deutschen Kontext sichtbarer zu machen und anzuprangern. Die Recherche (siehe https://doku.deathincustody.info/) liefert einschlägige Erkenntnisse über den strukturellen Charakter tödlicher rassistischer Gewalt in Polizeigewahrsam, Gefängnissen und Psychiatrien. Hierbei sind Geflüchtete und prekär lebende People of Color sowie People of Color in psychischen Ausnahmesituationen einem besonderes großen Risiko ausgesetzt, durch Gewahrsamssituationen getötet zu werden.
„Black Lives Matter gab der Kampagne einen ausschlaggebenden Schub. Plötzlich gab es Gehör und Legitimität, das Problem institutionalisierter rassistischer Gewalt an die Öffentlichkeit zu bringen. In der Regel werden Betroffene von Polizeigewalt, ihre Angehörigen, Freund:innen und Unterstützer:innen kriminalisiert und das Thema systematisch unterdrückt", so das Bündnis.
Jüngstes Beispiel hierfür ist die Repression gegen Gefangene in der JVA Moabit. Solidarischen Mitgefangenen ist es zu verdanken, dass die Todesumstände von Ferhat Mayouf überhaupt öffentlich bekannt geworden sind. Ferhat Mayouf wurde am 23. Juli 2020 durch einen Zellenbrand in der JVA Moabit getötet. Die Mitgefangenen decken Widersprüchlichkeiten auf, machen die JVA Moabit für seinen Tod verantwortlich und müssen ihren Einsatz für die Aufklärung mit verstärkten Schikanen wie Zellenrazzien bezahlen (https://deathincustody.noblogs.org/post/2021/02/13/statement-der-death-in-custody-kampagne-zur-zellenrazzia-nach-der-ferhat-mayouf-kundgebung-in-moabit/).
Auch bei Qosay Sadam Khalaf, der im Alter von 19 Jahren im März 2021 bei einem Polizeieinsatz in Delmenhorst getötet wurde, werden Augenzeug:innenberichte über das brutale Vorgehen der Polizei ignoriert. Das Ermittlungsverfahren gegen die diensthabenden Beamt:innen wurde mittlerweile eingestellt, viele Fragen bleiben offen (https://taz.de/Tod-in-Delmenhorster-Polizeigewahrsam/!5772663/).
Die gesellschaftliche Aufgabe besteht darin, struktureller Polizeigewalt unermüdlich entgegenzutreten. Die Polizei selbst garantiert keine Sicherheit. Im Gegenteil: Der Mord an George Floyd zeigt, wie lebensgefährlich die Polizei für People of Color sein kann. Die Kampagne hält fest: „Neben konkreten Maßnahmen zum Schutz von Betroffenen in Gewahrsamseinrichtungen sind deshalb abolitionistische Perspektiven, wie sie im Rahmen von Black Lives Matter zunehmend diskutiert werden, von großer Bedeutung. Es geht nicht nur um externe, unabhängige und effektive Kontrolle der Polizei. Langfristig heißt das Ziel: Defund the Police!"
Black Lives Matter bietet einen guten Anknüpfungspunkt für Communities, antirassistische, polizei- und knastkritische Gruppen, um sich transnational gegen strukturelle rassistische Polizeigewalt zu verbinden. Allerdings muss, so das Bündnis, die Bewegung kontextualisiert werden: „Angesichts der Gewalt des EU-Migrationsregimes mit Inhaftierungen von Flüchtenden in Lagern und Gefängnissen sowie dem Sterbenlassen entlang der EU-Grenzen ist die Anknüpfung an kolonialismuskritische Bündnisse und Solidaritätsstrukturen im Globalen Süden für die Bekämpfung struktureller rassistischer Polizeigewalt in Deutschland äußerst dringlich."
Wir fordern:
• Das Töten muss aufhören! Das Recht auf Leben von People of Color muss geschützt und verteidigt werden!
• #SayTheirNames! Erinnern wir an die vielen Verstorbenen, um das von Täter-Opfer-Umkehr geprägte staatliche Narrativ zu destabilisieren!
• Schluss mit der Vertuschung staatlicher Verbrechen! Aufklärung jetzt!
• Defund the Police!
• Einen neuen Gesellschaftsentwurf, in dem People of Color und alle anderen unterdrückten Gruppen ihr Leben frei entfalten können!