Menschenrechte in der Türkei: HDP zieht erschütternde Bilanz

Der HDP-Sprecher Günay Kubilay erklärt: „Der Ruf nach Neuwahlen muss lauter werden, es geht um die Befreiung von dieser Regierung.“ Den tödlichen Angriff der Militärpolizei in Dûtax bezeichnete Kubilay als „grausames Verbrechen“.

Der Sprecher der Demokratischen Partei der Völker (HDP) Günay Kubilay veranstaltete heute eine Pressekonferenz in der HDP-Zentrale in Ankara. Er erinnerte an die Massaker während der türkischen Militärbelagerung vor vier Jahren in Cizîr (Cizre), Şirnex (Şırnak), Silopiya (Silopi), Sûr, Nisêbîn (Nusaybın), Gever (Yüksekova), Farqîn (Silvan), Hezex (Idil) und Kerboran (Dargeçit) und kritisierte, dass die großen Baufirmen die zerstörten kurdischen Städte nutzen, um möglichst hohe Profite einzufahren. Die ethnische und soziale Struktur der Städte werde aktiv verändert, sagte Kubilay. Allein in Sûr wurden mehr als 300 historische Bauwerke dem Erdboden gleichgemacht. Es herrsche ein Klima der Straflosigkeit für die Ermordung von mindestens 292 Menschen durch staatliche Kräfte, unter ihnen viele Frauen und Kinder.

Rechtsverletzungen im Jahr 2019

Kubilay prangerte außerdem das Regime der Zwangsverwaltungen an. Mittlerweile wurden 28 HDP-geführte Rathäuser unter Zwangsverwaltung gestellt und 20 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister inhaftiert. Die Anzahl der Gefangenen in den Haftanstalten der Türkei nimmt immer weiter zu, ebenso die der Übergriffe und Misshandlungen in staatlichem Gewahrsam. So berichten 2.886 Gefangene von Schlägen und Misshandlung. In den ersten elf Monaten des Jahres 2019 wurden 65 Journalist*innen festgenommen und 19 inhaftiert. Kubilay wies zudem auf den Angriffskrieg in Nordsyrien und seine Folgen hin. In der Türkei wurden Ermittlungsverfahren gegen etwa 500 Personen wegen kriegskritischen Äußerungen in den sozialen Medien eingeleitet, 121 von ihnen wurden sogar inhaftiert.

Familienvater mit hunderten Schüssen getötet“

Zur Dorfrazzia in Dûtax (Tutak) sagte Kubilay: „Ein anderes grausames Ereignis fand am 6. Dezember in Mûşîyan im Kreis Dûtax in der Provinz Agirî statt. Bei einer Operation in den Morgenstunden wurden vier Personen getötet. Unter den Getöteten befand sich Murat Kaya. Der Vater von drei Kindern war gerade aus Antalya, wo er arbeitet, zu Besuch bei seiner Familie. Nach Aufnahmen aus den Medien wurde Kaya mit hunderten Kugeln durchsiebt. Er wurde nach drei Tagen der Familie übergeben und unter Militärbelagerung in der Nacht begraben. Die Brüder Murat Kayas waren ebenfalls festgenommen worden. Erst nach ihrer Freilassung erfuhren sie von seinem Tod.“ Kubilay kritisierte scharf, dass eine Untersuchungsdelegation von Abgeordneten der HDP mit Gewalt am Betreten des Dorfes gehindert wurde, und warf dem Innenministerium vor, die Geschehnisse verschleiern zu wollen.

Ruf nach Neuwahlen

Kubilay forderte auch die sofortige Freilassung von Osman Kavala sowie von Selahattin Demirtaş, Figen Yüksekdağ und allen anderen gewählten Vertreter*innen.

Der HDP-Sprecher schloss mit den Worten: „Um sich ein für alle Mal von dieser Regierung zu befreien, muss auch auf juristischer Ebene zu Neuwahlen aufgerufen werden. Diese Regierung ist weder bereit noch auch nur ansatzweise in der Lage, den von ihr akkumulierten Berg an Problemen und vor allem die kurdische Frage zu lösen. Diese Regierung muss verschwinden.“