Auf Druck des türkischen Staates hat sich die Kriminalisierung der kurdischen Freiheitsbewegung im Irak und Südkurdistan zugespitzt. Unter dem Vorwand fadenscheiniger Behauptungen, die PKK stünde hinter Bränden auf Märkten in Hewlêr (Erbil) und Kerkûk (Kirkuk), wurde die PKK in die Liste der „verbotenen Organisationen“ im Irak aufgenommen. Der Oberste Justizrat des Irak hat die Ezidische Partei für Freiheit und Demokratie (PADÊ - Partiya Azadî û Demokrasiya Êzîdiya), die Bewegung für eine freie Gesellschaft in Kurdistan (Tevgera Azadî) und die Demokratische Kampffront (Partîya Enîya Têkoşîna Demokrasiyê) wegen ihrer angeblichen Nähe zur PKK verboten.
Verbotsforderung kam von al-Araji
Der Verdacht lag bereits nahe, dass die Türkei hinter diesen Verboten steckt. Nun wurde klar, dass der Verbotswunsch an den Justizrat direkt vom „gemeinsamen Operationsraum“ kam. Dieser Operationsraum wird von der Türkei dominiert und dient dem Vorgehen gegen die PKK in Südkurdistan und dem Irak. Die Forderung nach Schließung von Organisationen, die sich gegen die türkische Besatzungs- und Annexionspolitik einsetzen, wurde vom irakischen Berater für nationale Sicherheit, Qasim al-Araji, Mitglied des Operationsraums, an die irakische Justiz herangetragen.
Das Schauerkabinett des gemeinsamen Operationsraums
In dem gemeinsamen Operationsraum sitzen neben Qasim al-Araji, der türkische Außenminister Hakan Fidan, der türkische Geheimdienst MIT, der PDK-Geheimdienst Parastin, der irakische Geheimdienst der irakische Außenminister Fuad Hussein (PDK), der Innenminister der Region Kurdistan, Rêber Ehmed, dem die Truppen der berüchtigten Roj-Peschmerga unterstehen, sowie Aziz Veysi von den PDK-treuen Zerevanî-Einheiten.
Bestechung durch die Türkei
Al-Araji ist eine schillernde Persönlichkeit. So wurden zuletzt Vorwürfe gegen ihn laut, er habe 300 Millionen Dollar vom Regime in Ankara erhalten, damit er dessen Interessen im Irak stärke. Die Rolle, die al-Araji beim Vorgehen gegen die kurdische Freiheitsbewegung spielt, untermauern diese Behauptungen.
Al-Araji ist ein schiitischer Politiker, der nach dem ersten Golfkrieg in den Iran gegangen war. Von dort aus kämpfte er auf iranischer Seite in den Badr-Brigaden und kehrte nach der US-Invasion im Irak in das Land zurück und beteiligte sich an den „Oppositionskräften“. Zwischen 2017 und 2020 war er für die Badr-Bewegung Innenminister des Irak. Seitdem ist er offizieller Berater der irakischen Regierung in Sicherheitsfragen. Al-Araji ist im Rahmen der neuen Beziehungen zwischen der türkischen und der Sudani-Regierung immer mehr in den Vordergrund getreten.
Zweimal von den USA verhaftet
Al-Araji wurde 2003 von den USA verhaftet, kam aber nach kurzer Haft wieder frei. Im Jahr 2007 wurde er erneut von den US-Streitkräften verhaftet und blieb bis 2010 in Kriegsgefangenschaft. Er war in vielen Positionen im Irak tätig, angefangen bei den Gouverneursämtern von Wasit und Basra, und er war auch Teil der Volksmobilisierungseinheiten Hashd al-Shaabi.
Die Festnahme und Freilassung des Iran-nahen Politikers al-Araji durch die USA ist immer noch Gegenstand öffentlicher Debatten. Es wird gemunkelt, dass al-Araji in seiner Gefangenschaft im berüchtigten Bucca-Camp der USA von der CIA gebrochen wurde. Das Lager ist als der Ort bekannt, an dem Al-Qaida-Terroristen und ehemalige Baath-Offiziere die Grundlagen für die Gründung des IS legten.
Nach der US-Invasion im Irak zählten das Pentagon und die CIA die Badr-Organisation, in der al-Araji aktiv war, zu den „Oppositionellen“, die mit den USA eine gemeinsame Politik entwickeln könnten. Al-Araji unterhält aktuell engste Beziehungen zur Türkei. Er scheint derjenige zu sein, der mit Zustimmung der USA die türkische Annexionspolitik für die Zentralregierung legitimiert und formalisiert hat.
Verbotsentscheidung kam nach Treffen mit Barzanî
Am 11. Juni hatte sich eine von al-Araji geleitete Delegation auf Anweisung Sudanis in Hewlêr und Silêmanî aufgehalten, um die türkische Besatzung zu untersuchen. Statt nach Behdînan zu fahren, wo die Berge brennen, traf sich al-Araji mit Mesrûr Barzanî. Im Rahmen dieser Begegnung forderte Barzanî die Umsetzung des von der Türkei bestimmten Abkommens zwischen der PDK und der irakischen Regierung vom 9. Oktober 2020, in dem die Auflösung der Selbstverwaltung der ezidischen Şengal-Region und ihre Übergabe an die PDK, die zuvor die Menschen weitgehend schutzlos dem IS überlassen hatte, festgelegt worden war. Das Verbot mehrerer Parteien, darunter auch der PADÊ, die als politischer Wille der ezidischen Bevölkerung im Irak gilt, innerhalb von 26 Tagen nach dem Treffen, ist offensichtlich eine direkte Folge dieser Gespräche.
Gericht war parteiisch
Die Tatsache, dass Hoşyar Zêbari aus der Führung der PDK und Segvan Sindi aus dem Sicherheits- und Verteidigungsausschuss des irakischen Parlaments ihrer Freude über das Verbot Ausdruck verliehen, deutet ebenfalls auf den Einfluss der PDK hinter den Verboten hin. Innerhalb des Justizrats sollen insbesondere Vertreter der PDK und sunnitischer Fraktionen die Interessen der Türkei vertreten und das Verbot durchgesetzt haben.