Elf politische Parteien: Vollzugsgesetz ist wie Todesstrafe

Die HDP und zehn weitere politische Parteien in der Türkei fordern zum Protest gegen das geplante Strafvollzugsgesetz auf. Die Neuregelung, mit der Zehntausende Häftlinge entlassen werden könnten, schließt politische Gefangene explizit aus.

Elf politische Parteien in der Türkei, darunter HDP, DBP, EMEP und ESP, fordern in einer gemeinsamen Erklärung zur geplanten Änderung des Strafvollzugsgesetzes eine Gleichbehandlung der Gefangenen:

Der Vorschlag zum Vollzugsgesetz, der in dieser Woche in der Generalversammlung des Parlaments debattiert werden wird, beinhaltet viele Änderungen der Vollzugsregelung. Wie jedoch von der AKP/MHP-Regierung nicht anders zu erwarten war, stehen diese Änderungen in keinem Verhältnis zu universellen Rechtsnormen und menschenrechtlichen und demokratischen Kriterien.

Laut der Datenlage von 2020 befinden sich insgesamt 282.703 Häftlinge in 355 Gefängnissen. Die Überbelegung in den Haftanstalten befindet sich auf einem in der Geschichte der Türkei nie dagewesenen Niveau. Schlechte Ernährung, ungeheizte und ungelüftete Hafträume, fehlendes Tageslicht, eine unzureichende medizinische Personalausstattung, die langen Wartezeiten bei ärztlicher Behandlung, der ausschließliche Zugang zu Hygienemitteln gegen Bezahlung sowie die unzureichende Versorgung mit sauberem und heißem Wasser machen die Gefängnissen ohnehin zu einer Brutstätte für Erkrankungen. Bei einer Epidemie sind sie hochgradig riskante Orte.

Das Recht auf Leben wird missachtet

Das Recht der Untersuchungs- und Strafgefangenen auf Gesundheit und Leben unterliegt dem Staat und der Regierung. Die von der Regierung vorgeschlagene Neuregelung zeigt jedoch, dass der AKP/MHP-Block in dieser Hinsicht nur an die denkt, die ihm nahe stehen. Die Rechte der Oppositionellen werden offen verletzt. Diese Regierung ist diskriminierend. Die inhaftierten Politikerinnen und Politiker, ehemalige Abgeordnete, Bürgermeister, Journalisten, Akademiker, Studierende und Bürger, die ihr Recht auf Meinungsfreiheit in den sozialen Medien genutzt haben, werden von dieser Regelung ausgeschlossen. Die Regierung missachtet das Recht auf Leben derer, die sich in Opposition zu ihr befinden.

Darüber hinaus beinhaltet der Gesetzesvorschlag auch nicht die Freilassung oder die Aussetzung des Vollzugs von Kranken, Alten und Müttern. Er ist Ausdruck der menschenfeindlichen Denkweise der Regierung.

Oppositionelle von der Justiz verhaften und verurteilen zu lassen, ist gängige Praxis dieser Regierung. Dass die politischen Untersuchungs- und Strafgefangenen, die von der regierungsabhängigen und parteiischen Justiz ins Gefängnis gesteckt wurden, von der Neuregelung nicht profitieren können, widerspricht den universellen Rechtsnormen und auch den Präzedenzurteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Verfassungsgerichts.

Wie die Todesstrafe

Wenn die Neuregelung in dieser Form verabschiedet wird, werden sich neue Wunden in der Gesellschaft auftun und die Gefangenen werden zur Todesstrafe verdammt. Das geplante Gesetz ist die heutige Entsprechung der Worte des Junta-Anführers Kenan Evren nach dem Militärputsch vom 12. September 1980: „Sollen wir sie nicht aufhängen und weiterernähren?“ Im Verständnis der Regierungskoalition haben Oppositionelle kein Lebensrecht. Gestern wie heute herrscht das Denken: Wenn du in Opposition zur Regierung stehst, musst du sterben.

Wir erklären ein weiteres Mal, dass die Ausgrenzung politischer Gefangener aus dieser Regelung nicht hinnehmbar ist. Diebe, Korrupte, Mafia, Drogenhändler, Personen, die Gewalt gegen Frauen ausüben, vergewaltigen und Kinder missbrauchen, können von dem Gesetz profitieren. Wer sein Recht auf Gedanken- und Ausdrucksfreiheit ausgeübt hat, bleibt ausgeschlossen.

Als die unterzeichnenden Parteien rufen wir Rechts- und Menschenrechtsorganisationen, oppositionelle Parteien, alle Teile der zivilgesellschaftlichen Opposition, Gewerkschaften, Vereine, Berufsvereinigungen und alle Menschen mit einem Gewissen dazu auf, die Stimme der Gerechtigkeit gegen diese Regelung und die diskriminierende und unmenschliche Haltung der Regierung zu erheben.

Die unterzeichnenden Parteien

Demokratik Bölgeler Partisi (DBP)

Devrimci Parti

Emek Partisi (EMEP)

Ezilenlerin Sosyalist Partisi (ESP)

Halkların Demokratik Partisi (HDP) 

SODAP

Sol Parti

Sosyalist Yeniden Kuruluş Partisi

Türkiye İşçi Partisi

Türkiye Komünist Partisi

Yeşil Sol Parti.