Der kurdische Politiker Remzi Kartal hat den Europarat zu Handlungen gegen die Isolation auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali aufgefordert. Die Ignoranz der führenden Menschenrechtsorganisation Europas angesichts der Haftbedingungen für Abdullah Öcalan, die gleichzusetzen seien mit schwerer Folter, sei „unvertretbar“ und müsse aufhören, sagte Kartal auf der Kundgebung „Take Action for Öcalan“ in Straßburg. Auch andere Gremien wie das Antifolterkomitee CPT, der europäische Menschengerichtshof sowie das EU-Parlament sollten ihrer Verantwortung entsprechend handeln. Kartal sprach von „wirksamen Mechanismen“, die in Gang gesetzt werden müssten, um den türkischen Staat zurechtzuweisen. Nur auf diese Weise könne auf die Führung in Ankara Druck aufgebaut werden, die Europäische Menschenrechtskonvention und andere internationale Verträge einzuhalten.
Unsere Stimme für Öcalan erheben
„Es besteht eine Parallelität zwischen dem Folter- und Isolationssystem Imrali und den Krisen im Mittleren Osten“, sagte Kartal und verwies auf etliche Versuche von Öcalan, zu einer Lösung dieser Konflikte beizutragen, in deren Zentrum die sogenannte kurdische Frage liegt. Doch seine Lösungsvorschläge für eine Demokratisierung der Region seien zur Zielscheibe der herrschenden Mächte geworden. „Die andauernde Isolationshaft verhindert einen Ausweg aus der Sackgasse, in der wir uns befinden. Es ist aber längst an der Zeit, dass Abdullah Öcalan freikommt und sich einbringt in die Lösung der Krisen im Mittleren Osten, das sich in ein Meer von Blut verwandelt hat. Wir alle müssen unsere Stimme erheben und uns für die Befreiung Öcalans einsetzen“, so Kartal.
Simon Dubbins: Grüße von Gewerkschaftsbewegung an Öcalan
Der Direktor für Internationales und Forschung der britischen Gewerkschaft Unite the Union, Simon Dubbins, beteiligt sich ebenfalls an der Kundgebung. Er grüßte zunächst die Ausrichtenden und Beteiligten der Mahnwache für Abdullah Öcalan, die seit über elf Jahren im Straßburger Europaviertel findet. „Seit über einem Jahrzehnt wird hier vor dem Europarat unermüdlich und beharrlich das Ende der Folter und Isolation auf Imrali eingefordert. Diesen Akt gilt es zu würdigen. Dass diese nur allzu menschlichen Forderungen ignoriert werden, keine entsprechenden Schritte unternommen werden, kann nicht akzeptiert werden.“ Dubbins ist gleichzeitig Ko-Vorsitzender der in Großbritannien geführten Kampagne „Freedom for Öcalan“, die vor allem von Gewerkschaften getragen wird. 2017 haben der größte Gewerkschaftskongress des Landes, der „Trade Union Congress“ und alle seine Mitgliedsgewerkschaften einen Leitantrag angenommen und beschlossen, die Kampagne für Öcalans Freiheit aktiv zu unterstützen. Die Zahl der angeschlossenen Organisationen im übergeordneten Dachverband der britischen Gewerkschaftsbewegung TUC zählt 50 Gewerkschaften, die knapp sechs Millionen Mitglieder haben. „Ich bin stellvertretend für unsere Mitglieder hier und richte euch und Abdullah Öcalan wärmste Grüße aus. Wir alle fordern die türkische Regierung auf, die Isolation auf Imrali zu beenden und umgehend Anwalts- und Familienbesuche zu genehmigen. Wir wollen wissen, ob Abdullah Öcalan noch lebt“, beendete Dubbins seine Ansprache.
Clare Baker: Öcalan ist Schlüsselfigur vieler Konflikte
Die Gewerkschafterin Clare Baker, die sich ebenfalls für die britische Free-Öcalan-Kampagne engagiert, bezeichnete den PKK-Begründer als „führenden Kämpfer“ für die Freiheit der Völker im gesamten Mittleren Osten. Nicht nur die kurdische Gesellschaft sehe in Öcalan ihren politischen Repräsentanten, sondern zahlreiche Völker der Region. „Sie wissen, dass Öcalans Freiheit auch ihre Freiheit bedeutet. Denn er gilt als die Schlüsselfigur aller Konflikte in den Nationalstaaten auf kurdischem Siedlungsgebiet und darüber hinaus. Um die Konflikte endgültig aus dem Weg zu räumen, muss er freikommen.“
Zeltkommune gegen Isolation
Nach weiteren Redebeiträgen wurde zu kurdischer Musik ausgiebig getanzt. Danach zog die Kundgebung weiter bis zum Place Arnold. Vor der dortigen St.-Mauritius-Kirche stellten kurdische und internationalistische Aktivist:innen eine Zeltkommune auf. Einen Monat lang soll die Gemeinde stehen und mit verschiedenen Veranstaltungen und Podiumsdiskussionen auf die Lage von Öcalan aufmerksam machen. Beteiligt sind rund 200 hauptsächlich junge Menschen.
Dringlichkeitsaufruf an CPT, EGMR und PACE
Im Rahmen der Kundgebung, die vom europaweiten Öcalan-Aktionskomitee ausgerichtet wird, ist ein Dringlichkeitsaufruf an das CPT, den EGMR und die Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE) gerichtet worden. Das von vierzehn verschiedenen Institutionen erarbeitete Maßnahmenbündel umfasst drei Punkte:
1. Sicherstellung der Aufhebung der Isolation von Abdullah Öcalan und seinen Mitgefangenen auf Imrali und unverzügliche Besuche durch das CPT, den Rechtsbeistand der Insassen und die Familienangehörigen
2. Sanktionen gegen die Türkei durch den EGMR, den Europarat und die Vereinten Nationen (UN) wegen Verstoß gegen die UN-Mindestgrundsätze für die Behandlung von Gefangenen (Nelson-Mandela-Regeln)
3. Unverzügliche politische Schritte des Ministerkomitees des Europarats mit dem Ziel der Freiheit von Abdullah Öcalan unter Gebrauch des Sanktionsrechts.