Kurdischer Arbeiter in der Türkei erschossen

Im Norden der Türkei ist ein kurdischer Malerarbeiter vom Sohn seines Auftragsgebers erschossen worden, ein weiterer wurde verletzt. Der Schütze wurde festgenommen.

Ein Mann aus der Provinz Kastamonu im Norden der Türkei hat in einem Mehrfamilienhaus einen kurdischen Arbeiter erschossen und einen zweiten verletzt. Bei dem Toten handelt es sich um Abdurrahman Birgün. Der 47-jährige Vater von vier Kindern lebte in Êlih (tr. Batman) und war für Malerarbeiten in dem Wohngebäude engagiert worden. Bei dem Schützen soll es sich um Serhat O., den Sohn des Auftraggebers handeln. Der 35-Jährige wurde festgenommen. Die Tat ereignete sich am Sonntag in einem Dorf im Landkreis Cide.

Türkische Medien schrieben unter Berufung auf den überlebenden Arbeiter Hamit Oran (33), die Tat sei aus dem Nichts heraus geschehen, einen Konflikt zwischen den Männern habe es nicht gegeben. „Wir waren uns am Morgen noch begegnet. Er (Serhat O.) bat mich um eine Zigarette, die ich ihm dann auch drehte und reichte. Dann sind Abdurrahman und ich runter in den Keller, um unsere Arbeitskleidung anzuziehen. Als ich mich umdrehte, sah ich ihn (Serhat O.) an der Tür stehen. Er hielt eine Schrotflinte in der Hand. Ehe ich mich versah, begann er wahllos auf uns zu schießen“, äußerte Oran gegenüber der Presse.

Er sei zutiefst schockiert über den Angriff gewesen, sagte Hamit Oran. Die erste Kugel sei auf ihn selbst abgefeuert worden, verfehlte jedoch ihr Ziel: „Ich sprang unter einen Tisch, um mich zu schützen. Da sah ich, dass meinem Kollegen in den Kopf geschossen worden war. Er sackte blutüberströmt zusammen und blieb auf dem Boden liegen. Der Täter schoss erneut. Diesmal wurde auch ich getroffen und dabei leicht verletzt. Es war ein Streifschuss. Auf dem Boden lag eine Eisenstange. Die hob ich auf und fuchtelte damit herum, damit er Angst bekommt. Dann lief ich rauf und rief währenddessen zu seinem Vater: ‚Bruder Sedat, Bruder Sedat, dein Sohn schießt wie wild um sich.‘ Ich rannte ins Dorfinnere, in der Hoffnung, auf Leute zu treffen, die mir helfen würden. Sie verständigten die Gendarmerie.“

Links im Bild: Der Täter Serhat O., rechts der Überlebende Hamit Oran, der im Zuge des Angriffs auch eine leichte Kopfverletzung erlitt.


Abdurrahman Birgün wurde nach dem Angriff in das staatliche Krankenhaus von Cide gebracht, verstarb dort aber an seinen schweren Verletzungen. „Wieso hat er auf uns geschossen? Darauf will ich eine Antwort haben“, sagte Oran. „Weder mein Freund und Kollege noch ich haben etwas getan. Wir waren lediglich in dem Haus, um unseren Lebensunterhalt zu verdienen. Sonst nichts.“

Über Untersuchungshaft bisher nicht entschieden

Serhat O. befand sich bis zum späten Sonntagabend in Gewahrsam der türkischen Gendarmerie, inzwischen wurde er an die Staatsanwaltschaft Kastamonu überstellt. Die Entscheidung über die Verhängung von Untersuchungshaft wurde an einen Haftrichter übertragen und soll noch im Laufe des Tages fallen. Während die Vernehmungen noch liefen und das Motiv des Schützen noch nicht eindeutig benannt wurde, flammte im Netz die Debatte um antikurdischen Rassismus in der Türkei wieder auf. Immer wieder kommt es dort zu rassistischen Angriffen auf Kurdinnen und Kurden – unter anderem durch organisierten Lynchmord wie etwa an der Familie Dedeoğulları in Konya im Juli 2021. Besonders häufig richten sich rassistische Angriffe auf kurdischstämmige Menschen gegen Beschäftigte in der saisonalen Landwirtschaft. Zuletzt waren Ende August in der Provinz Sakarya kurdische Erntehelfer:innen aus Amed (Diyarbakır) von 30 Personen angegriffen und verletzt worden. Ihre Löhne wurden einbehalten.