Friedensakademiker in Istanbul freigesprochen

Im neu aufgerollten Verfahren gegen Şebnem Korur Fincancı und Gencay Gürsoy hat ein Gericht in Istanbul beide „Friedensakademiker*innen” vom Terrorvorwurf freigesprochen.

Im neu aufgerollten Verfahren gegen Unterzeichnende einer Friedenspetition in der Türkei wurden die Akademiker*innen Şebnem Korur Fincancı (61) und Gencay Gürsoy (80) vom Vorwurf der Terrorpropaganda freigesprochen. Beide waren im Jahr 2018 zu Haftstrafen in Höhe von 30 beziehungsweise 25 Monaten verurteilt worden.

Der Prozess fand vor dem 37. Schwurgerichtshof am Justizpalast Istanbul statt. Wegen der Corona-Bestimmungen durften nur drei Zuschauer*innen die Verhandlung verfolgen. Etliche Journalist*innen und weitere Friedensakademiker*innen mussten draußen bleiben.

In Reaktion auf die über die Monate andauernden Ausgangssperren in Nordkurdistan, bei denen das türkische Militär mit äußerster Gewalt gegen die Zivilbevölkerung vorging, hatten im Januar 2016 zunächst 1.100 Wissenschaftler*innen und Intellektuelle von 89 Universitäten in der Türkei die Petition „Wir werden nicht Teil dieses Verbrechens sein” unterzeichnet. Der vom international angesehenen Mathematiker Tuna Altinel verfasste Appell prangerte „kriegsartige Zustände” samt Ausgehverboten in den kurdischen Gebieten an und warf der Regierung eine „Vernichtungs- und Vertreibungspolitik” im Konflikt mit der kurdischen Arbeiterpartei PKK vor. Später stieg die Zahl der Unterschriften auf über 2200.

Während die Initiative in Deutschland mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnet wurde, stufte die türkische Regierung den Friedensappell als terroristische Propaganda und Beleidigung des türkischen Staates ein. Im Zuge dessen wurden 27 Wissenschaftler*innen verhaftet und mehr als 200 der Unterzeichnenden verurteilt. Über 500 Fälle befinden sich noch vor Gericht.

Neun der Verurteilten, darunter Fincancı und Gürsoy, hatten sich später an das Verfassungsgericht gewandt. Das entschied letzten Sommer, dass ihre Rechte verletzt worden seien und die Prozesse neu aufgerollt werden müssten. Sie erhielten zudem jeweils eine Entschädigung von 9000 Lira (damals umgerechnet rund 1430 Euro).