Ferhan Ay nach dreißig Jahren aus türkischer Haft entlassen

Mit Ferhan Ay ist ein weiterer Anfang der 1990er Jahre wegen Separatismus verurteilter Kurde in der Türkei aus dem Gefängnis entlassen worden. Der Sechzigjährige sagte, er könne sich nicht frei fühlen, solange sein Volk nicht frei sei.

Ferhan Ay ist nach dreißigjähriger Haft in türkischen Gefängnissen aus der Vollzugsanstalt Izmir-Şakran freigelassen worden. Der politische Gefangene war 1993 in Nisêbîn (tr. Nusaybin) wegen Separatismus festgenommen und vor einem Staatssicherheitsgericht zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die letzten dreißig Jahre verbrachte er in Gefängnissen in Amed, Yozgat, Mêrdîn und zuletzt in Şakran.


Ay hätte eigentlich schon vor vierzig Tagen entlassen werden müssen. Weil er während der Haft anderthalb Monate in einem Krankenhaus stationär behandelt werden musste, wurde die Entlassung um diese Dauer hinausgeschoben. Am Freitag war es dann endlich so weit: Ferhan Ay, der bei seiner Verhaftung dreißig Jahre alt war, wurde vor der Vollzugsanstalt von Verwandten und Freund:innen in Empfang genommen und mit Blumen begrüßt. Der Blumenstrauß wurde ihm überreicht von Fehime Poyraz, der Mutter der 2021 von einem türkischen Faschisten in der HDP-Zentrale in Izmir ermordeten Deniz Poyraz. Ebenfalls anwesend waren Vorstandsmitglieder der HDP und des Gefangenensolidaritätsvereins EGE-TUHAYDER.

Schmerzliche Freude nach dreißig Jahren

Gegenüber MA erklärte Ferhan Ay nach seiner Entlassung: „Ich habe das Gefängnis nach dreißig Jahren verlassen. Teilweise bin ich frei. Meine Freunde, mit denen ich dreißig Jahre zusammen war, sind noch da drinnen. Solange unser Volk und alle unsere Freundinnen und Freunde nicht frei sind, können auch wir nicht wirklich frei sein. Ich empfinde im Moment eine schmerzliche Freude, denn ich musste meine Freunde zurücklassen und das fällt mir schwer. Ich hoffe, dass sie alle freikommen.“

Ferhan Ay stammt aus Mêrdîn und will nach dreißig Jahren dorthin zurückkehren.

Hunderte Gefangene werden nicht entlassen

In den letzten Wochen sind viele Gefangene freigelassen worden, die 1993 vor den inzwischen abgeschafften Staatssicherheitsgerichten zu lebenslänglicher Haft verurteilt wurde. Ungefähr 200 politische Gefangene werden jedoch auch nach Absitzen ihrer regulären Strafdauer nicht entlassen. Über die Entlassung entscheidet ein Ausschuss nach eigenem Ermessen. Ohne die Zustimmung dieses Ausschusses kann die Haftentlassung immer wieder um drei oder sechs Monate verschoben werden. Eine der gängigen Fragen, die der Ausschuss für seine Sozialprognose an die Betroffenen richtet, lautet: „Ist die PKK Ihrer Meinung nach eine Terrororganisation?"