G20-Gipfel: Biden will Erdoğan vor „überstürzten Aktionen“ warnen

US-Präsident Joe Biden will seinen türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdoğan beim G20-Gipfel in Rom vor „überstürzten Aktionen“ warnen. Alle Krisen, die den amerikanisch-türkischen Beziehungen nicht zuträglich seien, müssten vermieden werden.

US-Präsident Joe Biden will seinen türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdoğan bei einem für heute geplanten Treffen am Rande des am Samstag begonnenen G20-Gipfels in Rom vor „überstürzten Aktionen“ warnen, die den amerikanisch-türkischen Beziehungen nicht zuträglich seien. Das äußerte ein hochrangiger US-Beamter am Samstag gegenüber Reuters. Dem AKP-Chef solle signalisiert werden, dass Krisen wie zuletzt der „Botschafterstreit“ vermieden werden müssen, um die zwischenstaatliche Partnerschaft nicht zu gefährden.

Erdoğan hatte vor einer Woche gedroht, zehn westliche Botschafter zu „unerwünschten Personen“ erklären zu lassen – aus Protest gegen deren Solidaritätsbekundung mit dem seit vier Jahren ohne Verurteilung inhaftierten Kulturförderer Osman Kavala. Betroffen davon waren neben dem US-Botschafter auch die Vertreter von Deutschland und den Niederlanden. Nach massiver Kritik mäßigte der türkische Präsident sein Auftreten und rückte von der angedrohten Ausweisung, die in der Regel auf die Einstufung zur „persona non grata“ folgt, ab. Zuvor hatten die US-Botschaft und andere betroffene Botschaften auf Twitter eine Erklärung veröffentlicht, wonach sie sich gemäß der Wiener Konvention daran halten, sich nicht in die inneren Angelegenheiten des Gastlandes einzumischen. Von Kritiker:innen wurde der Schritt als „Einknicken vor dem Autokraten“ und Beihilfe zur Missachtung von Menschenrechten gewertet.

US-Beamter: Überstürztes Handeln nicht förderlich

„Sicherlich wird US-Präsident Joe Biden darauf hinweisen, dass wir einen Weg finden müssen, um Krisen wie diese in Zukunft zu vermeiden, und dass überstürztes Handeln für die Partnerschaft und das Bündnis zwischen den USA und der Türkei nicht förderlich ist”, zitiert Reuters den US-Beamten. Zur Sprache kommen solle bei der Unterredung zwischen den beiden Staatschefs auch der von Ankara beabsichtigte Kauf von vierzig F16-Kampfflugzeugen und achtzig Modernisierungssystemen für die türkische Luftflotte. In einem Schreiben an Biden und dessen Außenminister Antony Blinken äußerten zuletzt elf Mitglieder des Repräsentantenhauses ihre „tiefe Besorgnis“ über die Berichte, wonach die Türkei möglicherweise die Maschinen vom Typ Lockheed Martin erwerben könnte. „Nach der Ankündigung von Präsident Erdoğan im September, dass die Türkei eine weitere Tranche russischer S-400-Raketenabwehrsysteme kaufen wird, können wir es uns nicht leisten, unsere nationale Sicherheit zu gefährden, indem wir in den USA hergestellte Flugzeuge an einen Verbündeten schicken, der sich weiterhin wie ein Gegner verhält”, hieß es in dem Brief.

Intensive Truppenbewegungen entlang der Besatzungszone

Auf der Agenda von Biden stünden darüber hinaus eine Reihe regionaler Themen, wie etwa Syrien und Libyen. Die Türkei droht derzeit mit einem weiteren Angriffskrieg gegen die kurdischen Gebiete in Nordsyrien. Im Fokus steht unter anderem die Stadt Kobanê im Autonomiegebiet von Nord- und Ostsyrien, die in die illegale Besatzungszone des türkischen Staates integriert werden soll. Anfang der Woche hat das türkische Parlament das Mandat für Auslandseinsätze in Syrien und Irak um zwei Jahre verlängert. Mit den Stimmen von AKP, MHP und IYI-Partei ist Recep Tayyip Erdoğan ermächtigt worden, bis 2023 über „Grenze, Ausmaß, Menge und den Zeitpunkt“ der Entsendung von türkischen Truppen für Militäroperationen in die beiden Nachbarländer zu entscheiden. Entlang der Besatzungszone werden seit Tagen intensive Truppenbewegungen der türkischen Armee und verbündeter Dschihadistenmilizen des Söldnerverbands „Syrische Nationalarmee” (SNA) beobachtet.