In Berlin ist ein 32-Jähriger wegen seiner früheren Mitgliedschaft in der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) zu elf Jahren Haft verurteilt worden. Der für Staatsschutzsachen zuständige 1. Strafsenat des Kammergerichts sprach den aus Syrien stammenden Raed E. neben der IS-Mitgliedschaft auch wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Folter und schwerwiegendem Freiheitsentzug sowie Kriegsverbrechen schuldig, wie aus einer Mitteilung vom Donnerstag hervorgeht.
Nach den Feststellungen des Senats hat sich E. im Jahr 2014 dem sogenannten IS angeschlossen. Ab diesem Jahr habe die terroristische Vereinigung gezielt Angehörige des Al-Schaitat-Stammes (Schu‘aitat) angegriffen und gefoltert. Der Angeklagte sei für den IS an Straßenkontrollpunkten tätig gewesen. Dabei habe er einen von ihm kontrollierten Mann festgenommen und mehrfach brutal gefoltert. Der Mann hat im Prozess als Zeuge ausgesagt.
Im Jahr 2015 sei E. dann über die Türkei nach Deutschland ausgereist, wo er im April des vergangenen Jahres festgenommen wurde. Seitdem befindet er sich in Untersuchungshaft. Mit dem Urteil gegen ihn folgten die Richter in Berlin dem Antrag der Bundesanwaltschaft. Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Massaker an den Schuaitat
Die sunnitisch-arabische Stammeskonföderation der Schaitat, der etwa 70.000 bis 80.000 Menschen angehören, ist in Deir ez-Zor beheimatet. Es handelt sich flächenmäßig um die größte Provinz Syriens und um jene Region des Landes, in der sich die reichsten Öl- und Gasvorkommen befinden. Als 1968 die Ölförderung in Syrien begann, wurden die ersten Förderanlagen in Deir ez-Zor errichtet. Für die lokale Bevölkerung und vor allem die zahlreichen Stämme, die zwar aufgrund der unitären, monistischen Politik des Assad-Regimes stets im Widerspruch zur Regierung in Damaskus standen, teilweise aber während der Regierung Saddam Husseins unter dem Einfluss des sunnitisch dominierten Baath-Regimes im Irak waren, eröffnete sich ein neuer Arbeitsmarkt im Ölsektor. Indes wurde die vom Regime vernachlässigte Landwirtschaft immer weiter geschwächt. Im Zuge des Syrien-Krieges erlitten dann auch noch die lebensnotwendigen Bewässerungskanäle schwere Schäden und die Landwirtschaft wurde völlig an den Rand gedrängt.
1200 Schuaitat-Mitglieder vom IS ermordet
Während der Herrschaft des IS kam es im Juli 2014 zu Zusammenstößen mit dem Stamm der Schaitat. Der IS beanspruchte die Kontrolle über die Ölquellen, die Stammesmitglieder weigerten sich, nach den Regeln der Dschihadisten zu leben. Im August überrannte der IS das Stammesgebiet der Konföderation und beging Massaker, bei denen rund 1.200 Menschen brutal niedergemetzelt, geköpft oder erschossen wurden. In der nachfolgenden Zeit verkaufte der IS das Öl aus Deir ez-Zor über Händler in die Türkei und an das syrische Regime. In den letzten Jahren wurden in der Region mehrere Massengräber entdeckt, in denen etwa 800 ermordete Schaitat-Angehörige verscharrt worden waren. Hunderte weitere Mitglieder des Stammes bleiben verschwunden.