Die Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) fordert den französischen Staat elf Jahre nach dem Mord an Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez zur Aufklärung der Anschläge auf kurdische Einrichtungen in Paris auf. Die drei Kurdinnen – Sakine „Sara“ Cansız war Mitbegründerin der PKK, Fidan „Rojbîn“ Doğan Vertreterin des KNK und Leyla „Ronahî“ Şaylemez Aktivistin der kurdischen Jugendbewegung – wurden am 9. Januar 2013 von einem Attentäter des türkischen Geheimdienstes MIT im Informationszentrum Kurdistan in Paris erschossen. Bis heute ist niemand bestraft worden. Dass es sich um einen Auftragsmord des MIT handelte, ist durch Dokumente, Tonaufnahmen und Zeugenaussagen belegt worden. Der französische Inlandsgeheimdienst (DGSI) behandelt den Fall als Staatsgeheimnis und blockiert die Herausgabe von Informationen. Der nach dem Anschlag verhaftete Auftragsmörder Ömer Güney starb kurz vor Prozessbeginn im Dezember 2016 unter verdächtigen Umständen im Gefängnis.
Kurdische Organisationen haben die französischen Behörden wiederholt gewarnt, dass weitere Anschläge möglich sind, wenn die Auftraggeber des Anschlags und ihre Komplizen nicht bestraft werden. Zehn Jahre später, am 23. Dezember 2022, wurden Evîn Goyî (Emine Kara), Mîr Perwer (Mehmet Şirin Aydın) und Abdurrahman Kızıl vor dem kurdischen Kulturzentrum „Ahmet Kaya“ erschossen, in unmittelbarer Nähe vom Kurdistan-Informationsbüro.
In Paris findet heute eine europaweite Demonstration statt, mit der Kurdinnen und Kurden erneut und mit Nachdruck von Frankreich fordern, die Morde restlos aufzuklären und die Hintermänner zur Rechenschaft zu ziehen. Die Ko-Vorsitzenden des KCK-Exekutivrats unterstützen die Demonstration und rufen die in Europa lebenden Kurd:innen und solidarische Menschen zur Teilnahme auf. Die KCK weist in dem Aufruf auf die Verantwortung Frankreichs hin und erklärt, dass der MIT-Anschlag ohne europäische Unterstützung nicht möglich gewesen wäre. „Die Anschläge richteten sich nicht nur gegen Kurdinnen und Kurden, sondern auch gegen die Demokratie, die Menschenrechte, die Justiz und das Recht. Die europäischen Staaten wurden zu Partnern der Völkermordpolitik des türkischen Staates gemacht. Mit den für Freiheit und Demokratie kämpfenden Kurdinnen und Kurden sind alle menschlichen Werte angegriffen worden“, betonen die KCK-Vorsitzenden. Auch in Berlin findet heute eine Demonstration statt.
Mobilisierung zur Demonstration am 6. Januar in Paris: „Gerechtigkeit für Kurd:innen“
Wir dokumentieren die vollständige Erklärung des Exekutivratsvorstands der KCK zu den Anschlägen auf kurdische Einrichtungen in Paris:
Angriff auf den Befreiungskampf kurdischer Frauen
Es ist elf Jahre her, dass Sara, Rojbîn und Ronahî im Januar 2013 in Paris ermordet wurden. Drei revolutionäre kurdische Frauen wurden bei einem abscheulichen Anschlag in Paris zur Zielscheibe und ermordet. Wir verurteilen dieses abscheuliche Massaker erneut aufs Schärfste, gedenken mit großem Respekt und Dankbarkeit unserer Freundinnen Sara, Rojbîn und Ronahî und aller Gefallener der Revolution und der Demokratie und bekräftigen unser Versprechen, dass wir dem Andenken der Gefallenen treu bleiben und ihren Kampf zum Sieg führen werden.
Der Anschlag von Paris wurde als Fortsetzung des internationalen Komplotts im Rahmen des Völkermordes an den Kurdinnen und Kurden durchgeführt. Mit diesem Massaker sollte die Entwicklung des Freiheitskampfes in Europa und sein Zusammentreffen mit den unterdrückten Völkern der Welt und den revolutionären demokratischen Sektionen in Europa verhindert werden. Zugleich hat das Attentat auf drei Pionierinnen des kurdischen Freiheitskampfes gezeigt, dass sich der Angriff gegen die Freiheitslinie der Frauen richtete und das Ziel darin bestand, die Freiheitsbewegung der Frauen aufzuhalten. Das Massaker von Paris war Ausdruck einer völkermörderischen, kolonialistischen und frauenfeindlichen Mentalität.
MIT-Anschlag mit europäischer Unterstützung
Wie wir bereits in früheren Erklärungen festgestellt haben, hätte der türkische Staat einen solchen Anschlag in Europa ohne die Unterstützung der europäischen Staaten und Geheimdienste nicht allein durchführen können. Die Geschehnisse nach dem Anschlag und das Vorgehen der europäischen Staaten, insbesondere des französischen Staates, haben dies bestätigt. Der französische Staat unternahm keinerlei Anstrengungen, die Ermittlungen zu vertiefen und den Fall aufzuklären, und der Tod des Auftragsmörders im Gefängnis und damit die Beseitigung der konkretesten Beweise fanden unter seiner Kontrolle statt.
Weil der erste Anschlag nicht aufgeklärt wurde
Darüber hinaus zeigt der zweite Anschlag in Paris am 23. Dezember 2022, bei dem Evîn Goyî, Abdurrahman Kızıl und Mîr Perwer den Tod fanden, dass europäische Staaten und Geheimdienste mit dem türkischen Staat zusammenarbeiten. Wäre das Massaker vom 9. Januar 2013 in Paris aufgeklärt worden, hätte es das Massaker vom 23. Dezember 2022 in Paris nicht gegeben.
Die Hauptverantwortung trägt Frankreich
Der Staat, der die Hauptverantwortung für die Massaker in Paris trägt, ist also Frankreich. Der französische Staat trägt die Schuld, die Anschläge nicht aufzuklären. Andere europäische Staaten sind ebenfalls verantwortlich und schuldig. Am elften Jahrestag des ersten Pariser Massakers fordern wir den französischen Staat erneut zur Aufklärung der Anschläge in Paris auf.
Die Anschläge richteten sich nicht nur gegen Kurdinnen
Ein weiteres wichtiges Merkmal der Massaker in Paris ist, dass nicht nur Kurdinnen und Kurden zur Zielscheibe wurden. Die Anschläge richteten sich nicht nur gegen Kurdinnen und Kurden, sondern auch gegen die Demokratie, die Menschenrechte, die Justiz und das Recht. Die europäischen Staaten wurden zu Partnern der Völkermordpolitik des türkischen Staates gemacht. Mit den für Freiheit und Demokratie kämpfenden Kurdinnen und Kurden sind alle menschlichen Werte angegriffen worden. Unter diesem Gesichtspunkt kann man nicht von Demokratie, Menschenrechten, Gerechtigkeit und Recht sprechen, ohne die Massaker von Paris aufzuklären. Der Schutz und die Verteidigung dieser Werte kann in Europa nur möglich sein, wenn man sich gegen die Anschläge von Paris positioniert und sich an die Seite des kurdischen Volkes stellt, das für die Aufklärung dieser Massaker kämpft.
Es muss ein noch stärkerer Kampf geführt werden
Das kurdische Volk und seine Freundinnen und Freunde führen bis heute einen wichtigen Kampf gegen die Massaker von Paris, und es ist offensichtlich, dass diese Kampfhaltung auch in Zukunft beibehalten wird. Diese Haltung ist sehr bedeutsam und wertvoll. Von nun an muss ein noch stärkerer Kampf geführt werden. Zu diesem Zweck rufen wir alle auf, an der Demonstration in Paris am 6. Januar 2024 teilzunehmen. Unser Volk und unsere Freundinnen und Freunde sollten sich nachdrücklich an der Demonstration beteiligen und ihre demokratische Reaktion auf das Massaker zum Ausdruck bringen.